Wellness oder Wahn? Auch Gesunde tragen jetzt Glukosesensoren
Tiktokerin Celeste Thomas leidet nicht an Diabetes – trägt seit kurzem aber dennoch einen Sensor am Arm, der ihren Blutzuckerspiegel überwacht.
Wer Diabetes hat, kann mit einem Glukosesensor seinen Blutzucker einfach und schnell im Blick behalten. Jetzt tragen auch immer mehr Gesunde die Messgeräte. Das sagt eine Ärztin dazu.
Es gibt Bücher, Apps, bekannte Diäten, spezielle Nahrungsmittel … dass im Blutzucker auch ausserhalb der Behandlung von Diabetes ein riesiges Geschäft steckt, ist unschwer zu erkennen. Gerade in den letzten Monaten scheint ein neuer Geschäftszweig dazugekommen zu sein.
Immer häufiger zeigen sich Tiktok-Creator und Influencer mit einem sogenannten CGM, einem kontinuierlich messenden Glukose-Sensor, der mit einer kleinen Nadel den Blutzucker überwacht und bei einem starken Abfall oder Anstieg via App warnt. Das ist nichts Neues – wenn man Diabetes hat.
Doch die neuen Interessenten sind völlig gesund und tragen den Sensor vor allem zur Selbstoptimierung. Wir haben mit Dr. med. Claudia Cavelti-Weder darüber gesprochen, was dahintersteckt, wobei ein CGM helfen könnte und wo die Gefahren lauern.
CGM nicht nur bei Diabetes
«Auch wir vergeben Sensoren nicht nur an Menschen mit Diabetes. Wir nutzen sie etwa bei diagnostischen Massnahmen, bei denen wir für zwei Wochen die Blutzuckerwerte überwachen», erklärt Dr. Cavelti-Weder. Von der Krankenkasse gezahlt werden CGMs dann allerdings nicht: «Nur bei Diabetes-Patienten und -Patientinnen, die auf Insulin-Injektionen angewiesen sind, werden die Kosten getragen.»
Bei den Fashion Awards 2023 zeigt Lila Moss ihren Glukosesensor – sie hat Diabetes Typ 1.
Die Chancen für Menschen ohne Diabetes
Auch die Expertin selbst hat bereits einen Monitor getragen, obwohl sie nicht an Diabetes erkrankt ist: «Natürlich ist es spannend, zu sehen, welche Lebensmittel und Verhaltensweisen den Blutzuckerspiegel in die Höhe schiessen lassen und welche ihn eher konstant halten. Selbst verschiedene Sportarten wirken sich unterschiedlich aus.»
Allerdings, so lenkt sie ein: «Wer kerngesund ist, hat schnell raus, dass etwa Teigwaren für einen Spike sorgen, sieht aber auch, dass der Blutzuckerspiegel danach wieder absinkt. Daher finde ich fraglich, wie sinnvoll eine Überwachung auf lange Sicht ist.»
Die Risiken konstanter Überwachung
«Es ist durchaus denkbar, dass einige durch die Überwachung getriggert werden und Ernährungsgewohnheiten entwickeln, die nicht gesund sind», so Cavelti-Weder. «Manche Personen springen sehr gut auf Zahlen an und das Tracken funktioniert für sie. Andere fahren mit einer intuitiven Ernährung besser, um ein gesundes Verhältnis zu Ernährung und Sport beizubehalten.»
Denn was Gesunde nicht vergessen dürfen: «Es ist nicht grundsätzlich schädlich, wenn der Blutzuckerspiegel mal ansteigt.» Schliesslich sinke er nach kurzer Zeit auch wieder. «Aus dem gleichen Grund empfehlen wir auch keine komplett kohlenhydratfreie Ernährung.» Dazu kommt, dass eine enorm flache Kurve des Blutzuckerspiegels nicht automatisch bedeutet, dass sich jemand speziell gesund ernährt. «Die Blutzucker-Ausschläge können je nach Körperbau unterschiedlich sein. Das Ziel muss daher nicht sein, Spikes um jeden Preis zu vermeiden.»
Noch keine Gefahr für Diabetes-Erkrankte
Immerhin: Für Diabetiker und Diabetikerinnen besteht noch keine Gefahr, weil die Glukose-Monitore auf Social Media trenden. Die Ärztin stellt klar: «Bisher sind wir nicht an einem Punkt, an dem durch erhöhte Nachfrage ein Engpass bei Blutzuckermessgeräten entsteht, wie es bei den Abnehmspritzen Ozempic oder Wegovy der Fall ist.»