Ukraine-Invasion, Tag 784: Wie ein russischer Angriff auf das Baltikum aussehen könnte

US-Waffenhilfen nicht nur zur Verteidigung der Ukraine nötig, viele Tote bei russischem Raketenangriff auf Tschernihiw, Deutschland startet Luftabwehr-Initiative. Der Überblick am Abend.

ukraine-invasion, tag 784: wie ein russischer angriff auf das baltikum aussehen könnte

US-Soldaten bei einer Nato-Übung in Litauen

Die Lage der Ukrainer, die sich gegen den russischen Angriffskrieg verteidigen, ist kritisch. Das liegt nicht zuletzt an den ausbleibenden US-Waffenhilfen, die der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zuletzt mit Nachdruck forderte. Wie wichtig es nicht nur für die USA ist, die Ukraine mit den nötigen Waffen zu unterstützen, zeigt sich in einer Analyse des US-amerikanischen Instituts für Kriegsstudien (ISW).

Das ISW hat ein Szenario entworfen, wie ein russischer Angriff auf das Baltikum aussehen könnte – und warum eine geschlagene Ukraine aus Moskauer Sicht notwendig ist.

Demnach würde Russland zunächst versuchen, den Suwalki-Korridor zu schließen, der zwischen der russischen Enklave Kaliningrad an der Ostsee und dem Nordwesten von Belarus verläuft, um die baltischen Staaten zu isolieren. Dann nämlich könnte die Nato Litauen, Lettland und Estland nicht über dem Landweg helfen, während Russland seinen Angriff startet.

Das Szenario setzt voraus, dass Russland es schafft, den Angriff schnell genug vorzubereiten und durchzuführen. Anderenfalls wäre es der Nato möglich, das Baltikum zuvor mit wichtigen Verstärkungen aus den USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland zu versorgen.

Außerdem müsste ein solcher Angriff größtenteils mit Truppen aus den neu geschaffenen Militärdistrikten Leningrad und Moskau geschehen, weil eine Umverteilung von Truppen aus dem Osten Russlands viel länger dauern würde – und auffällig wäre.

Und warum ist eine geschlagene Ukraine für das Vorhaben notwendig? Das ISW schreibt, dass die Sicherung der südwestlichen Grenze zur Ukraine für Russland zu viele Truppen in Anspruch nehmen würde. In dem Fall müsste Moskau demnach dringend Truppen aus dem Osten des Landes aktivieren.

Die Menge an Truppen, die notwendig wäre, wäre deutlich größer und würde die Vorbereitung verzögern. Das würde, da ist sich das ISW sicher, der Nato genügend Zeit geben, um Vorkehrungen zu treffen. Ein Risiko, das Russland wohl nicht bereit wäre, einzugehen.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:

  • Ein russischer Raketenangriff auf die Großstadt Tschernihiw im Norden der Ukraine hat am Mittwochmorgen viele Opfer unter der Zivilbevölkerung gefordert. Nach Angaben der Gebietsverwaltung war die Zahl der Toten bis zum Nachmittag auf 17 gestiegen. Zudem sprach sie von mehr als 60 Verletzten. Darunter sind auch mehrere Kinder. Mehr dazu hier.
  • Angesichts der offenkundigen Schwäche der ukrainischen Luftabwehr bemüht sich die Bundesregierung bei den Partnerstaaten um kurzfristige Hilfe. Es müsse „nochmal ernsthaft geschaut werden, ob noch weitere Systeme verfügbar sind, die der Ukraine schnell zur Verfügung gestellt werden können“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Mittwoch in Berlin. Nötig seien nun „Sofortlieferungen“. Mehr dazu hier.
  • Auf Bitten der Ukraine hin beruft Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg an diesem Freitag eine Sitzung des Nato-Ukraine-Rats ein. Es werde darum gehen, den dringenden Bedarf der Ukraine an mehr Luftverteidigungssystemen und Artilleriegeschossen anzugehen, sagte Stoltenberg am Mittwoch in Brüssel. An der Tagung sollten der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und die Verteidigungsminister der Mitgliedstaaten teilnehmen. Mehr dazu im Newsblog.
  • Die Bundesluftwaffe ist seit der Übernahme der Luftraumüberwachung über Estland, Lettland und Litauen Anfang März zu zehn Alarmstarts über den baltischen Nato-Staaten aufgestiegen. Bei dem „Nato Air Policing Baltikum“ hätten die deutschen Piloten in ihren Eurofighter-Kampfflugzeugen russische Militärmaschinen im internationalen Luftraum über der Ostsee identifiziert, teilte der deutsche Einsatzkontingentführer mit. Mehr dazu hier.
  • Kurz vor Beginn des Gipfels der EU-Staats- und Regierungschefs am Mittwochabend hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mehr Einsatz für die europäische Verteidigung gefordert. Es sei „an der Zeit, dass Europa in Sachen Verteidigung und Sicherheit aufwacht“, sagte von der Leyen in Brüssel. Sie warnte unter anderem vor Drohnen aus dem Iran, die auch Russland einsetze. Mehr dazu hier.
  • Der russische Geheimdienst FSB hat eigenen Angaben zufolge mehrere russische Staatsbürger festgenommen, die des „Hochverrats“ oder der Beteiligung an einer „terroristischen Vereinigung“ zugunsten der Ukraine beschuldigt werden. In der westsibirischen Region Tomsk seien zwei Menschen festgenommen worden, denen zur Last gelegt wird, Geld an die ukrainischen Streitkräfte überwiesen zu haben, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Tass am Mittwoch.
  • Die Ukraine hat mehrere Ziele in Russland und auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim mit Drohnen und Raketen angegriffen. Eines der Ziele der vom Militärgeheimdienst am Mittwoch eingesetzten Drohnen war einer Meldung der Nachrichtenagentur RBK-Ukrajina zufolge ein Flugzeugwerk in Kasan.
  • Die Zahl bestätigter russischer Gefallener im Krieg gegen die Ukraine ist einer Analyse der britischen Rundfunkanstalt BBC zufolge inzwischen höher als 50.000. Das geht aus Zählungen der russischsprachigen BBC-Redaktion, der unabhängigen Mediengruppe Mediazona sowie Freiwilliger hervor. Die tatsächliche Zahl dürfte westlichen Schätzungen zufolge jedoch mehr als doppelt so hoch sein, da viele Todesfälle nicht bestätigt werden können.
  • Die von Tschechien geführte internationale Initiative für den Einkauf von Waffen für die Ukraine außerhalb von Europa kann nach Angaben von Ministerpräsident Petr Fiala dank der Unterstützung von 20 Staaten rund 500.000 Schuss Artilleriemunition kaufen. „Ich freue mich, dass sich bereits rund zwanzig Länder unserer Initiative angeschlossen haben – von Kanada über Deutschland und die Niederlande bis hin zu Polen“, sagte Fiala am Dienstag bei einem Besuch in Washington.
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