«Werden einen Unterschied machen» – USA lieferten heimlich weitreichende ATACMS an Ukraine
Bereits in den letzten Wochen setzte die Ukraine erstmals ATACMS-Raketen mit mittlerer Reichweite ein.
Schon vor der offiziellen Freigabe neuer Ukraine-Hilfen durch den Kongress haben die USA ihrem Verbündeten heimlich ATACMS mit grösserer Reichweite geliefert. Die Kurzstreckenraketen, die das Kräfteverhältnis im Krieg gegen Russland beeinflussen sollen, wurden letzte Woche bereits eingesetzt.
Aufatmen in der Ukraine: Nach der Freigabe neuer Ukraine-Hilfen durch den Kongress hat US-Präsident Joe Biden während einer Rede im Weissen Haus ein sofortiges neues Militärpaket für das von Russland angegriffene Land angekündigt.
«In den nächsten Stunden» werde man damit beginnen, Ausrüstung für die Flugabwehr, Artillerie, Raketensysteme und gepanzerte Fahrzeuge in die Ukraine zu schicken, erklärte Biden. Das neue Paket mit einem Wert von rund einer Milliarde US-Dollar enthält einer vom US-Verteidigungsministerium veröffentlichten Ãœbersicht zufolge dringend benötigte Artilleriegranaten verschiedener Kaliber und Raketen für Flugabwehrsysteme sowie gepanzerte Fahrzeuge.
Joe Biden gibt im Weissen Haus bekannt, dass er der Ukraine sofort Waffen liefern werde.
Die Lieferungen umfassen auch Bradley-Schützenpanzer, Humvee-Geländefahrzeuge, Stinger-Flugabwehrraketen, Streumunition für die Artillerie, Anti-Panzer-Minen und Nachtsichtgeräte. Nicht geliefert werden Raketen für das Flugabwehrsystem Patriot, übereinstimmenden Medienberichten zufolge sollen dafür ATACMS-Raketen mit einer grösseren Reichweite enthalten sein.
Weitreichende ATACMS bereits eingesetzt
Überraschend erklärte Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan gestern, dass die USA der Ukraine bereits vor Wochen weitreichende ATACMS-Raketen geliefert hat. Bei dem Waffensystem (englisch: Army Tactical Missile System) gab es zuletzt die Sorge, dass damit auch Ziele in Russland angegriffen werden könnten. Daher reagierten die USA und andere westliche Partner lange sehr zögerlich auf die Lieferforderungen aus Kiew.
Jake Sullivan konnte aus Sicherheitsgründen nicht alle Fragen der Journalisten beantworten.
Doch bereits im März haben sich die USA offenbar umentschieden: Die Präzisionswaffen seien von der US-Regierung im Stillen genehmigt worden und Teil eines Notfall-Militärpakets für die Ukraine gewesen. Die Lieferung sei zunächst nicht bekannt gegeben worden, «um die operative Sicherheit der Ukraine auf deren Wunsch hin aufrechtzuerhalten», sagte US-Aussenministeriumssprecher Vedant Patel.
Wie US-Regierungsvertreter bestätigten, sind die gelieferten ATACMS-Raketen bereits in der vergangenen Woche bei einem Angriff auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim sowie in dieser Woche bei einem Angriff auf die besetzte Stadt Berdjansk zum Einsatz gekommen.
Ukraine setzt erstmals ATACMS gegen Russland ein., Video: YouTube/euronews (deutsch)
Die USA hatten der Ukraine erstmals im vergangenen Jahr ATACMS-Raketen geliefert – aber nur mit einer Reichweite von 165 Kilometern. Die jetzt gelieferte Variante mit der längsten Reichweite kann Ziele in bis zu 300 Kilometern Entfernung treffen. Laut eines Regierungsvertreters hält die USA aber nach wie vor daran fest, dass die ATACMS mit erhöhter Reichweite nicht gegen Ziele in Russland eingesetzt werden dürfen.
«Keine Wunderwaffe»
Sicherheitsberater Sullivan kündigte bereits an, dass die USA weitere Raketen mit grosser Reichweite an die Ukraine liefern werde. Zu den ATACMS, die entweder mit Streumunition oder einem einzelnen Gefechtskopf ausgestattet sind, sagte er: «Sie werden einen Unterschied machen.» Gleichzeitig wiederholte er, dass es «keine Wunderwaffe» im Krieg zwischen Russland und der Ukraine gebe.
Theoretisch könnten die Ukrainer mit reichweitenstärkeren ATACMS auch die strategisch wichtige Krim-Brücke über die Meerenge von Kertsch angreifen. Aber Militärexperten weisen darauf hin, dass die ATACMS-Raketen mit einem Gefechtskopf von nur 225 Kilogramm nicht ideal für einen Angriff auf die Brücke und ihre massiven Stützpfeiler wären.
Stand jetzt erhält die Ukraine keine Taurus-Marschflugkörper von Deutschland.
Grössere Chancen auf eine Zerstörung würde der deutsche Marschflugkörper Taurus bieten, dessen Gefechtskopf schwerer ist und mit seiner Doppelladung darauf ausgelegt ist, tief in massive Konstruktionen einzudringen. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigte gestern aber, dass man keine Taurus-Raketen an die Ukraine liefern werde. (pre/sda)