BVG in Mitte: Warum sich die Berliner Philharmoniker eine Straßenbahn wünschen

bvg in mitte: warum sich die berliner philharmoniker eine straßenbahn wünschen

Unterwegs in Berlin: Eine Straßenbahn der BVG hält in Mitte. Seit Jahrzehnten gibt es den Plan, das Tram-Netz über die Leipziger Straße nach Westen zu erweitern – zunächst zum Kulturforum.

Es ist ein ungewöhnlicher Brief. Seine Verfasserinnen und Verfasser haben mit Musik zu tun, mit Kunst und Büchern – der öffentliche Verkehr in Berlin ist normalerweise kein Thema für sie. Doch diesmal haben die Berliner Philharmoniker, die Nationalgalerie, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie andere Institutionen eine Ausnahme gemacht. In einem Schreiben an Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) bitten sie darum, das Projekt zum Bau einer Straßenbahnstrecke vom Alexanderplatz zum Kulturforum voranzutreiben. Doch bei dem Vorhaben zeichnet sich eine Umplanung ab.

Das Schreiben, das der Berliner Zeitung vorliegt, ist ein Who’s who der Hochkultur in Berlin. Andrea Zietzschmann, Intendantin der Stiftung Berliner Philharmoniker, und Klaus Biesenbach, Direktor der Neuen Nationalgalerie, gehören zu den Absendern. Auch Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und sein Vizepräsident Gero Dimter haben unterschrieben. Achim Bonte, Generaldirektor der Staatsbibliothek, und Dagmar Hirschfelder, Direktorin der Gemäldegalerie, sowie sieben weitere Chefinnen und Chefs aus dem Kulturbereich komplettieren die illustre Liste.

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Das Kulturforum in Berlin: Die Gemäldegalerie und das Kunstgewerbemuseum gehören zu den Institutionen, die auf dem Areal zwischen Landwehrkanal und Tiergarten ihren Standort haben.

Die Institutionen haben eines gemein: Sie gehören zum oder grenzen an das Kulturforum in Mitte, das sich zwischen Landwehrkanal und Tiergarten erstreckt. Für die öffentliche Verkehrserschließung sorgen heute Busse sowie die einen längeren Fußweg entfernte U- und S-Bahn. Seit Jahrzehnten gibt es den Plan, die Verbindung zu verbessern: mit der Straßenbahnstrecke in der Potsdamer Straße. Die M4 aus Hohenschönhausen soll über den Alexanderplatz hinaus zum Kulturforum fahren.

„Im Kulturforum sehen wir ein immenses Entwicklungspotenzial“, heißt es in dem Brief an Manja Schreiner, der vom 16. Januar datiert. „Wir verstehen es als historisch, gesellschaftlich, stadträumlich und stadtklimatisch wichtigen Baustein im Sinne einer umfassend verstandenen Nachhaltigkeit.“ Dabei habe die Anbindung des Kulturforums an das Straßenbahnnetz der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) eine hohe Bedeutung.

„Wir tragen die von Ihrer Verwaltung formulierten Ziele des Streckenausbaus wie barrierefreie Zugangsmöglichkeiten zum ÖPNV, eine Neuordnung der Straßenräume und eine damit verbundene höhere Aufenthaltsqualität für die Menschen voller Überzeugung mit“, führt das Schreiben an die Senatorin weiter aus. „Wir erhoffen uns zudem neben einer besseren Erreichbarkeit unserer Häuser auch die Chance, die Publikumsmobilität umweltfreundlicher zu gestalten. Ein weiteres großes Anliegen unsererseits ist es, die trennende Wirkung der Potsdamer Straße zu überwinden.“ Nicht zuletzt gelte es, das neue Museum der Moderne „berlin modern“ verkehrlich zu erschließen.

Der Brief an die Senatspolitikerin schließt mit einem Wunsch: „Wir bitten Sie herzlich, die Planungen für die Straßenbahnanbindung weiter mit großer Geschwindigkeit voranzubringen und keinesfalls zu verschieben. Wir sind bereit, Sie und Ihre Verwaltung dabei nach Kräften zu unterstützen. Für uns alle ist die Anbindung an das Straßenbahnnetz von zentraler Bedeutung für die Attraktivität des Ortes. Dabei finden wir es auch wichtig, dass der gesamte Straßenraum entlang der Potsdamer Straße betrachtet und das Kulturforum als ein gemeinsamer städtebaulicher Bereich wahrgenommen wird.“ Es geht also auch um den Umbau dieses Stadtraums.

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Der schmale Abschnitt der Leipziger Straße in Mitte: Hier befürchtet Senatorin Schreiner Staugefahr. Einer ihrer Vorgänger ließ die Schienen im Jahr 2000 verlegen. Doch sie sind nicht mehr zu gebrauchen.

