Wie ausgerechnet ein CDU-Bürgermeister in NRW die Zeitenwende ausbremst

Eine Produktionsstätte für Munitionszünder in NRW gilt als wesentlicher Faktor, um Deutschlands Verteidigungsfähigkeit zu sichern. Doch vor Ort wehrt sich der Bürgermeister von Troisdorf dagegen, weitere Flächen zur Verfügung zu stellen. Stattdessen sollen Wohnungen entstehen. Berlin schaltet sich ein.

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Greifen ein: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (v.l.) Stella Venohr/Kay Nietfelddpa/Horst Galuschka/picture alliance/dpa; Getty Images; Montage: Infografik WELT

Vor einigen Monaten fiel überraschend der Name der Stadt Troisdorf bei einer Befragung der Bundesregierung im Bundestag. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), wollte von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im November 2023 wissen, wie er die Haltung der Kommune in einer militärisch bedeutsamen Angelegenheit bewertet.

„Das große Problem Munition ist bekannt; das ist kein Geheimnis. Jetzt erleben wir allerdings in der Stadt Troisdorf in Nordrhein-Westfalen, dass dort der CDU-Bürgermeister seit Wochen verhindert, dass eine bestehende Munitionsfabrik, die auch die Erlaubnis hat, diese herzustellen, ihre Kapazität dort erweitert, um die Sicherheit der Bundesrepublik sicherzustellen.“

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Infografik WELT

Pistorius betonte, dass es bei der Produktion von Munition und Explosivstoffen in Deutschland wie in der ganzen EU einen echten Engpass gebe. „Deswegen habe ich ein großes Interesse daran, dass auch die Länder und Kommunen hier mit uns an einem Strang ziehen und diese Realisierung nicht nur nicht behindern, sondern sie zu beschleunigen helfen.“ Er habe deswegen mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) telefoniert.

Es geht um die elementare Frage, wie schnell und konsequent die militärische Zeitenwende vor Ort umgesetzt wird, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem russischen Angriff auf die gesamte Ukraine im Februar 2022 angekündigt hat.

Troisdorf ist mit seinen etwa 80.000 Einwohnern nahe dem Flughafen Köln/Bonn seit mehr als 100 Jahren ein wichtiger Standort für die Waffenproduktion. Einst siedelte sich die Dynamit Nobel AG, kurz DN genannt, an und sorgte mit zahlreichen Arbeitsplätzen im Rüstungsgeschäft für ein Anwachsen der Stadt. Inzwischen produziert auf dem alten DN-Gelände die Dynitec GmbH, ein führender Hersteller von Zündelementen für Munition in Europa – aber eben keine „Munitionsfabrik“, wie Strack-Zimmermann es im Bundestag irrtümlich formuliert hatte.

Für die Stadt „ein sehr großer Nachteil“

Dynitec gehört zur Unternehmensgruppe Diehl Defence und möchte die Produktion in den Troisdorfer Fertigungsstätten nahe der Stadthalle und des Rathauses erhöhen. Zudem will das Unternehmen eine etwa 50 Hektar große Fläche des früheren DN-Geländes erwerben. Allerdings hat der Stadtrat am 28. November 2023, also einen Tag vor Troisdorfs Erwähnung im Bundestag, mit einer Mehrheit von CDU, Grünen und Linken beschlossen, einen neuen Bebauungsplan für das zentrumsnahe Areal aufzustellen und der Stadt per Satzung ein Vorkaufsrecht zu sichern. Das Gelände soll mittel- und langfristig in erheblichem Umfang auch für den Wohnungsbau entwickelt werden. Das würde die Pläne von Diehl Defence durchkreuzen.

Bürgermeister Alexander Biber (CDU) hatte für den Beschluss maßgeblich geworben, weil er „riesige Entwicklungsmöglichkeiten“ sieht. Er grenzte sich auch ungewöhnlich scharf von Dynitec ab: „Für die Stadt wäre der Verkauf an dieses Unternehmen ein sehr großer Nachteil.“ Diese negative öffentliche Kommentierung wiederum erhöhte die Spannungen, weil insbesondere in der Bundespolitik den Eindruck aufkam, dass einigen Kommunalpolitikern nicht die verteidigungspolitische Tragweite ihrer Entscheidung bewusst sei.

Andererseits ist zu hören, dass die Bundespolitik sich allzu forsch eingemischt habe, ohne die kommunalen Belange ausreichend zu respektieren. Vor allem ein Einwand von FDP-Politikerin Strack-Zimmermann im Bundestag, ob man nicht „gesetzmäßig“ gegen die Kommune vorgehen könne, sorgte für Wirbel. Bürgermeister Biber wiederum berief sich auf die kommunale Selbstverwaltung. Und es gab auch Fehlinformationen: So hatte der Bürgermeister etwa behauptet, dass Dynitec eine „Munitionsfabrik“ plane, was aber das Unternehmen dementierte.

