Warum sich die Oasen ausdehnen
Trotz des Klimawandels und vieler Dürren haben sich Oasen in den vergangenen Jahrzehnten spürbar ausgebreitet. Leider ist das nicht unbedingt eine gute Nachricht.
Kleine Inseln in der Wüste: 10 Prozent der Weltbevölkerung leben in Oasen.
Denkt man an eine Oase, steigen unweigerlich Bilder auf. Das geistige Auge beschwört Kamele, die schwer beladen mit Handelsgütern endlich die ersehnte Palmenlandschaft mit dem Brunnen erreichen.
Mit der Realität haben solche Vorstellungen zwar oft nur noch wenig gemein. Dennoch sind Oasen alles andere als eine Sache der Vergangenheit. Noch leben 10 Prozent der Weltbevölkerung in und von Oasen, obwohl diese nur etwa 1,5 Prozent der Landfläche ausmachen.
Daher hat sich ein Forscherteam nun genauer mit der Entwicklung dieser Gebiete beschäftigt – und kommt im Fachmagazin «Earth’s Future» zu überraschenden Ergebnissen: Wie die Forscher um Dongwei Gui von der chinesischen Akademie der Wissenschaften berichten, hat sich ein bedeutender Teil der Oasen zwischen 1995 und 2020 um rund 220’000 Quadratkilometer ausgedehnt. Andere Oasen schrumpften zwar um 134’000 Quadratkilometer; unter dem Strich bleibt aber immer noch ein Zugewinn von gut 86’000 Quadratkilometern, das entspricht rund zweimal der Fläche der Schweiz.
Mehr Schmelzwasser von Gletschern könnte die Expansion der Oasen erklären
Wie kann das sein, wo die Vereinten Nationen doch seit vielen Jahren vor dem Vorrücken von Wüsten warnen? Für ihre Auswertung stützen sich die Forscher auf langjährige Satellitenaufnahmen. Diese zeigen, dass sich etwa drei Viertel aller Oasen in Asien konzentrieren, gefolgt von Australien mit 13 Prozent. Dagegen steuert Afrika nur 4 Prozent zur Gesamtfläche der Oasen bei. Diese können inmitten grosser Trockenheit eine recht üppige Vegetation erhalten, weil hier anders als in der Umgebung genug Wasser verfügbar ist – zum Beispiel gespeist aus unterirdischen Schichten.
Dass sich Oasen weltweit betrachtet ausdehnen, liegt laut den Forschern hauptsächlich an der Entwicklung in China. In der nordwestlichen Provinz Xinjiang leben beispielsweise 95 Prozent der Menschen in Oasen, die teilweise oder ganz von Wüsten wie der Taklamakan umschlossen sind. In den vergangenen Jahrzehnten sei es dort aber gelungen, immer grössere Wüstengebiete fruchtbar zu machen und an die bestehenden Oasen anzuschliessen, etwa durch die Bewässerung mit Grundwasser. Eine verbesserte Wasserversorgung führte ausserdem zu einer beispiellosen Expansion der Oasenstädte, die mit den einstigen Handelsposten entlang der Seidenstrasse kaum noch etwas gemein haben.
Studien zu Xinjiang sind generell mit Vorsicht zu betrachten: Die einheimische uigurische Bevölkerung wird unterdrückt, ausländische Forscher haben kaum Zugang. Die Wissenschaftler um Dongwei Gui halten die dortige Entwicklung selbst nicht für nachhaltig. Wie sie schreiben, hängt die Ausdehnung der Oasen in Xinjiang und anderen Orten Asiens mit der Gletscherschmelze in Gebirgen wie dem Tienschan zusammen. Höhere Temperaturen infolge der Erderwärmung führten zeitweise zu mehr Schmelzwasser. «Wenn die Gletscher allmählich verschwinden, wird weniger Schmelzwasser ankommen, was dazu führt, dass die Oasen wieder schrumpfen», wird Gui in einer Mitteilung zitiert.
«Das Risiko der Wüstenbildung bleibt substanziell»
Im Fachmagazin «Science» warnen auch Forscher aus dem chinesischen Xi’an, dass der Wasserbedarf in Chinas trockenen Regionen sprunghaft angestiegen sei, insbesondere aufgrund der Ausweitung der Landwirtschaft. In der Folge seien mehr als 11 Milliarden Kubikmeter Grundwasser verloren gegangen. Die Pflanzen in den trockenen Gebieten bräuchten mehr Wasser als anderswo, lieferten aber auf gleicher Fläche im Schnitt nur 15 Prozent des landesweiten Ertrags. Das deute darauf hin, «dass die Vorteile der Landwirtschaft nicht die Risiken für die Wassersicherheit in trockenen Klimazonen aufwiegen».
Für die Forscher um Gui ist eine geringfügige Ausdehnung der Oasen ebenfalls kein Grund zur Entwarnung. «Das Risiko der Wüstenbildung bleibt substanziell», heisst es in der Studie. Daher müsse dringend sparsamer mit Wasser umgegangen werden, betroffene Staaten müssten zudem besser zusammenarbeiten.
Zieht man als Vergleich die von Wüstenbildung betroffenen Gebiete heran, relativiert sich der Zuwachs der Oasen etwas. Laut einer Studie im Fachmagazin «Nature Communications» von 2020 sind seit Anfang der 1980er-Jahre mindestens 2,7 Millionen Quadratkilometer vormals fruchtbare Gebiete ausgetrocknet. Das ist fünfmal so gross wie Frankreich – und deutlich mehr als alle Oasen zusammengenommen.
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