Es handelt sich um ein Straßenbahnprojekt, das schon etwas älter ist. Ende der 1990er-Jahre erregte die BVG Aufsehen mit ihrem Vorschlag, einen Teil der Strecke in einem Tunnel verschwinden zu lassen. Dann präsentierte der damalige Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) ein Gutachten, das die Nullvariante empfahl – den Verzicht auf die Tram. Im Jahr 2000 ließ Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) in der Leipziger Straße auf 530 Metern schon mal Schienen verlegen – für umgerechnet 1,85 Millionen Euro. Doch dann geriet das Vorhaben in Vergessenheit. Erst 2010 begann die Vorplanung.

4,1 Kilometer Strecke, davon 85 Prozent auf eigenem Gleiskörper außerhalb der Fahrbahn, zehn Haltestellen: Das sind einige Grunddaten der Straßenbahntrasse, die vom Alexanderplatz über den Leipziger und Potsdamer Platz zum Landwehrkanal führen soll. Wenn die Neubaustrecke fertig ist, wird die M4 von Hohenschönhausen, Weißensee und Prenzlauer Berg bis zur Neuen Nationalgalerie fahren. Bislang war von 65 Millionen Euro Baukosten die Rede. Später sollen die Gleise weiter nach Schöneberg und Steglitz führen. Die Tram soll die überlasteten Buslinien M48 und M85 ersetzen.

In der Leipziger Straße, auf der auch viele Autos unterwegs sind, müssten die Bahnen rund um die Kreuzung Friedrichstraße auf mehreren Hundert Metern eine schmale Stelle passieren. Die Verkehrssenatorin befürchtet Probleme. „Der Bau der Straßenbahn darf nicht dazu führen, dass in der Leipziger Straße kein Autoverkehr mehr abgewickelt werden kann“, sagte Manja Schreiner im Interview mit der Berliner Zeitung.

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Ein breiter Grünstreifen, links und rechts Gleise – und dann ein Fahrstreifen pro Richtung: Das war eine Variante für die Umgestaltung der Leipziger Straße in Mitte, die 2020 präsentiert wurde.

Deshalb sieht die von der CDU und der SPD unterzeichnete Koalitionsvereinbarung vor, dass auch dieses Tram-Projekt geprüft wird. „Wir schauen uns die Situation genau an und sehen dann unter mehreren Varianten die Beste zur Umsetzung vor“, so Schreiner im Dezember. „Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass wir in diesem Bereich ein Einbahnstraßen-System einführen. Wir müssen auch prüfen, ob die Straßenbahnstrecke parallel zur Leipziger Straße durch Nebenstraßen geführt werden könnte.“

„Auch ich will die Tram zum Kulturforum“, bekräftigte die Senatorin am Donnerstag. Der Plan, den Alexanderplatz mit dem Potsdamer Platz und dem Kulturareal per Straßenbahn zu verbinden, werde weiter verfolgt. Doch Manja Schreiner bekräftigte, dass sie keine Probleme für den Autoverkehr verursachen will. Nach Informationen der Berliner Zeitung haben Fachleute in ihrer Verwaltung davor gewarnt, Gleise durch den schmalen Abschnitt zu führen. So zeichnet sich immer stärker ab, dass die Trasse zum Teil anders verlaufen wird als bisher vorgesehen. Das würde eine Umplanung erfordern.

Die CDU-Politikerin sagte, dass sie bald entscheiden werde. Ob es dabei bleibt, dass 2029 die ersten Bahnen auf der Neubaustrecke fahren, kann man in der Verwaltung nicht sagen. In die bisherigen Vorbereitungen des Tramprojekts ist schon viel Geld geflossen, teilte Staatssekretärin Claudia Elif Stutz im vergangenen Sommer auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Oda Hassepaß und Julia Schneider hin mit. „Zum aktuellen Projektstand betragen die Gesamtkosten der Planung aufgrund vertraglicher Verpflichtungen insgesamt circa sechs Millionen Euro“, bilanzierte die CDU-Politikerin.

Hassepaß erneuerte die Forderung, das Projekt zügig weiterzuführen. „Wir brauchen diese Straßenbahnstrecke“, sagte sie. Es dürfe nicht dazu kommen, dass ein großer Teil der Vorarbeiten überflüssig wird und wiederholt werden muss. Die Grünen-Abgeordnete aus Pankow kritisierte auch Schreiners Plan, die geplante Verlängerung der M2 im Nordosten mehrere Hundert Meter vor dem S-Bahnhof Blankenburg enden zu lassen. Die Senatorin begründete dies damit, dass sie den jahrelangen Streit mit Bewohnern der Erholungsanlage Blankenburg, die Parzellen räumen müssten, beenden will. Hassepaß: „Die Straßenbahn muss zum S-Bahnhof fahren.“

„Für den Fall, dass sich eine Anbindung an den S-Bahnhof Blankenburg als nicht umsetzbar erweist, ist für eine alternative Anbindung zur S-Bahn die Planung aufzunehmen“, so die Grünen-Fraktion in einem Antrag ans Abgeordnetenhaus. „Dabei kommt insbesondere die Verlängerung der Straßenbahnstrecke vom Neubauquartier Blankenburger Süden zum ebenfalls neu zu planenden S-Bahnhof Sellheimbrücke in Betracht, wenn dieser mit der angekündigten Verlängerung der S75 zum Karower Kreuz entsteht.“

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