Israel-Kritik bei der Berlinale-Gala sorgt für Empörung

Bei der Berlinale-Preisverleihung haben mehrere Filmschaffende Israels Vorgehen im Gazastreifen kritisiert. Deutsche Politiker erheben den Vorwurf des Antisemitismus.

israel-kritik bei der berlinale-gala sorgt für empörung

Berlinale-Gala: Auf dem Roten Teppich wird sofortiger Waffenstillstand gefordert

Eigentlich sollte es um die Gewinner der Bären geben, doch gleich mehrere Filmschaffende nutzten die Berlinale-Gala am Samstagabend (23.02.2024), um einen Waffenstillstand im Gazastreifen zu fordern. Mehrere Filmemacher kritisierten außerdem Israels Vorgehen im Gazastreifen – ohne dabei die Rolle der militanten PalästinenserorganisationHamas und die Terroranschläge vom 7. Oktober zu erwähnen. An diesem Tag wurden von der islamistischen Hamas 1200 Israelis getötet und mehr als 240 Menschen – darunter Frauen und Kinder – als Geiseln genommen.

Die einseitigen Äußerungen sorgten insbesondere in deutschen Politikerkreisen für heftige Kritik. Besonders die Rede des US-amerikanischen Filmemachers Ben Russel sorgte für Unmut. Er ging mit einem Palästinensertuch auf die Bühne und äußerte Genozid-Vorwürfe gegen Israel: “Natürlich stehen wir hier auch auf für das Leben. Waffenstillstand jetzt! Natürlich sind wir gegen den Genozid. Wir stehen in Solidarität mit all unseren Kameraden”, sagte Russell unter Jubelrufen aus dem Publikum.

israel-kritik bei der berlinale-gala sorgt für empörung

Ben Russell (li) und Guillaume Cailleau mit dem Jury-Preis für ihre Doku

Israelisch-palästinensischer Film gewinnt Dokumentarfilmpreis

Der israelische Filmemacher Yuval Abraham und sein palästinensischer Kollege Basel Adra sind für ihren Film “No Other Land” mit dem Berlinale-Dokumentarfilmpreis 2024 ausgezeichnet worden. Die Dokumentation zeigt, wie die Bewohner des Dorfes Masafer Yatta im Westjordanland – hier wuchs Basel Adra auf – seit Jahren gegen die Zerstörung ihrer Häuser durch israelische Soldaten und jüdische bewaffnete Siedler kämpfen.

Der palästinensische Regisseur sagte in seiner Dankesrede, es falle ihm schwer zu feiern, während seine Landsleute im Gazastreifen “abgeschlachtet und massakriert” würden. Adra forderte Deutschland auf, “den Aufforderungen der UNO nachzukommen und keine Waffen mehr nach Israel zu liefern”.

israel-kritik bei der berlinale-gala sorgt für empörung

Der israelische Journalist Yuval Abraham und der palästinensische Regisseur Basel Adra

Sein Co-Regisseur, der israelische Journalist Yuval Abraham, sprach von “Apartheid” im Westjordanland. Er wies darauf hin, dass er und Basel Adra bei der Berlinale gleichberechtigt nebeneinander auf der Bühne stünden, es zu Hause aber anders aussehe. In in zwei Tagen würden sie in ein Land zurückkehren, in dem sein palästinensischer Kollege einer institutionalisierten Diskriminierung ausgesetzt sei, kein Wahlrecht habe und aufgrund seines palästinensischen Nummernschilds in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt sei. Deswegen fordere er eine Ende “dieser Apartheid, dieser Ungleichheit”.

Diese Äußerungen sorgten ebenfalls für Unmut. Ein israelischer Sender strahlte einen 30-sekündigen Ausschnitt dieser Rede aus und deklarierte sie als antisemitisch. Seitdem, so Yuval Abraham auf der Social-Media-Plattform X, erhalte er Morddrohungen.

Auch deutsche Politiker kritisieren Aussagen als “antisemitisch”

israel-kritik bei der berlinale-gala sorgt für empörung

Bürgermeister Kai Wegner:

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner verurteilte die Äußerungen der Filmemacher scharf und nannte sie “eine untragbare Relativierung”. In Berlin habe Antisemitismus keinen Platz, und das gelte auch für die Kunstszene, schrieb er auf X.

