„Wladimir der Schreckliche“: Russlands Staats-TV feiert Putins Krönung mit neuem Titel
Putins Inauguration
„Wladimir der Schreckliche“: Russlands Staats-TV feiert Putins Krönung mit neuem Titel
Im prunkvollen Kremlpalast lässt Putin sich erneut zum russischen Präsidenten einschwören. Dem Staatsfernsehen fällt dafür ein neuer Vergleich ein.
Moskau – „Wenn er stark sein wird, werden sie ihn anerkennen“ – so kommentierte der Journalist Witali Tretjakow Putins offiziellen Amtsantritt in der Sendung „60 Minuten“. Am 7. Mai hat sich Wladimir Putin zum fünften Mal zum Präsidenten Russlands vereidigen lassen, für weitere sechs Jahre. Der staatliche Kanal Rossija 1 begleitete das Prozedere mit einer Spezialausgabe der Serie.
Putin als machtbesessener Großfürst in Russland
Tretjakow referenziert mit seiner Aussage Sergej Eisensteins epochalen Film „Iwan der Schreckliche“ von 1944, dessen ersten von zwei Teilen Stalin mit dem höchsten zivilen Orden der Sowjetunion auszeichnete. Der Film dokumentiert das Leben des gefürchteten Zaren Iwan IV., der sich 1547 mit 16 Jahren selbst zum ersten Großfürsten von Moskau krönen ließ. Seine Herrschaft prägte eine umfangreiche Expansion Russlands, unter der sich das Territorium des Zarenreichs erheblich vergrößerte.
Russlands Präsident Wladimir Putin steht kurz vor seiner Amtseinführung vor einer Treppe im Regen.
Zwischen Iwan IV. und Putin gibt es durchaus Parallelen. Beide setzen auf Krieg, um ihr Hoheitsgebiet zu expandieren (und scheitern). Beide terrorisieren die Gesellschaft ihres Staates, der sie eigentlich Schutz geschworen haben. Beide zeichnen sich durch Willkür und Paranoia aus.
Zar Iwan hinterließ eine Zeit der Wirren in Russland
Seinen Beinamen „der Schreckliche“ verdiente Iwan sich durch eben dieses Misstrauen: Von Iwans sieben Frauen starben die wenigsten eines natürlichen Todes. In Moskau vollzog er Massenhinrichtungen, wohl um etwaige Konspirateure loszuwerden. Als der Zar Nowgorod der Kollaboration mit dem verhassten Polen-Litauen verdächtigte, brachte er bei einem Massaker in der Stadt fast 20.000 Menschen um. Weil Iwan auch seinen Sohn und Thronfolger Iwan erschlug – und Moskau nach der bitteren Niederlage gegen Polen-Litauen im Krieg um die Ostsee geschwächt war – brach bald nach seinem Tod in Russland eine Zeit der politischen Wirren an – die sogenannte Smuta.
Sie dient bis heute als historisches Schreckgespenst. Erneut sprach Putin in seiner Rede eine Warnung aus: „Wir dürfen nicht den tragischen Preis der Smuta und ihre Verluste vergessen. Unser Staat und unser gesellschaftspolitisches System müssen stark und widerstandsfähig gegenüber allen Herausforderungen und Bedrohungen sein, um den Fortschritt und die Stabilität der Entwicklung, die Einheit und Unabhängigkeit des Landes sicherzustellen.“
Putins Herrschaft in Russland gilt als alternativlos
Diese Selbstinszenierung als alternativlose Tragsäule des politischen Systems greift Tretjakow auf, wenn er Russlands Präsidenten mit Iwan IV. vergleicht. „So war es damals, ist es heute und wird es immer sein in dieser Welt, bis der Kommunismus oder eine andere Art des Paradieses auf Erden errichtet wurde“, fuhr der Direktor der Higher School of Television Moskau fort. Die Parallele zeigt ganz unverhohlen, dass Putin längst kein demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt mehr ist – nicht einmal in den Augen seiner Funktionäre.
Den zweiten Teil von Eisensteins Werk hatte Stalin verboten. Dieser zeigt den Niedergang des Zaren, sein Dürsten nach Macht und seine Schrecklichkeit. Wenn Putin als absolutistischer Herrscher in die Geschichte eingehen möchte – und darauf deutet seine Aussage hin, dass der Staat und das gesellschaftliche System „flexibel sein sollten, um die Grundlagen für Erneuerungen und Fortschritt zu legen“ – sollte er deshalb nicht vergessen, dass nach seinem Tod die Fortsetzung folgt. (ah)