Patrice: «Ich finde es wichtig, einen Moment zu kreieren, der irgendwie besonders ist»

patrice: «ich finde es wichtig, einen moment zu kreieren, der irgendwie besonders ist»

Ist wieder auf Tour: Sweggae-Künstler Patrice.

Sweggae-Künstler Patrice ist zurück. Momentan ist er auf grosser Tour und machte für zwei Gigs auch in der Schweiz Halt. Wir sprachen mit ihm unter anderem über nachhaltiges Touren, besondere Momente und unsere innersten Ursprünge.

Seit frühester Jugend macht Patrice Musik und zählt seit knapp 25 Jahren zu den beliebtesten und erfolgreichsten Reggae-Acts Deutschlands. Doch sein Genre definiert der gebürtige Kölner mit sierra-leonischen Wurzeln am liebsten gar nicht – oder nennt es eben Sweggae.

Immer wieder entgrenzt sich der 44-Jährige musikalisch. Das ist bei seinem kürzlich erschienenen Album «9», das im Anschluss an seinen siebenjährigen Rückzug auf Jamaika in Senegal entstand, nicht anders: Verschiedenste Sounds und Stile fliessen mit ein. Neben Botschaften wie der, dass wir allen Grund haben, um das Leben zu feiern, da die meisten Dinge bereits gut sind, haben seine Songs sehr viel Tiefgang, sowohl in die philosophische als auch in die politische Richtung.

Willkommen zurück! Dein letzter Auftritt in der Schweiz ist nun schon zehn Jahre her. Wie ist es für dich, wieder hier zu sein?

Patrice: Cool, ich freue mich! Erst mal: Man merkt sofort, dass das Catering besser ist, sobald man über die Grenze fährt (lacht). Das Essen hier ist richtig gut, die Luft auch. Also Bern hat auf jeden Fall einen Vibe. Das ist schon toll mit dem Fluss, dem Tal, den Bergen so nah und wie alles gebaut ist. Und hier in Zürich gibt es mega viele karibische und auch afrikanische Restaurants, ist mir aufgefallen. Alles ist multikulturell, da fühle ich mich gleich zuhause! Und nicht zu vergessen: Das Bierhübeli und der Plaza Klub sind beides tolle, historische Säle. Deswegen war es sehr schön, hier zu spielen und vor allem mal wieder zu reconnecten mit den Schweizern.

Kannst du dich am Freitag noch erinnern, wie das Konzert am Montag war, oder verschwimmt alles ineinander?

Ja, das verschwimmt schon ein bisschen. Das liegt aber auch an mir, denn ich erinnere mich nicht so gut an Dinge. Leute, die mal irgendwo mit mir waren, sind immer voll verblüfft und sagen: Wie, du erinnerst dich daran nicht? Weisst du noch, als das und das passiert ist? Und ich habe wirklich keine Ahnung.

Gar nicht so verwunderlich bei den vielen neuen Eindrücken immer wieder …

Eben. Ich glaube, weil ich so früh angefangen habe Musik zu machen und immer so viel herumreise, muss ich wirklich im Hier und Jetzt sein, um das alles überhaupt verarbeiten zu können. Das ist sonst zu viel. Das ist Overkill. Man kann das gar nicht alles festhalten.

Schaffst du es, den routinierten Tour-Alltag irgendwie zu durchbrechen?

Ja, dadurch, dass jede Stadt etwas anders ist und wir gerade nicht mit dem Nightliner touren, sondern mit zwei E-Autos, ist es weniger Routine, weil wir viel bewusster an den Orten ankommen und auch bewusster durch die Orte durchfahren. Wir schauen, ob es irgendwas gibt, was wir gerne sehen wollen und mit den Elektroautos sind wir natürlich viel flexibler als mit so einem riesigen Tourbus. Das ist das eine und das andere ist: Ich mache auch weiter Musik, also baue backstage immer so eine Art Studio auf und probiere paar neue Sachen. Somit ist auch jeder Tag etwas anders.