Biber machte auch deutlich, dass er für das Unternehmen in Troisdorf auf lange Sicht keine Zukunft sehe. Sein Vorschlag zur Lösung des Konfliktes lautete: „Kurzfristig die Produktion in Troisdorf hochfahren, soweit sie der Unterstützung der Ukraine dient. Langfristig einen neuen Standort für Diehl Defence finden, an dem das Unternehmen außerhalb eines Ballungsgebietes produzieren kann.“

Womöglich hätten sich die Fronten mit einer umsichtigeren Kommunikation gar nicht erst verhärtet. Wenn man sich nun einige Monate später in Troisdorf und bei Beteiligten umhört, sind alle Seiten bemüht, verbal abzurüsten, und intern um eine Lösung zu ringen. Bürgermeister Biber will sich auf WELT-Anfrage aktuell nicht persönlich äußern, sondern lässt über die Pressestelle ausrichten, dass man sich in vertraulichen Gesprächen befinde. Es wird darauf verwiesen, dass der Bürgermeister und der CEO von Diehl Defence im Dezember 2023 mit dem Chef der Staatskanzlei NRW, Nathanael Liminski (CDU), in der Düsseldorfer Regierungszentrale zusammengekommen seien.

„Im guten und konstruktiven Verlauf des Austauschs ist das gegenseitige Verständnis der jeweiligen Positionen gewachsen. Offene Fragen wurden identifiziert. Diese sollen in weiteren vertraulichen Gesprächen der beiden Parteien einer einvernehmlichen Klärung zugeführt werden“, betont ein Stadtsprecher.

Das klingt wesentlich diplomatischer als bisher. Offenbar hilft auch der Einsatz von Staatskanzleichef Liminiski als eine Art Mediator. Der junge Christdemokrat kennt den Troisdorfer Bürgermeister persönlich und hat einige Jahre im Leitungsstab des Bundesverteidigungsministeriums gearbeitet. Er weiß, wie die unterschiedlichen Seiten ticken und welche Bedürfnisse es zu berücksichtigen gilt. Auch Liminski will sich aus Gründen der Diskretion nicht im Detail äußern, erklärt aber auf Anfrage zumindest verhalten optimistisch: „Es laufen Gespräche mit dem Ziel, die Interessen beider Seiten angemessen zu berücksichtigen.“

Wie eine Einigung aussehen könnte, ist noch unklar. Eine bereits bekannte Alternative könnte sein, dass die Stadt die Fläche erwirbt und Diehl Defence diese für einen bestimmten Zeitraum pachtet. Damit könnte sich die Stadt alle Möglichkeiten offenhalten. Das Unternehmen hält sich ebenfalls an die vereinbarte Vertraulichkeit. Es gibt lediglich den Hinweis aus Unternehmenskreisen, dass bereits andere einzelne Grundstücke des DN-Geländes erworben worden seien und von den blockierten 50 Hektar nur ein Bruchteil für Wohnungsbau entwickelt werden könne, auch weil Schutzabstände zur Zünderfertigung bestünden. Ohnehin bestehen Zweifel, ob eine Wohnbebauung überhaupt finanzierbar wäre, da auch die Stadt selbst eingesteht, dass im Erdboden beträchtliche Altlasten nach jahrzehntelanger Rüstungsproduktion zu erwarten sind.

Strack-Zimmermann warnt vor Scheitern

Es deutet sich nach WELT-Informationen auch an, dass Verteidigungsminister Pistorius und der NRW-Ministerpräsident sich demnächst wieder austauschen werden über Troisdorf, und zwar länger als jene paar Minuten vom November 2023.

Das Verteidigungsministerium hat Troisdorf jedenfalls auf dem Schirm: „Die in Troisdorf gefertigten Zünd- und Anzündmittel sind für die Artilleriemunition von grundsätzlicher Bedeutung“, heißt es dort auf WELT-Anfrage. Daher befürworte das Ministerium „nachdrücklich die Absicht der Industrie, Produktionskapazitäten am Standort Troisdorf zu erweitern“. Mit Blick auf die sicherheitspolitische Lage habe „der kontinuierliche Aufbau unserer Munitionsvorräte eine besondere Bedeutung. Deshalb und auch unter Berücksichtigung des Bedarfs unserer Partner begrüßt die Bundesregierung industrielle Initiativen zur Erweiterung ihrer Produktionskapazitäten im Bereich der Munitionsfertigung.“

Strack-Zimmermann hofft, „dass ein einvernehmlicher Weg gefunden wird, den Troisdorfer Bürgermeister und die CDU und die Grünen, die diese Kapazitätserweiterung bisher abgelehnt haben, davon zu überzeugen, dass, bei allem Respekt vor kommunaler Selbstverwaltung, die Zeitenwende auch in der Kommunalpolitik gelebt und umgesetzt werden muss“. Die FDP-Politikerin warnt vor einem Scheitern, sonst „wäre der Schaden riesig groß. Wir brauchen die Fähigkeit, uns gegen Despoten durchsetzen zu können. Das geht nur aus der Stärke heraus.“ Die Zünderproduktion in Troisdorf sei „von Relevanz für Deutschland, für die Unterstützung der Ukraine und darüber hinaus für alle Partnerstaaten“.

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