El Salvador vor der Wahl: Im Griff der harten Hand

el salvador vor der wahl: im griff der harten hand

Duldet keine Kritik: El Salvadors Präsident Nayib Bukele

In der Markthalle von Las Margaritas stöbern die letzten Einkäufer zwischen den Ständen. Die Preise sind saftiger als die Früchte. Auch in El Salvador spürt man die Inflation, die besonders die Armen trifft, die in diesem Außenquartier von Soyapango leben, einer riesigen Vorstadt von San Salvador. Doch Armut und Inflation sind kleine Probleme im Vergleich zu dem, was in Las Margaritas bis vor einigen Jahren los war.

Die riesige, aus bescheidenen Häuschen bestehende Siedlung war bis vor Kurzem noch eine Hochburg der Mara Salvatrucha (MS-13), einer der großen Gangs, die El Salvador einst zum tödlichsten Land Lateinamerikas machten. Sie mordeten, erpressten, raubten und vergewaltigten. Große Teile der Städte standen unter ihrer Kontrolle. Der Territorialkampf mit anderen Gangs forderte jedes Jahr Tausende Tote und trieb die Mordrate im rund 6,6 Millionen Einwohner zählenden Land in erschreckende Höhen.

Auch in der Markthalle trieben die Maras ihr Unwesen, standen bewaffnet in den Gängen, kontrollierten alles und jeden, der ein- und ausging. Die Bevölkerung duckte sich und schaute weg, auch wenn gemordet wurde. „Sie hatten die Kontrolle, waren in den Gängen des Marktes, lebten hier praktisch“, sagt der Marktverwalter. Die Händler hätten sich gegenseitig bedroht. Alle hätten der Gang Schutzgeld zahlen müssen. Nun seien sie im Knast, auch viele der damaligen Verkäufer. „Heute gibt es Regeln hier. Alles hat sich geändert.“

el salvador vor der wahl: im griff der harten hand

Bilder der Stärke: Fotos wie dieses ließ Bukele nach dem Bau neuer Gefängnisse verbreiten.

Die Mordrate ist stark gesunken

Wem das zu verdanken ist, braucht der Verwalter nicht zu sagen. An der Wand in seinem kleinen Büro hängt ein Poster im A4-Format. Darauf grinst ein junger, bärtiger Mann mit gegelten Haaren: Präsident Nayib Bukele. Seine Politik der harten Hand hat die Banden von der Straße gefegt. Die Mordrate von El Salvador ist im vergangenen Jahr auf 2,4 pro 100.000 Einwohner gesunken. El Salvador, das in dieser Statistik vor einigen Jahren noch Spitzenreiter war, kann sich heute das sicherste Land Lateinamerikas nennen. In Stadtteilen wie Las Margaritas, die früher unbetretbar waren, ist eine gewisse Normalität eingekehrt.

Als Bukele vor fünf Jahren mit dem Versprechen, der Korruption und der Gewalt im Land ein Ende zu setzen, überraschend klar zum Präsidenten gewählt wurde, hatten sich die wenigesten Salvadorianer einen solchen Wandel erträumt. Der damals erst 37 Jahre alte politische Überflieger, Sohn eines Geschäftsmannes mit palästinensischen Wurzeln, profitierte vor allem vom tiefen Verdruss der Salvadorianer mit den traditionellen Parteien, die das Land seit dem Ende des Bürgerkrieges regiert hatten und immer wieder mit Korruptionsskandalen von sich reden machten.

Jedes Mittel war ihm recht

Schon zu Beginn seiner Amtszeit ließ Bukele keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit und zeigte, dass ihm jedes Mittel recht ist, um sich durchzusetzen. Als das Parlament wenige Wochen nach seinem Amtsantritt zögerte, das Budget für ein umfassendes Sicherheitspaket zu bewilligen, ließ der Präsident das Parlamentsgebäude kurzerhand von Sicherheitskräften besetzen. Er selbst setzte sich auf den Sessel des Parlamentsvorsitzenden und sagte, dass nun sehr klar sei, wer Herr der Lage sei.

Später brauchte Bukele diese Drohgebärden nicht mehr. Bei den Parlamentswahlen im Jahr 2021 erhielt die von ihm selbst gegründete Partei „Neue Ideen“ eine komfortable Zweidrittelmehrheit. Diese Mehrheit hat Bukele unter anderem genutzt, um die Gerichte nach seinen Vorstellungen umzubauen, die ihm später den Weg für eine weitere Kandidatur ebnen sollten. Eine direkte Wiederwahl ist in der salvadorianischen Verfassung nämlich nicht vorgesehen.

Auch die Verbesserung der Sicherheitslage hat ihre dunklen Stellen. So gibt es handfeste Belege dafür, dass die Regierung Bukeles zu Beginn ihrer Amtszeit einen Deal mit den inhaftierten Bossen der Banden eingegangen war, um mit einer Art Waffenstillstand die Mordrate zu senken. Dieser Pakt endete abrupt im März 2022.

In wenigen Tagen töteten Gangmitglieder Dutzende Menschen. Bukele schickte Armee und Polizei los, um Jagd auf Bandenmitglieder zu machen. Ganze Städte wurden von Tausenden Soldaten abgeriegelt. Straßen und Häuser wurden durchkämmt. Graffitis der Gangs wurden übermalt. Zugleich rief Bukele einen Ausnahmezustand aus, den die Salvadorianer das „Regime“ nennen und der bis heute bereits mehr als zwanzigmal verlängert worden ist. Er erlaubt Festnahmen auf reiner Verdachtsbasis. Festgenommene können ohne Prozess über längere Zeit inhaftiert bleiben.

Zustimmungsraten von bis zu 90 Prozent

Seit dem Inkrafttreten des „Regimes“ wurden über 70.000 mutmaßliche Bandenmitglieder verhaftet. Im vergangenen Jahr weihte Bukele ein neues Mega-Gefängnis ein, wie immer gut inszeniert. Die Regierung verbreitete Bilder von den mit nacktem Oberkörper aufgereihten Häftlingen, hinterlegt von einigen martialischen Sätzen des Präsidenten. Neben den wahren Bandenmitgliedern traf es auch Tausende von Unschuldigen. Viele sind bis heute im Gefängnis. Wer sich für sie einsetzt, wird als Komplize der Banden diffamiert. Kritik duldet Bukele nicht, auch nicht von der Presse. Mit etlichen kritischen Medien und Journalisten steht Bukele auf Kriegsfuß. Einige mussten das Land verlassen.

All das wird ihm von einem großen Teil der Bevölkerung aber kaum hinterfragt. Bukele zählt seit seinem Amtsantritt mit Zustimmungsraten von bis zu 90 Prozent zu den beliebtesten Präsidenten weltweit und hat viele Bewunderer – und bald auch Nacheiferer – in Ländern der Region, die ebenfalls ein Gewaltproblem haben.

Am Sonntag werden die Salvadorianer ihren Präsidenten mit einer überwältigen Mehrheit wiederwählen. Umfragen sehen einen Wahlsieg mit über 80 Prozent vorher. Auch im Parlament dürfte seine Partei künftig eine noch hegemonialere Stellung einnehmen, was Bukele die Kontrolle über die Gerichte sichert. Bukeles harte Hand hat El Salvador in ihren Griff genommen. Einige befürchten, dass sie nicht mehr loslassen wird.

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