RSV hatte die Schweizer Kinderspitäler letztes Jahr im Griff. Nun droht erneutes Chaos. Denn: Im Gegensatz zu den EU-Staaten hat die Schweiz keine Impfung dagegen. Es ist nicht das erste Mal, dass wir hinterherhinken.
Überfüllte Notfallstationen und abgewiesene Patienten: Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) führte die Schweizer Spitäler letzten Winter an ihre Grenzen. Im Inselspital Bern wurden im vergangenen November 150 Kinder mit RSV eingeliefert – mehr denn je zuvor. An einigen Orten war die Lage derart prekär, dass kranke Kleinkinder in andere Kantone verlegt werden mussten. Dieses Jahr droht derselbe Notstand. Der Grund: Im Gegensatz zur EU oder den USA gibt es hierzulande keine Impfung gegen die Atemwegerkrankung.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Schweiz bei der Imstoffzulassung hinterherhinkt. Erst Ende Sommer stieg hierzulande die Zahl der Denguefieber-Fälle an. In der Schweiz gibt es im Gegensatz zur EU die Dengue-Impfung aber noch nicht.
Wichtige RSV-Impfung für Schwangere noch weit entfernt
Ein Zulassungsgesuch für ein Antikörper-Vakzin von AstraZeneca gegen RSV für Kinder bis zu zwei Jahren reichten die Hersteller im November 2022 ein. Ein Jahr später ist dieses von Swissmedic noch nicht zugelassen. Die wichtigere Impfung ist gemäss Experten diejenige für Schwangere, da sie die erlangte Immunität später durch das Stillen an ihre Säuglinge weitergeben. Doch von einer Zulassung des Impfstoffs ist die Schweiz noch weit entfernt.
Der Grund dafür liege nicht allein bei den Schweizer Behörden, sondern auch bei der Gesuchstellerin Pfizer, sagt Lukas Jaggi, Sprecher bei Swissmedic. «Pfizer hat bislang kein Zulassungsgesuch eingereicht.» In der freien Marktwirtschaft hätten Behörden keinen direkten Einfluss darauf, wo und wann die Unternehmen Gesuche einreichen, so Jaggi. «Es ist nicht üblich, Zulassungsgesuche anzufragen. Wir können aber indirekt dazu beitragen, dass Firmen ihre Arzneimittel in der Schweiz auf den Markt bringen, indem wir professionell begutachten.»
Das Beispiel von AstraZeneca zeigt jedoch, auch wenn Pfizer ein Gesuch stellt, wird es dauern, bis das Arzneimittel verabreicht werden kann. «Je nach Verfahren sind die Fristen anders. Wann ein Nutzen-Risiko-Entscheid erfolgen kann, hängt auch von der Qualität der eingereichten Daten zur Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität ab», so Jaggi. Somit kommen die Arzneimittel diesen Winter kaum zum Einsatz.
«Die Notfallstationen werden wieder komplett überlastet sein»
Das kritisiert Infektiologe Andreas Widmer. Swissmedic müsse sich der Zeit anpassen: «Die administrativen Zulassungsprozesse für neue Impfstoffe dauern zu lang und müssen dringend beschleunigt werden.» Das sei auch der Grund, warum die Schweiz häufig bei neuen Arzneimitteln hinterherhinke. «Für Unternehmen ist es häufig nicht rentabel, extra für die Schweiz eine Zulassung zu beantragen. Da gehen sie lieber zur EU, wo ihr Mittel grossflächig und zeitnah vertrieben werden kann.»
Der Infektiologe befürchtet: «Auch diesen Winter werden die Notfallstationen der Kinderspitäler wieder komplett mit RSV-Patienten überlastet sein. Das hätte man nur mit Impfstoffen verhindern können.» Für dieses Jahr ist es jedoch für eine RSV-Zulassung zu spät. Dennoch betont Widmer: «Wir brauchen die RSV-Impfung auch in der Schweiz, um diesen Zyklus nicht Jahr für Jahr zu wiederholen.»
Auch die Kinderspitäler wünschen sich die Impfung
Auch die Kinderspitäler Basel und Bern rechnen derzeit mit steigenden RSV-Infektionszahlen. Deshalb hoffen beide auf eine baldige Zulassung des Impfstoffs. Eine Impfung sei die wirksamste Möglichkeit der Stärkung des Immunsystems, sagt Julia Bielicki, Leitende Ärztin Pädiatrie und Infektiologie am Universitäts-Kinderspital Basel (UKBB). Auch Christoph Aebi, Chefarzt Kinderinfektiologie am Inselspital Bern, betont: «Für die betroffenen Kleinkinder, insbesondere Säuglinge im ersten Lebensjahr, wäre eine Zulassung der RSV-Impfung wichtig, da sie besonders wirksam vor solch einer Erkrankung schützt.»
Eine Überlastung hoffen die Kliniken dieses Jahr umgehen zu können: «Momentan ist die pädiatrische Station gut ausgelastet, wir haben aber noch Kapazitäten», sagt Bielicki. Wie sich die Situation in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln wird, könne sie derzeit nicht genau voraussagen. Das UKBB habe sich aber auf einen Winter mit hohen Patientenzahlen eingestellt.
Eine Medienanfrage an Pfizer blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.
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