„Wer hält Berlin am Laufen?“ : Eine Tagung zu prekären Jobs in der Hauptstadt
Ob im Einzelhandel, dem Hotel- und Gaststättengewerbe, bei der Gebäudereinigung oder den Schnelllieferdiensten: Viele Tätigkeiten in diesen Branchen sind systemrelevant, aber schlecht bezahlt.
Reinigung der Glasfassade am Berliner Hauptbahnhof.
Wer hält Berlin am Laufen? Diese Frage hat sich spätestens mit der Corona-Pandemie neu gestellt. Da gerieten neben dem Pflegebereich, der Logistik und der Ernährungsindustrie auch verschiedene andere Branchen in den Fokus, die als systemrelevant gelten – wo die Beschäftigten aber oftmals mit Niedriglöhnen, Befristungen, Teilzeit, hoher gesundheitlicher Belastung, rigider Kontrolle und geringer Anerkennung zu kämpfen haben.
Diesem Thema widmet sich am Freitag (5. Juli 2024) eine Fachtagung des Projekts „Job Option Berlin“ des Berliner Beratungsunternehmens „ArbeitGestalten“. Thema sind die vielfach prekären Arbeitsbedingungen in Bereichen wie dem Einzelhandel, dem Hotel- und Gaststättengewerbe, der Gebäudereinigung und den Schnelllieferdiensten.
Von „verkannten Leistungsträger:innen“ spricht im Blick auf die Beschäftigten hier die Göttinger Soziologin Nicole Mayer-Ahuja. Gemeinsam mit dem Wirtschaftswissenschaftler Oliver Nachtwey hat sie 2021 einen vielbeachteten Band herausgegeben, der die Menschen porträtiert, „die am unteren Rand der Arbeitsgesellschaft festsitzen“. Vom Fernfahrer bis zur Friseurin, von der Erzieherin bis zum Erntehelfer.
Mayer-Ahuja wird bei der Tagung diskutieren mit Max Landero, Staatssekretär der Senatsverwaltung für Arbeit, Katja Karger, Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, und Nils Busch-Petersen, Geschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg.
„Klasse erkennt man am besten von unten“ – Mayer-Ahuja gehört zu jenen Wissenschaftlern, die bewusst bei Begriffen wie Klasse und Klassengesellschaft geblieben sind. Dazu die Soziologin: „Dabeibleiben wäre die falsche Formulierung, wir führen sie gerade wieder ein.“
Von der Klassengesellschaft zu reden, sei speziell in Deutschland seit Jahrzehnten eigentlich nicht mehr üblich gewesen, sagt Mayer-Ahuja. Stattdessen habe, orientiert am Soziologen Helmut Schelsky, die Annahme vorgeherrscht, dass man in einer „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“ lebe. „Doch die Vorstellung, dass es für alle – von unterschiedlichen Niveaus aus – irgendwie nach oben geht, ist nicht mehr zu halten.“