„Wir sind die Normalen, die Gesunden“

Hans-Georg Maaßen will seiner neuen Partei mit einem Landesverband in Nordrhein-Westfalen einen kräftigen Schub verschaffen. Heftig attackiert er die Ampel und die CDU – die AfD wird mit keinem Wort erwähnt. Seine Losungen klingen abwechselnd nach Union, AfD und Freien Wählern.

„wir sind die normalen, die gesunden“

Hans-Georg Maaßen, Vorsitzender der Partei Werteunion Thomas Banneyer/dpa; Montage: Infografik WELT

Die anderen genießen die laue Walpurgisnacht und Brückentage – oder einfach das Angrillen. Das würde Hans-Georg Maaßen auch gern. „Ich hätte heute ebenfalls was anderes zu tun, als über Politik zu sprechen“, sagt er. Geht aber nicht, meint der Vorsitzende der Werteunion und ehemalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz: „Was uns zusammenbringt, ist die Sorge um Deutschland.“

Maaßen steht am Dienstagabend in Siegen in einem kleinen, stickigen und voll besetzen Nebensaal der Mehrzweckhalle und redet über Politik. Drei Stunden lang. Er will, so sagt er, rausbekommen, ob er als „politischer Geisterfahrer unterwegs ist“, also falsch liegt mit seiner Analyse zur Lage des Landes – oder ob die anderen die Geisterfahrer sind. Das Ergebnis steht natürlich fest, denn Maaßen glaubt an sich. Die Leute, die gekommen sind, wollen nun wissen, was er sowie die Ex-CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel als neue starke Frau an seiner Seite und die Wertunion insgesamt tun würden, um den Menschen die Sorgen zu nehmen. Es zeigt sich an diesem Abend, dass es schwierig ist, darauf befriedigende Antworten zu geben.

Das Publikum, darunter Ärzte, Anwälte, Lehrer, Mittelständler in meist fortgeschrittenerem Alter, fordert konkrete Vorschläge. Zur Unterstützung der Unternehmer. Der Rentner. Zum Umgang mit den Muslimen im Land. Zur Sicherung der Energieversorgung. Dabei wird deutlich, dass dem Führungsduo die Problembeschreibung leichter fällt als die Formulierung wirklich praktikabler Lösungen. Und außerdem, dass Maaßen und Pantel mit dem, was sie als „Programm“ anbieten, auf einem ganz schmalen Grat zwischen den sehr konservativen Vertretern von CDU und CSU einerseits und der AfD andererseits wandeln.

Am Ende bleibt die Frage, welche Nische die Werteunion „in der Mitte“, die Maaßen unentwegt adressiert, und im sogenannten bürgerlichen Lager eigentlich besetzen will. Die Losungen klingen abwechselnd nach Union, AfD und Freien Wählern. „Das Bürgertum neigt dazu, sich zu zersplittern“, sagt Maaßen. Genau das passiert an diesem Abend. „Wir“, also die bürgerlichen Kräfte, „müssen zusammenhalten“. In der Siegerland-Halle geschieht das Gegenteil.

Denn der Gegner, den Maaßen vor allem ausmacht, ist neben der Ampel nämlich die CDU. Jene Partei, die in der Ära von Altkanzlerin Angela Merkel „nach links ausgerichtet“ worden sei, in der es unter dem aktuellen Vorsitzenden Friedrich Merz „eins zu eins so weiter geht wie unter Merkel“, wie Maaßen sagt.

Ganz so, als würde Merz nicht einiges tun, um die CDU konservativer auszurichten. Ganz so, als gäbe es im neuen Grundsatzprogramm, das die Christdemokraten auf dem Berliner Parteitag Anfang kommender Wochen beschließen wollen, keine Passagen gäbe, die eine Leitkultur fordern – was unter Merkel unmöglich gewesen wäre.

„Was denn für eine Leitkultur?“, spottet Sylvia Pantel, die 28 Jahre in der CDU war und im März hingeschmissen hatte, weil die Partei „feige“ sei. Eine durchaus berechtigte Frage zur Leitkultur, weil die CDU diesen Begriff bis heute nicht mit überzeugendem Inhalt gefüllt hat. „Das Schlimmste an Merz’ Spruch über die Paschas war, dass er den zurückgenommen hat“, attackiert Pantel den CDU-Chef weiter. Was übrigens nicht korrekt ist. Merz hat die Paschas anders als seinen Satz über den „Sozialtourismus“ bekräftigt. In Siegen wird klar: Die Werteunion ist vor allem eine Anti-CDU-Partei.

Maaßen, ebenfalls einst Christdemokrat und nach heftigem Streit aus der Partei ausgeschieden, ist derzeit auf Werbetour für seine Partei. Deshalb die Station in Siegen. Davon, wie die Nordrhein-Westfalen auf die Werteunion reagieren, hängt auch ab, ob die Partei dauerhaft eine ernstzunehmend politische Kraft werden kann. „Erst mal müssen wir den Osten gewinnen“, sagt Maaßen.

Dort stehen in diesem Jahr drei Landtagswahlen an. Deshalb wurden die ersten Landesverbände dort gegründet, in Thüringen und Sachsen, im Mai soll Brandenburg hinzukommen. Außerdem gibt es einen in Schleswig-Holstein.

