Wie der Tunnelblick zu schlechter Führung beiträgt
Wenn wir Probleme lösen, nutzen wir meist ausgetretene Pfade. Was haben Sie noch nie versucht?
Wie der Tunnelblick zu schlechter Führung beiträgt
Ich saß vor Jahren in einem Führungsseminar mit einem Mann, der sich permanent meldete, weil er dieses und jenes Buch gelesen hatte und daraus sein Führungswissen zitierte. Er gab der Seminarleitung zu verstehen, dass die angesprochenen Themen praktisch alle unter seinem Niveau waren. Dieser Mann fiel anderen ins Wort, nahm gefühlt 80 Prozent des Redeanteils in der Gruppe ein und spürte nicht, wie sein Verhalten bei anderen ankam. Er führte eindrucksvoll vor, dass kennen, verstehen und umsetzen drei unterschiedliche Schritte sind.
Das manager magazin fasst den Tag für Sie zusammen: Die wichtigsten Wirtschaftsnachrichten im Überblick als Newsletter. Jetzt kostenfrei abonnieren.
Auch wenn unser Kenntnisstand und die Umsetzung im Alltag bestenfalls nicht ganz so weit auseinanderliegen: Die Person, die uns am häufigsten als Führungskraft im Weg steht, sind wir selbst.
In einem aktuellen Artikel haben Robert Quinn, emeritierter Professor der Ross School of Business der Universität Michigan, und seine drei Co-Autoren untersucht, welche negativen Denkmuster verhindern, dass wir als Führungskraft in Bestform auftreten. Auf eine Falle will ich hier eingehen: Zu glauben, dass unser Handeln alternativlos sei.
Worauf haben Sie sich fixiert?
Die Wissenschaftler beschreiben, wie wenig Führungskräfte in der Lage waren, von ihrem ursprünglichen Kurs abzuweichen und zum Beispiel mehr Ergebnisorientierung oder Empathie zu zeigen. Selbst wenn die Chefinnen und Chefs guten Willens waren.
Wer kennt den Tunnelblick nicht? Egal, ob es um komplexe strategische Probleme geht oder die Art, wie wir mit einem schwierigen Kollegen kommunizieren. Wir nutzen meist dieselben Pfade und tun uns schwer, sie zu verlassen.
Sie kennen vielleicht dieses Experiment, bei dem eine Kerze so an einer Wand oder Platte angebracht werden soll, dass nach dem Anzünden kein Wachs auf den Boden tropft. Zur Verfügung stehen lediglich eine Schachtel Reißzwecken und Streichhölzer. Die Lösung besteht darin, sich von unseren Gewohnheiten zu lösen, die Psychologen nennen das „funktionale Fixierung“. Wir müssen die Schachtel mit den Reißzwecken auskippen und an der Wand befestigen als Kerzenständer. Mehrheitlich dauert es eine ganze Weile, bis die Probanden darauf kommen. Sie sind darauf fixiert, dass die Schachtel lediglich der Aufbewahrung der Reißzwecken dient.
Auch im Job übersehen wir Möglichkeiten. Wenn ein Mitarbeiter kündigt, suchen wir möglichst ähnlichen Ersatz, anstatt zu überlegen, wie die Rolle noch ausgefüllt werden könnte. Kommen wir mit einem Projekt nicht voran, strengen wir uns noch mehr an, statt einen neuen Weg auszuprobieren. Kommt eine Information beim Team nicht an, wiederholen wir Sie noch vehementer und übersehen die Möglichkeit, es zum Beispiel mit Fragen zu versuchen.
Fragen Sie sich: Welchen Lösungsweg habe ich noch nie versucht? Welche Wettbewerber gehen mit der Situation, in der wir uns befinden, anders um? Wie könnte ich einmal wie ein anderer Mensch kommunizieren, zum Beispiel wie der beste Freund, eine Lehrerin oder ein Entertainer. Ich bin gespannt, auf welche Ideen Sie kommen.
Den gesamten Artikel und drei weitere Denkfallen lesen Sie hier. Zudem ist mir beim Schreiben wieder diese Anleitung zur Selbstreflexion in den Sinn gekommen.
Community-Tipp: Diese Woche kommt er von Sabine Füllhaas-Kahnes. Die Abteilungsleiterin beim Studierendenwerk München weiß Fehler zu nehmen: „Meine Katastrophen von gestern sind die Anekdoten von heute – keep cool.“
PS: Beruflich vorankommen, ohne sich zu verbiegen – wie das geht, erklären Ihnen die beiden Kommunikationsexperten David Hagenauer und Karline Wenzel in zwei kostenlosen Webinaren am 13. Mai um 14 Uhr und am 16. Mai um 17 Uhr live bei manage › forward. In je 45 Minuten erfahren Sie, wie Sie Sichtbarkeit für Ihre Leistungen und Fähigkeiten schaffen und wie viel Personal Branding Ihre Karriere braucht. Hier geht’s direkt zur Anmeldung!
Herzliche Grüße
Antonia Götsch
Chefredakteurin Harvard Business manager