Du hast es eben schon kurz angesprochen: Du mit Band und Crew tourst ja nachhaltig. Wie klappt das, wo gibt es noch Potenzial und wie bekommt ihr das ganze Band-Equipment unter?

Wir sind vier Leute pro Auto und an dem einen haben wir einen Anhänger, wo das ganze Equipment drin ist. Manchmal fährt auch ein Teil der Crew mit dem Zug. Das ist also alles noch ausbaufähig, nur warten wir da momentan auf die Technologie. Es gibt zwar schon grössere Elektro-Busse, doch die haben keine Reichweite. Wenn es die dann irgendwann gibt, können wir das alles auch grösser aufziehen. Aber ja, fürs Erste ist das super.

Das heisst, ihr habt die Tour durch Frankreich, die Schweiz, Österreich und Deutschland jetzt auch entsprechend gut getaktet mit der Reichweite?

Ja, die Vorgabe war einfach, dass die Orte nicht mehr als 400 Kilometer auseinanderliegen. Am liebsten irgendetwas um die 300 Kilometer, sodass wir es nicht so weit haben bis zur nächsten Stadt. Das ist perfekt. Für die Festivals wiederum wird das schwierig, weil man da so viel hin und her fährt und auch viel weitere Strecken zurücklegt. Das geht nicht mit den Elektroautos. Also noch nicht!

Neben dem Nachhaltigkeitsaspekt legst du viel Wert auf die Nähe zum Publikum. Du lässt deine Fans den Merch-Stand machen, gibst kostenlose Sunrise-Concerts im Sommer und performst auch mitten in der Menge. Warum ist dir das wichtig, was treibt dich an?

Ich glaube, Musik war ursprünglich mal gedacht als ein gemeinschaftliches Ding. Es fing mal so an, dass alle zusammen einen Rhythmus gemacht oder ein Lied angestimmt haben. Da gab es diesen Idol-Status noch nicht, also so einen hochstilisierten Menschen auf der Bühne, der mit Licht und allem Drum und Dran gross gemacht wird. Genau das hat sich aber mittlerweile immer mehr entwickelt: Das Publikum ist unten und schaut einem einzigen Menschen oder einer Band oben auf der Bühne zu. Ich versuche, diese Distanz zu brechen und zurück an diese natürliche Essenz zu kommen.

Also zurück zu dem Gemeinschaftlichen, was uns alle verbindet?

Genau. Es gibt bestimmte Rhythmen, die uns von innen heraus bewegen und das geht an unsere Basis und an unsere tiefsten Wurzeln: da, wo wir herkommen, als Wesen. In dem Moment, wenn ich beim Konzert runter von der Bühne komme und auf der Erde bin, können wir uns alle auf Augenhöhe begegnen. Erst dann kommen wir wieder näher an diesen Ursprung ran, den wir alle in uns haben. Und ich finde wichtig, einen Moment zu kreieren, der irgendwie besonders ist und an den man sich erinnert. Auch wenn man sich nicht so gut an Dinge erinnern kann, wie in meinem Fall, wird man sich wenigstens emotional daran erinnern. Dass man sagt: Das Konzert hat mir etwas mitgegeben, es hat einen Nachhall in meinem Leben, hat mich aufgebaut, mich positiv beeinflusst oder mir Kraft gegeben. Ich glaube, das geht halt einfacher, wenn man die Distanz nimmt und Nähe schafft.

Wie fühlt es sich für dich an, «One Love» live zu performen?

Es ist schon speziell und besonders, denn Bob Marley war immer der grösste Musiker für mich. «One Love» habe ich ja im Rahmen der Filmbiografie neu vertont, als Hommage an ihn. Deswegen performe ich das im Moment auf Tour, weil die Message von Einheit gerade so wichtig ist. Ich glaube, es ist ein perfekter Song, um so ein Konzert zu enden, vor allem in unserer Zeit. Es bringt das Ganze, was man aussagen und der Welt mitgeben möchte, auf einen Nenner.

Deine grösste Erkenntnis im letzten Jahr war ja, dass es absolut keinen Sinn im Krieg gibt und dass Liebe über alles triumphiert. Dein grösster Wunsch ist Weltfrieden. Was lässt dich hoffen, dass in unserer Welt noch alles gut kommt?