Der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, kritisierte “die sogenannte ‘kulturelle Elite'” scharf. “Einmal mehr zeigt die deutsche Kulturszene ihre Voreingenommenheit, indem sie den roten Teppich ausschließlich für Künstler ausrollt, die die Delegitimierung Israels vorantreiben”, schrieb er auf X und fügte hinzu: “Unter dem Deckmantel der Rede- und Kunstfreiheit wird antisemitische und antiisraelische Rhetorik zelebriert.” Und dann, so Prosor weiter, werde auch noch applaudiert.

Der kultur- und medienpolitische Sprecher der sozialdemokratischen Partei, Helge Lindh, nannte den Beifall des Publikums am Galaabend “schockierend”. “Ich schäme mich dafür, dass in meinem Land Leute Völkermordvorwürfe an Israel feiern, statt dem Auftrag aus dem deutschen Völkermord gerecht zu werden und dies auch auszudrücken”, sagte Lindh der Tageszeitung “Welt”.

israel-kritik bei der berlinale-gala sorgt für empörung

Bundeskanzler Scholz mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog

Auch der deutsche Bundeskanzler meldete sich zu Wort. Eine derart einseitige Positionierung könne so nicht stehen gelassen werden, so Olaf Scholz.

“Hetze gegen Israel ist erschreckend regelmäßig geworden”

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, schloss sich der Kritik an: “Hetze gegen Israel und Juden auf deutschen Kulturveranstaltungen ist eine erschreckende Regelmäßigkeit geworden”, sagte der er “Bild”-Zeitung. “Schon wieder ducken sich bei der Berlinale viele politisch Verantwortliche weg und haben nicht den Mut, gegen Applaus für Israelhass aufzustehen.” Er erwarte von den politisch Verantwortlichen, dass sie endlich klare Positionen und Konsequenzen für die Kulturförderung vorgeben. Damit bezog er sich auf die Tatsache, dass die Berlinale von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und dem Land Berlin unterstützt wird. Berlins Kultursenator Joe Chialo sagte unterdessen, die Preisverleihung sei “geprägt von selbstgerechter antiisraelischer Propaganda” gewesen.

Deutsche Regierung leitet Untersuchung ein

Kulturstaatsministerin Claudia Roth erklärte am Montag (26.02.2024), dass die Vorkommnisse während der Berlinale-Gala aufgearbeitet werden sollen. “Die Statements bei der Bärenverleihung waren erschreckend einseitig und von einem tiefgehenden Israelhass geprägt”, so Roth. Nun müsse man untersuchen, ob die Berlinale ihrem Anspruch gerecht werde, ein Ort der Vielfalt, der unterschiedlichen Perspektiven und des Dialogs zu sein.

israel-kritik bei der berlinale-gala sorgt für empörung

Die Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth bei der Berlinale-Eröffnung

Roth will auch klären, wie in Zukunft sichergestellt werden könne, dass die Berlinale ein Ort “frei von Hass, Hassrede, Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und allen Formen von Menschenfeindlichkeit” sein könne.

Berlinale in der Bredouille

Die Berlinale-Verantwortlichen distanzierten sich am Sonntagabend von den israelkritischen Äußerungen der Filmemacher und betonten, dass sie nicht die Position des Festivals widerspiegeln. Sie wiesen aber auch darauf hin, dass Meinungsäußerungen bei kulturellen Veranstaltungen grundsätzlich nicht verhindert werden könnten und das auch nicht gewollt sei.

Anders als die Filmschaffenden auf der Bühne hatte die Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek auf der Gala auch die Situation der israelischen Opfer angesprochen. Sie forderte die Hamas auf, alle Geiseln freizulassen und bat Israel darum, “alles zu tun, um Opfer zu vermeiden”.

Nach dem Rücktritt des Berlinale-Direktorenduos Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian wird die US-Amerikanerin Tricia Tuttle ab April 2024 offiziell die Festivalleitung übernehmen.

Adaption aus dem Englischen: Suzanne Cords

Autor: Elizabeth Grenier

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World