Die Defizite der Werteunion und der Spott der Union

Am 11. Mai ist nun Gründungstreffen des Landesverbandes in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, das auch bei der CDU den mit Abstand wichtigsten Landesverband stellt. In dem Ministerpräsident Hendrik Wüst von der CDU ziemlich geräuschlos mit den Grünen regiert, was viele konservative Christdemokraten reizt. In dem es viele Mittelständler gibt, die in der Werteunion eine Alternative zur Union sehen könnten, viel Geld aus der Wirtschaft. Deshalb ist NRW so wichtig.

Denn die Werteunion hat gleich mehrere Defizite: kaum Geld, keine schlagkräftige Organisation, bundesweit nicht viel mehr als 300 Mitglieder, weil beim Aufnahmeverfahren sehr restriktiv vorgegangen wird, um nicht unterwandert zu werden. Kein Wunder bei einer Partei, an deren Spitze ein ehemaliger Verfassungsschutzchef steht. Und dann ist da noch jede Menge interner Zwist um die Ausrichtung und um künftige Posten sowie um das Verhältnis zum Förderverein Werteunion, aus dem die Partei hervorgegangen ist. „Wir müssen dringend professioneller werden“, mahnt ein Mitglied aus der Führungsmannschaft.

Der Landesverband Nordrhein-Westfalen muss also ein Erfolg werden, soll Anschub für die Wahlkämpfe in Ostdeutschland im Sommer geben. Schließlich lautet das Ziel, zweistellige Ergebnisse bei den dortigen Landtagswahlen im September einzufahren und dann 2025 bei der Bundestagswahl anzutreten.

In der CDU reagieren sie auf solche Ankündigungen mit Kopfschütteln oder Spott. Laut einer Insa-Umfrage von Mitte März käme die Werteunion bei der Landtagswahl in Thüringen zurzeit allenfalls auf ein Prozent der Stimmen. Laut Maaßen ist seine Partei offen für jedwede Zusammenarbeit. Die CDU hat dagegen mit ihrer Festlegung, weder mit der AfD noch mit der Linken zu koalieren, kaum Bewegungsspielraum.

In die Siegerland-Halle sind an diesem Abend die Enttäuschten und Politikverdrossenen gekommen, überwiegend bürgerlich, die von der Ampel wie der Union gleichermaßen desillusioniert, aber noch nicht bei der AfD gelandet sind. Maaßen spricht von der „Mitte“, die die Partei vertreten wolle, erteilt Extremismus eine Absage. Aber es zeigt sich, dass die „Bürgerlichkeit“, die Maaßen meint, nichts mit der CDU zu tun hat. Ihm geht es nicht um Korrekturen der Ampel-Politik, „nicht um Steuern und Sozialhilfe hoch oder runter“, wie er sagt. Er will eine völlig neue Politik, eine „Wende“. Er will die „Freiheit zurück, so zu leben, wie man will“.

Das klingt dann so: „Ich bin dafür, die Brandmauern einzureißen“, sagt Maaßen. Die CDU beschreibt mit dem Begriff ihre Ablehnung einer Kooperation mit der AfD. Maaßen schließt die ganz explizit nicht aus. „Man muss mit Extremisten reden, sie von der Richtigkeit der freiheitlichen Demokratie überzeugen.“ Zum Thema Migration sagt Maaßen: „Wir müssen die Zuwanderung stoppen, und ich möchte auch, dass Einwanderung rückgängig gemacht wird.“ Nicht durch Deportationen, sondern durch Abschiebungen jener, die keinen Anspruch hätten, in Deutschland zu bleiben. Die Losungen klingen leicht umsetzbar, würden aber den Praxistest kaum bestehen. Wie will man Menschen nach Afghanistan oder Syrien abschieben? Mit wem verhandelt man das? Was tut man, wenn die Länder eine Aufnahme verweigern?

Maaßen will widerborstige Regime mit Sanktionen belegen, die Visa für die EU sperren, den Kindern der dortigen Eliten die Studienmöglichkeiten in Europa verweigern, den Machthabern und ihrer Kamarilla Klinikbesuche. Ob die das beeindruckt? Und was ist mit all jenen Fällen, in denen Asylbewerber ihre Papiere einfach weggeworfen haben?

Ähnlich ist es mit den Aussagen zur Energiepolitik. „Mir ist am liebsten der Strom aus der Steckdose, aber so einfach ist es natürlich nicht“, meint Maaßen leichthin. Er sei „kein Fan von Atomkraft“. Aber mit Wind- und Sonnenenergie sei der Bedarf nicht zu decken. Bei solchen Aussagen fehlt die Tiefe. Um die Energiewende wird seit Jahren erbittert gerungen, bezahlbare Energie ist ein entscheidender Standortfaktor für die deutsche Wirtschaft und sicher einer eingehenderen Erörterung wert als der bloße Verweis auf die Steckdose.

Das Publikum reagiert auf die Reden Maaßens und Pantels mit sehr freundlichem Applaus, in der anschließenden Fragerunde schon ein wenig zurückhaltender. Am Ende kann Maaßen aber feststellen, der Abend habe gezeigt, dass nicht er der politische Geisterfahrer sei, sondern die Anderen, die Ampel-Anhänger, die Union. „Wir sind die Normalen, die Gesunden.“

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