Zu nass für Winterweizen – Landwirte sind wegen Wetterextremen besorgt
Erntebeginn
Zu nass für Winterweizen – Landwirte sind wegen Wetterextremen besorgt
Matthias Mehl inspiziert die Qualität seiner Wintergerste bei Frankfurt.
Der Bauernverband erwartet in diesem Jahr eine durchschnittliche Ernte. Landwirte äußern trotzdem Sorge. Das liegt am Klimawandel.
Frankfurt – Traditionelle Ernteauftakt-Pressekonferenz des Deutschen Bauernverbandes. Montagfrüh am Rande von Frankfurt. Die Regie sah vor, dass jetzt die Sonne scheint, der Mähdrescher im Einsatz ist, vor der spektakulären Kulisse der Skyline. Doch das Wetter ist in diesem Jahr unberechenbar. So wie die Agrarpolitik des Bundes unbefriedigend ist, meint Joachim Rukewied, frisch wiedergewählter Bauernpräsident. Der oberste deutsche Landwirt ist nach Frankfurt gereist, um die Erwartungen für die Getreideernte vorzustellen. In der vergangenen Woche hat sie begonnen. Seine Prognose: knapp 42 Millionen Tonnen und damit leicht unter dem Vorjahresergebnis.
Eine Frage der Witterung – Landwirtschaft ost wegen Klimawandel besorgt
„Die Landwirtschaft bekommt die Auswirkungen des Klimawandels auch in diesem Jahr wieder deutlich zu spüren“, sagt Rukewied. Das ist der Grund dafür, dass der Mähdrescher nicht brummt, sondern hinter ihm steht – in der Halle des landwirtschaftlichen Betriebs von Matthias Mehl, dem Ort der Pressekonferenz. Rechts neben der imposanten Maschine türmt sich ein Berg von Wintergerste auf, am Samstag noch eilig eingebracht. Wegen der beunruhigenden Vorhersagen. Am Ende war das Unwetter dann doch nicht so heftig. Die Rhein-Main-Region blieb bislang relativ verschont von den heftigen Kapriolen dieses Sommers. In anderen Teilen der Republik war es schlimmer mit Überschwemmungen, Hochwasser, Staunässe. Doch wenn die Sonne sich weiter rar macht, dann versagt auch der beste Wetterauer Lössboden.
Sonne muss her. Bei Getreide entscheidet sie über die Stärke, bei der Zuckerrübe über den Zuckergehalt. Das sind die Qualitätsparameter. Nicht die optisch gesund daherkommenden saftig grünen Blätter der Rüben auf dem Feld in dem Frankfurter Stadtteil Nieder-Erlenbach oder die Dicke der Früchte. Noch ist nichts entschieden, sagen dort die Fachleute am Montag. Bei viel Sonne und gelegentlichem Landregen könnte es mit der einen oder anderen Kultur noch was werden. Für Mais, Kartoffeln, Zuckerrüben sind die Monate Juli und August entscheidend. Doch jetzt muss es mal trocken werden. Bei der feucht-warmen Witterung steigt die Gefahr des Befalls mit Kraut- und Knollenfäule bei der Kartoffel. Die Folge wären massive Ertragseinbußen. So wie bereits mancherorts durch den Rapserdfloh.
Durchschnittliche Ernte erwartet – Unterstützung der Regierung reicht nicht aus
„Wir erwarten eine knapp durchschnittliche Ernte mit heterogenen Erträgen“, sagt Rukwied. Keine gute Aussicht angesichts steigender Kosten für Energie und Sprit. Wegen des Mindestlohns rechne sich der Erdbeeranbau immer seltener. „Der ist fast doppelt so hoch wie in Spanien.“ Inakzeptabel sei das „Päckchen“, das die Bundesregierung kurz vor dem Deutschen Bauerntag zur Unterstützung der Landwirtschaft geschnürt habe. Das reiche bei weitem nicht, um die großen Herausforderungen zu bewältigen. Dazu gehöre auch der niedrige Weizenpreis, mit dem Russland seinen Krieg flankiert.
Der Erfolg der martialischen Treckerproteste im Winter, scheint es, hat das Selbstbewusstsein gestärkt. Keine andere Branche sei so wichtig für das Überleben der Bevölkerung und den sozialen Frieden im Land, stellt der Bauernpräsident klar.
Getreidebilanz 2024
Die Gesamtanbaufläche liegt in diesem Jahr bei nur 5,98 Millionen Hektar und ist somit leicht gesunken.
Sommerweizen hat sich gegenüber dem Vorjahr von 30 500 Hektar auf voraussichtlich 99 600 Hektar mehr als verdreifacht. Die Sommergerste hat um 13 Prozent auf 363 300 Hektar zugelegt. Grund dafür sind die anhaltenden Niederschläge im Herbst, die die Aussaat von Wintergetreide verhindert haben.
Beim Winterweizen kam es bei der Fläche zu einem ein Rückgang um acht Prozent. Die Anbaufläche der bedeutendsten Getreideart in Deutschland liegt bei knapp 2,6 Millionen Hektar. Gefolgt von Wintergerste mit etwas über 1,3 Millionen Hektar.
Beim Winterraps hat die Fläche ebenso wie beim Winterweizen leicht abgenommen. Sie liegt nun bei 1,1 Millionen Hektar und somit knapp sechs Prozent unter dem Vorjahr. jur
Die nächste Forderung: „Wir brauchen mehr im Werkzeugkasten.“ Eine weitere deutliche Reduzierung in der Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln und Wirkstoffen werde den Anbau von Getreide in Deutschland bedrohen. „Es ist dringend notwendig, dass uns Landwirten eine breite Palette von Wirkstoffen zur Verfügung steht, um einen Wechsel in der Anwendung vollziehen und so ein gutes Resistenzmanagement durchführen zu können.“
Neue Proteste möglich – Schweinebetriebe kämpfen gegen Schweinepest
Auffällig in diesem Jahr ist der Zuwachs der Anbaufläche von Sommergetreide. Auch von Mais, Erbsen, Bohnen. Denn die starken Niederschläge sind nicht erst Thema dieses Sommers. Seit Herbst hat die Landwirtschaft mit Nässe zu kämpfen. Mancherorts konnte die Wintergerste deshalb nicht ausgebracht werden. Und dann die Spätfröste im Frühjahr – mitten in der Rapsblüte.
Neben Rukwied hat sein ebenfalls bestätigter Stellvertreter Platz genommen, Karsten Schmal, Chef des Hessischen Bauernverbands. Der sagt später der Frankfurter Rundschau, dass die Landwirtinnen und Landwirte sehr aufgebracht seien gegen die Bundesregierung. Die Fortsetzung der Proteste schließt er nicht aus. „Mal warten, was der Herbst bringt.“
Die Schweinebetriebe in Hessen haben derzeit noch spezielle Sorgen: Die Afrikanische Schweinepest wurde bei einem Wildschwein festgestellt. Nicht das Virus aus Ostdeutschland, sondern das aus Osteuropa. Was darauf schließen lässt, dass die Übertragung über ein sorglos weggeworfenes Wurstbrot oder Ähnliches erfolgte. Für Menschen und andere Tiere besteht keine Gefahr. Doch sie können das Virus weiterschleppen und verbreiten, das für Schweine meist tödlich ist. Angesagt ist höchste Hygiene in den Schweineställen und viel Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung. „Wir haben dazu jeden Tag Videokonferenzen“, sagt Schmal. Eine weitere Herausforderung in ohnehin nicht wenig herausfordernden Zeiten. Ein Dauerbrenner. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns, bis wir davon frei sind.“