Ich hab nicht Hoffnung in dem Sinne, sondern ich will das halt gerne sehen und darauf arbeite ich hin. Trotzdem bin ich nicht unzufrieden, egal, wie schlimm die Dinge teilweise noch sind auf der Welt. Ich bin einfach dankbar, hier zu sein und sehe das nicht als selbstverständlich an. Gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass es vielen eben nicht so gut geht wie mir. Ich glaube aber, es gäbe uns und dieses Riesenwunder hier nicht, wenn wir jetzt so erbärmlich zu Grunde gehen würden. Dann würde es keinen Sinn machen, dass es uns Menschen je gegeben hätte. Es muss eigentlich fast noch etwas passieren, was uns in die richtige Richtung bringt.

«Ja, ich mein, wir müssen uns sowieso alle zusammenraufen und die wirklichen Probleme auf der Welt zusammen angehen.»

Klingt trotzdem hoffnungsvoll.

Ja, ich mein, wir müssen uns sowieso alle zusammenraufen und die wirklichen Probleme auf der Welt zusammen angehen. Es führt kein Weg daran vorbei. Andererseits und aus eigener Erfahrung muss es manchmal erst richtig blöd werden, bevor es gut werden kann. Oft ist es halt nur ein bisschen schlimm und dann tut man nicht genug, weil man denkt: Ach, das geht noch klar. Aber irgendwann wird es so krass, dass sich jeder endlich bewegen und richtig handeln muss. Und das passiert gerade schon ein bisschen. Aber letztendlich begrüsse ich auch das Schlechte, also wenn Dinge nicht gut laufen. Die Frage ist immer, was man daraus macht und lernt. Aber für heute zählt es, erst mal diesen Tag hier zu geniessen.

Für dein neues Album «9» hast du dich von vielen verschiedenen Stilen usw. beflügeln lassen. Wie findest du ein gutes Gleichgewicht zwischen der Inspiration von aussen und genügend Freiraum in Kopf und Geist, um dich selbst zu hören?

Wenn ich etwas liebe, dann beeinflusst mich das – das ist einfach so. Das Ding ist jedoch: Selbst wenn ich etwas nachmachen würde, klingt das trotzdem so stark nach mir, dass dieses Gleichgewicht schon automatisch passiert. Dazu kommt, dass wenn ich etwas nachmache, was ich auf seelischem Level nicht verstehe, dann wird das gar nicht gut und kommt eh nie raus. Ich muss eigentlich immer nur danach suchen, was für mich klar geht und dann bin ich auf dem richtigen Weg. Ich hör zum Beispiel Sachen, die ich cool finde und denk direkt: Aber ich würde das so und so machen und bringe dadurch ganz natürlich mein eigenes Element oder einen Aspekt von mir mit rein.

Dein Album endet mit dem Song «Stamina». Bezieht sich der Album-Closer auf deinen langen Kreationsprozess, für den du selbst eine Menge Ausdauer brauchtest? Oder ist es womöglich ein kleiner Hint an deine Fans, dass auch sie wieder Durchhaltevermögen brauchen, bis etwas Neues von dir kommt?

(Lacht) Beides. Nee, Spass, das neue Album wird relativ zügig kommen. Aber nicht nur, weil ich noch so viele Songs übrig habe, die in den letzten Jahren entstanden sind. Vor allem auch, weil ich mir denke: Ich war halt für eine ganze Weile weg und jetzt bin ich wieder da und jetzt bleibe ich auch erst mal da.

Hast du Festivalpläne für diesen Sommer? Kommst du in die Schweiz?

Ich weiss es gar nicht genau. Auf dem OpenAir St. Gallen und Gurtenfestival habe ich ja schon gespielt, Afro-Pfingsten glaub auch. Aber eben, schon lange her. Deshalb sehr gerne wieder! Afro-Summer-Jam klingt auch spannend, schauen wir mal.

Mehr zu den Openairs:

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