Weil Eben Byers Radithor schluckte, wurde er im Bleisarg beerdigt
Das Schicksal meinte es lange gut mit Eben Byers. Dann verletzte er sich am Arm und es ging bergab mit ihm. Denn das Mittel, das er gegen die Schmerzen nahm, war hochradioaktiv.
Eben Byers aus Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania hatte ein gutes Leben: Der 1880 Geborene wuchs in einer wohlhabenden Familie auf, studierte in Yale und stieg in der Girard Iron Company ein, die er später leitete. Zudem übernahm er den Vorsitz der familieneigenen A.M. Byers Company. Auch in anderen grossen Firmen war er tätig. In seiner Freizeit betätigte sich Byers gern sportlich. Er spielte Racquetball und Tennis. Als Golfamateur erzielte er sogar einige nennenswerte Erfolge. Weiter bestritt er Pferderennen und besass Rennställe in den USA und England. Doch im Jahr 1927 ereignete sich ein Unfall, der Byers Leben für immer auf den Kopf stellte.
Unfall im Schlafwagen
Auf der Heimfahrt von einem Footballspiel zwischen Harvard und Yale stürzte Byers aus dem oberen Bett im Schlafwagen und verletzte sich am Arm. Sein Physiotherapeut Charles Clinton Moyar empfahl ihm gegen die Schmerzen und zur generellen Stärkung ein Tonikum namens Radithor. Byers folgte Moyars Rat und fühlte sich bald besser. Von der positiven Wirkung des Radithors überzeugt, setzte Byers es nicht ab, sondern nahm es gewissenhaft weiter. Laut «New York Times» soll er in den Jahren nach dem Unfall täglich den Inhalt von «zwei oder drei Flaschen à 60 Milliliter» geschluckt haben.
Strahlende Nebenwirkungen
Einige Monate später wich das Wohlgefühl ersten Gesundheitsproblemen: Zunächst klagte Byers über stechende Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Im Jahr 1930 begannen ihm die Zähne auszufallen. Dazu gesellten sich heftige Kieferschmerzen. Laut dem New Yorker Röntgenspezialisten Joseph Manning Steiner ähneln die Symptome denen der «Radium Girls», die in den Ateliers der US Radium Corporation Ziffernblätter mit radioaktiver Farbe bemalten und sich dabei vergifteten, berichtete das «Time Magazine» nach Byers Tod im Jahr 1932. Auch Byers attestierte Manning Steiner eine Radiumvergiftung.
So kam es zur Radiumvergiftung von Eben Byers
Das radioaktive Material hatte Byers selbst aufgenommen – mit dem Radithor. Ausgerechnet jenem Mittel, von dem er sich eine bessere Gesundheit erhofft hatte. Dass Radtithor Radium enthält, war zwar allgemein bekannt. Aber es galt damals als Wundermittel (siehe Box).
In einem Nachruf in der «New York Times» heisst es über das Radithor: «Bisher ging man davon aus, dass die Flüssigkeit eine so geringe Menge löslicher Radiumsalze enthält, dass sie unschädlich ist.» Bei Byers seien aber kleine Mengen des Salzes über die Blutgefässe aufgenommen worden, «und es kam zur Zerstörung der Knochen».
«Bisher ging man davon aus, dass die Flüssigkeit eine so geringe Menge löslicher Radiumsalze enthält, dass sie unschädlich ist.»
Kiefer entfernt, kaum noch Zähne
Auf den Verdacht Manning Steiners folgten Untersuchungen des vermuteten Zusammenhangs. Auch Byers selbst wurde befragt. Über seine Begegnung mit ihm sagte der Rechtsanwalt Robert Hiner Winn: «Ein grausameres Erlebnis in einer so prächtigen Umgebung ist kaum vorstellbar.» Winn hatte Byers zu Hause besucht.
«Noch in jungen Jahren und geistig wachsam, konnte [Byers] kaum sprechen. Sein Kopf war mit Bandagen umwickelt.»
Seine weitere Schilderung liest sich wie aus einem Horrorfilm: «Noch in jungen Jahren und geistig wachsam, konnte [Byers] kaum sprechen. Sein Kopf war mit Bandagen umwickelt. Er hatte sich zwei aufeinanderfolgenden Operationen unterzogen, bei denen sein gesamter Oberkiefer mit Ausnahme von zwei Vorderzähnen und der grösste Teil seines Unterkiefers entfernt worden waren.»
Eben Byers: In Bleisarg beerdigt
Den letzten Monat seines Lebens verbrachte Byers im Spital in Manhattan. Dort starb er am 31. März 1932. Die Obduktion seines Körpers ergab Krebs als Todesursache. Dieser habe seine Knochen durchlöchert und zu Abszessen im Gehirn geführt. Zudem wurden in seinen Knochen eine laut Medienberichten «tödliche Menge» von rund 36 Mikrogramm Radium nachgewiesen. Weil seine sterblichen Überreste weiterhin radioaktiv strahlten, wurde Byers in einem mit Blei ausgekleideten Sarg begraben.
Byers Vermächtnis
So tragisch das Schicksals Byers auch war: Es bewirkte Gutes. So wurde der Fall juristisch aufgearbeitet. In der Folge erhielt etwa die US-Arzneimittelzulassungsbehörde FDA mehr Befugnisse und die radioaktiven «Heilmittel» verschwanden zusehends vom Markt.