„Volksverräter“: Unbekannte bekleben Europawahl-Plakate von SPD und Grüne
Alarmierendes Zeichen
„Volksverräter“: Unbekannte bekleben Europawahl-Plakate von SPD und Grüne
„Volksverräter“ haben Unbekannte auf zwei Partei-Plakate zur Europawahl in Barnstorf geklebt.
„Volksverräter“ ist auf zwei großen Plakaten der SPD und Grüne zur Europawahl an der Bundesstraße 51 in Barnstorf zu lesen. Unbekannte haben diese gut sichtbar beklebt.
Barnstorf – Auf einem anderen Plakat der Grünen im Flecken waren rechtsradikale Symbole und Zahlenkombinationen gekritzelt. Barnstorfs Samtgemeindebürgermeister Alexander Grimm verurteilt die Taten mit scharfen Worten.
Beschmierte und beschriftete Wahlplakate sowie Angriffe auf Politiker sind keine Seltenheit mehr. Erst kürzlich haben vier junge Verdächtige Matthias Ecke, den sächsischen SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, beim Anbringen von Plakaten in Dresden brutal zusammengeschlagen. Schwer verletzt ist er in ein Krankenhaus gekommen und musste operiert werden. In Barnstorf haben Unbekannte nun Wahlplakate einiger Parteien ins Visier genommen.
„Volksverräter“ haben Unbekannte auf zwei Partei-Plakate zur Europawahl in Barnstorf geklebt.
Das Anbringen der Wahlplakate erfolgt nach beantragter Genehmigung eigenverantwortlich durch die jeweiligen Parteien. In der Regel übernehmen die jeweiligen Ortsverbände diese Aufgaben, erklärt Barnstorfs Samtgemeindebürgermeister Alexander Grimm.
Nicht nur Sachbeschädigung, sondern alarmierendes Zeichen
„Das Beschmieren von Wahlplakaten mit beleidigenden oder diffamierenden Begriffen wie ‘Volksverräter’ ist nicht nur ein bedauerlicher Akt der Sachbeschädigung, sondern auch ein alarmierendes Zeichen für den dramatischen Verfall des politischen Diskurses. Dieser Begriff ist nicht nur widerlich, sondern erinnert auch an eine Zeit, die zu den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte gehört“, ordnet Alexander Grimm die Taten auf Nachfrage ein.
Es sei laut ihm wichtig, zu erkennen, dass diejenigen, die für solche Aktionen verantwortlich sind, kein Interesse an einer sachlichen Diskussion hätten. „Vielmehr scheinen sie eine selbstzerstörerische Freude an Konfrontationen zu haben. Dies ist ein bedauerlicher Zustand, der unsere gesellschaftlichen Werte und den respektvollen Austausch von unterschiedlichen Auffassungen untergräbt. Die Realität ist komplexer als ein einfaches ,entweder oder‘.“
Wie in anderen Kommunen komme es auch in Barnstorf hin und wieder zu Schmierereien, die im rechtlichen Sinne eine Sachbeschädigung darstellen und regelmäßig zur Anzeige gebracht werden. Alexander Grimm nehme an, dass die betroffenen Parteien dies auch in Erwägung ziehen, wenn es nicht schon erfolgt ist.
Rechtsradikale Begriffe, Symbole und Zahlenkombinationen auf Wahlplakat der Grünen
Elke Oelmann, Vorsitzende des Barnstorfer Ortsverbandes Bündnis 90/Die Grünen, erklärt auf Nachfrage, dass Unbekannte kürzlich rechtsradikale Symbole und Zahlenkombinationen auf ein Wahlplakat der Grünen in Barnstorf gemalt hatten. Dieses wurde bereits ausgetauscht. „Es ist schon sehr beängstigend“, sagt sie. Dies überschreite eine reine Sachbeschädigung, da eine klare Botschaft und Aussage dahinter stecke.
Elke Oelmann: „Bei Begriffen wie ,Volksverräter‘ oder ,Hure‘ geht es nicht mehr um eine sachliche, politische Debatte. Das ist unter der Gürtellinie.“ Die Plakate in Barnstorf habe der Kreisverband aufstellen lassen. Der Ortsverband melde der Gemeinde lediglich die Standorte.
Einen Angriff wie auf Matthias Ecke habe Elke Oelmann bisher nicht erlebt. „Man fragt sich aber schon, wann es so weit ist. Ich gehe mit einem anderen Gefühl in den Wahlkampf, das macht schon Angst und wütend“, sagt sie. Bei allen politischen Unterschieden sei der Wahlkampf eher ein nettes Miteinander. „Es geht weniger um den Kampf an sich, sondern mehr darum, Präsenz vor Ort zu zeigen“, sagt Elke Oelmann.
„Noch nie da gewesenes Maß an Vandalismus“
Von einem „noch nie da gewesen Maß an Vandalismus“ spricht Ben Overbecke, Vorsitzender des Barnstorfer SPD-Ortsvereins. Aufgrund der hitzigen Diskussionen in den Sozialen Netzwerken habe er solche Angriffe wie in Dresden befürchtet. „Persönlich habe ich keine Angst. Ich bin mir aber bewusst, dass es ein gewisses Risiko gibt, wenn ich ein Ehrenamt in einer Partei übernehme“, sagt er. Hinweise über beklebte oder beschädigte Wahlplakate würde den SPD-Ortsverein nicht nur von Parteimitgliedern, sondern auch von vielen Bürgern ohne Parteibuch erreichen, die eine solche Art von Vandalismus als Schandfleck in ihrem Ort wahrnehmen.
All das mache Ben Overbecke nachdenklich. Auch wie es in Deutschland weitergeht, „wie wir in Zukunft zusammen leben möchten. Mir persönlich ist sehr wichtig, dass wir respektvoll miteinander umgehen und friedlich.“ Der SPD-Ortsverein bringe jedes beschmierte Plakat einzeln zur Anzeige. Der Staatsschutz ermittle dann. Und jedes Plakat werde ersetzt.
Meldungen über beschmierte Plakate kommen aus dem ganzen Landkreis
„Es handelt sich um Straftaten“, macht Polizeisprecher Thomas Gissing deutlich. Es hänge vom Gericht ab, wie hoch eine Strafe letztendlich ausfällt. Vor Wahlen passiere so etwas immer mal wieder. Ob Barnstorf besonders stark betroffen sei, könne Gissing nicht sagen.
Meldungen über beschmierte Plakate würden ihn momentan aus dem gesamten Landkreis Diepholz erreichen. Auch beim Austausch mit anderen Polizeidirektionen seien Angriffe auf Wahlplakate aktuell Thema. „Wer dahinter steckt, kann ich nicht sagen. Von dummen Jungenstreichen bis hin zu Gegenparteien ist die Bandbreite sehr groß“, sagt der Polizeisprecher.
Nach einem „dummen Jungenstreich“ sehen die Aufkleber in Barnstorf allerdings nicht aus. Eher nach einer geplanten und mehr oder weniger professionell vorbereiteten Aktion. „Durch das Beschmieren erhofft sich wohl jemand etwas“, mutmaßt Thomas Gissing. Das Fachkommissariat der Polizeiinspektion Diepholz nehme sich nun den Fällen in Barnstorf an. Der Polizeisprecher versichert: „Wir sind da dran“.