Kino
Russlands Publikum drängt in „Meister und Margarita“ – Der teuflischste aller Auslandsagenten
Kesha, die im Film die Katze Behemoth spielt, bei der Premiere in Moskau.
In dem russischen Blockbuster „Meister und Margarita“ mimt August Diehl den Leibhaftigen selbst. Mit großem Erfolg, der Film spielt Rekordergebnisse ein. Auch weil der Streifen die Zuschauer nicht nur an Stalins Moskau der 30 Jahre, sondern an den eigenen Alltag erinnert.
Vermutlich sei auch der Film wieder Trash, sagt Katja, Moskauer Personalmanagerin. „Aber lass uns reingehen, wir amüsieren uns einfach drüber!“ Russlands Kinofans sind Trash gewohnt, seit Jahren dominieren patriotische Blockbuster oder Komödien die Leinwände, die Drehbücher sind so ambitioniert wie die Spezialeffekte, aber Empathie oder Emotionen erzeugen sie kaum. „Geld und Technik sind da“, kommentiert der kommunistische Publizist Iwan Miserow. „Aber weder Seele noch Ideen.“ Das Ergebnis sei satte, blasse Unfähigkeit …
Der Film „Meister und Margarita“, der seit dem 25. Januar in den russischen Kinos läuft, kommt noch ehrgeiziger daher. 157 Minuten lang, umgerechnet mehr als zwölf Millionen Euro teuer, in großer Besetzung. Neben russischen Topstars agiert der Deutsche August Diehl, der schon 2013 in dem Blockbuster „Stalingrad“ von Fjodor Bondartschuk einen Wehrmachtsoffizier gespielt hatte. Der Film fiel trotzdem durch.
Jetzt spielt Diehl den Leibhaftigen persönlich, der unter dem eher französischen Namen Voland, aber mit gutturalem deutschen Akzent in Moskau auftaucht, um Hohn, Angst und Schrecken zu verbreiten. Wie in der berühmten Romanvorlage von Michail Bulgakow, der sich zwölf Jahre am Text gequält hatte. Erst 1966 wurde stark zensiert veröffentlicht. Satirisch-phantastischer Realismus, der als ziemlich unverfilmbar gilt. Keiner der fünf Filme oder die TV-Serie, die nach „Meister und Margarita“ gedreht wurden, kam auch nur annähernd an den Erfolg des literarischen Originals heran, das längst als Klassiker der Weltliteratur gilt. Der „Meister“ des US-russischen Regisseurs Michail Lokschin aber überrascht. „Ein guter Film“, murmelt auch Katja hinterher. In Russland hat er schon umgerechnet 15 Millionen Euro eingespielt, allein am vergangenen Wochenende 3,2 Millionen Euro. Der bisher erfolgreichste nicht jugendfreie Streifen Russlands.
Dabei inszeniert Lokschin Bulgakow sehr willkürlich, die Architektur seines Moskaus ist bombastischer als Stalin sie je plante, die Literaturfunktionäre, ihre Strafgerichte und Sauforgien noch infamer als im Roman, ihre Irrenanstalten Orwellsche Folterkammern. Lokschin überzeichnet, aber es funktioniert, die Botschaft seines Filmes folgt durch und durch Bulgakow: Moskaus verkommene Elite mit ihrem verlogenen Kollektivismus und ihrem Hass auf alle Andersdenkenden hat es verdient, dass der Teufel und sein infernales Gefolge über sie herfallen. Und der von Diehl mit luzifiler Freude gespielte Volant wird zum Dreh- und Angelpunkt: Die herrschenden Kulturbosse quält und meuchelt er, schützt aber nebenher das wahre Talent des Meisters und die wahre Liebe Margaritas zu ihm. Wie bei Bulgakow ist er unter dem Strich ein viel angenehmerer Zeitgenosse als Goethes Mephistopheles, den Voland mehrfach zitiert: „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“
Aber Moskau wäre nicht Moskau, wenn es jetzt kein patriotisch-antiwestliches Gezeter gäbe: Lokschin sei US-Bürger und gegen Putins ukrainische „Spezialkriegsoperation“, sein Film aber ebenso antirussisch wie antisowjetisch, schimpft der TV-Moderator Tigran Keossajan. „In Russland herrscht regelrecht masochistische Duldsamkeit gegen unsere offenen Feinde.“ Nicht nur er fordert, die Sicherheitsorgane einzuschalten. Das nationalistische Portal Zargrad schimpft, der Film sei „vollwertige Propaganda zur Gewalt gegen alle, die den Auslandsagenten nicht gefallen“. Scheinbar ist Zargrad von dem gleichen Entsetzen befallen, wie Bulgakows Kulturfunktionär Michail Berlios, als der verdächtige Ausländer Volant ihm prophezeit, er verliere gleich den Kopf unter den Rädern einer Trambahn.
Das Publikum fühlt sich ebenfalls angesprochen. „Für mich handelt der Film über Russland jetzt und hier“, schreibt Valentina Permjakowa, Chefredaktion des Uraler Lokalportals Rewda-Info. „Es gibt so viele Parallelen, dieser Film ist ohne Zweifel keine Hymne auf das Moskau der 30er Jahre sondern eine Allegorie auf das Russland der 2020er Jahre.“
Für wirklich ganz großes Kino hat der Film zu viele Längen. Aber das Publikum drängt weiter in die Säle. Und manche, die ihn kritisieren, ärgern sich inzwischen, dass die Verbotsforderungen diesen Andrang nur noch stärken. In den großen Moskauer Kinos wird inzwischen nach den Aufführungen applaudiert. Dass Staat und Gesellschaft sich unter Putin wieder Richtung Sowjetunion in den Vorkriegsjahren bewegen, das spüren die Menschen.
News Related-
Der Batzen und das Weggli für Dominik Egli
-
Mini-Grün auf der grünen Suppe
-
Eine Trainerin und ein Arzt kennen die Antwort: Fit werden, ohne zu schwitzen – geht das?
-
Häuser bereits verkauft: Dreijährige Kreuzfahrt abgesagt – Passagiere vor dem Nichts
-
Deutschland versinkt im Schneechaos
-
Von ZHAW gewählt: «Monsterbank» ist das Deutschschweizer Wort des Jahres
-
Frauen und Jugendliche – 33 weitere palästinensische Gefangene frei
-
Jans oder Pult: So stehen die Chancen der SP-Kandidaten
-
Müde und grummelig? Hier kommen 23 lustige Fails für bessere Laune
-
Innerhalb von 24 Stunden: „Wetten, dass..?“-Auftritt von Helene Fischer erreicht Meilenstein
-
So lief das Wochenende für die Schweizer Söldner: Unermüdlicher Xhaka spult Mammutprogramm erfolgreich ab
-
Hans Flatscher löst für Swiss-Ski Dinge, bevor sie ein Problem sind
-
Grenadier-Rekrut bricht auf Marsch zusammen: «Viele dachten während zwei Tagen, ich sei tot»
-
Novum: Frappart leitet Bayerns Heimspiel gegen Kopenhagen