Volkswagen: VW-Arbeiter in Chattanooga stimmen in historische Abstimmung für eine Gewerkschaftsvertretung
Die mächtige US-Autogewerkschaft UAW hat einen großen Sieg errungen. Erstmals vertritt sie in einem Werk eines ausländischen Herstellers die Rechte der Beschäftigten. Nun will die UAW auch im Mercedes-Werk in Alabama eine Vertretung durchsetzen.
Volkswagen: VW-Arbeiter in Chattanooga stimmen in historische Abstimmung für eine Gewerkschaftsvertretung
Es ist ein historischer Sieg für die mächtige US-Autogewerkschaft UAW: Sie vertritt erstmals die Rechte der Frauen und Arbeiter bei einem ausländischen Autobauer in den traditionell gewerkschaftsfeindlichen Süden der USA. Mit einer Mehrheit von 73 Prozent der Stimmen stimmten die Beschäftigten des Volkswagen-Werkes in Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee am Freitag für die UAW.
Einige hatten Tränen in den Augen, als das Ergebnis bekannt wurde. „Ich bin überwältigt, dass wir erreicht haben, was wir uns vorgenommen hatten“, freut sich VW-Mitarbeiterin Lisa Elliott und umarmte ihre Kollegen. „Sagt Mercedes, sie sind die nächsten“, rief sie. Im Mercedes-Werk in Alabama ist die Abstimmung über eine gewerkschaftliche Vertretung für Mitte Mai geplant.
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Die VW-Fabrik in Chattanooga war nach Angaben des Betriebsrats der einzige größere Produktionsstandort des Wolfsburger Konzerns, in dem die Beschäftigten keine Belegschaftsvertretung hatten. In der Vergangenheit war die UAW bei mehreren Anläufen gescheitert, wenngleich zuletzt mit nur wenigen Stimmen Rückstand. Insofern ist das Abstimmungsergebnis ein großer Erfolg für UAW-Präsident Shawn Fains Bemühen, die Belegschaft von mehr als einem Dutzend in den USA produzierenden Autoherstellern gewerkschaftlich zu organisieren, darunter auch Tesla. „Ihr habt gerade das Wichtigste getan, was jemand aus der Arbeiterklasse tun kann – ihr habt euch erhoben“, sagte er den Arbeiterinnen und Arbeitern auf der Wahlparty. „Ihr gebt den Weg vor, wir werden diesen Kampf zu Mercedes und überall sonst hintragen.”
Daniela Cavallo (49), Präsidentin des Europäischen- und Weltkonzernbetriebsrates bei Volkswagen, erklärte zum Ausgang der Wahl: „Ich freue mich riesig für die Belegschaft in Chattanooga. Mit ihrer Wahl hat sie ein Stück US-amerikanischer Gewerkschaftsgeschichte geschrieben.“ Es gelte aber auch „ganz nüchtern“ festzustellen: „Mitbestimmung ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für nachhaltige Unternehmensführung. Es gehört zu unserer DNA bei Volkswagen, dass Belange, Forderungen und Know-how der Beschäftigten Gehör finden im Unternehmen und die Dinge spürbar beeinflussen.” Die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner (56), ergänzte: „Wir blicken nun mit Spannung auf die anstehenden Tarifverhandlungen und hoffen, dass sich von dem positiven Signal dieser Wahl auch andere Beschäftigte in der Region ermutigt fühlen, ihre Vereinigungsrechte wahrzunehmen.“
Der ehemalige IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, der als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender in der Volkswagen AG der Arbeitnehmerbank in dem Kontrollgremium vorsteht, sagt über den Wahlausgang: „Nach zwei ergebnislosen Anläufen gelang der UAW nun ein überzeugender Erfolg. Volkswagen hat sich, im Gegensatz zu den vorherigen Versuchen der UAW, strikt neutral verhalten. Dies erleichtert nun den Weg zu einem sozialpartnerschaftlichen Miteinander im Interesse der Belegschaft von Chattanooga.” Und Dariusz Dabrowski, Generalsekretär des Europäischen- und Weltkonzernbetriebsrates bei Volkswagen, betont schließlich: „In Chattanooga habe ich Kolleginnen und Kollegen getroffen, deren Leidenschaft und Engagement für die Mitbestimmung selbst in einem gewerkschaftsfeindlichen Umfeld unerschütterlich waren. Das hat uns tief beeindruckt.” Damit bekomme Chattanooga nun seinen offiziellen Platz als Mitglied in dem Weltkonzernbetriebsrat. „Wir werden zeigen, dass mitbestimmte Standorte nicht nur fairer für die Belegschaft, sondern auch wirtschaftlich effektiver sind.“
Unterstützung von US-Präsident Biden
Rückenwind erhielt die UAW diesmal durch eine beispiellose Streikwelle im Herbst, mit der Fain den Detroiter Autobauern Ford, General Motors und der Stellantis-Tochter Chrysler satte Gehaltserhöhungen abtrotzte. Dazu hatte sich US-Präsident Joe Biden (81) klar auf die Seite der Gewerkschaft gestellt und die VW-Arbeiter zur Wahl aufgerufen. Die republikanischen Gouverneure von sechs US-Südstaaten, darunter auch Tennessee, hatten sich noch Anfang der Woche gegen die Gewerkschaft ausgesprochen. Der VW-Konzern selbst nahm eine neutrale Position ein, Betriebsratschefin Cavallo hatte für die UAW geworben.
In den USA gibt es keine betriebliche Mitbestimmung wie in Deutschland. Tarifverträge und kollektive Arbeitsregelungen kann nur eine Gewerkschaft abschließen, ohne gewerkschaftliche Vertretung muss jeder Mitarbeiter selbst verhandeln. Die UAW ist traditionell bei den Detroiter Autobauern vertreten, nicht aber bei ausländischen Herstellern wie Volkswagen oder Toyota – bisher jedenfalls.