Verliert Europa Georgien an Russland?
Kaukasus
Verliert Europa Georgien an Russland?
Proteste vor dem Parlament in Tiflis.
Die Regierung in Tiflis geht brutal gegen prowestliche Protestierende vor – Mahnung aus Brüssel.
Die Stimmung in Georgien sei „sehr angespannt und aufgeheizt“, sagt Stephan Malerius in Tiflis. Der Leiter des Südkaukasus-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung beobachtet mit Sorge, wie die Polizei mit Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen gegen die Demonstrierenden vorgeht. Zehntausende Menschen hatten in der Nacht zu Donnerstag gegen ein umstrittenes Gesetz protestiert, das eine massive Kontrolle von Nichtregierungsorganisationen vorsieht. Die Demonstrant:innen befürchten, dass das Gesetz ähnlich wie in Russland dazu missbraucht werden könnte, prowestliche Kräfte zu verfolgen. Die Gewalt gegen die Proteste der Opposition habe „eine neue Qualität“ erreicht, sagt Malerius im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Das haben wir in diesem Ausmaß noch nicht erlebt.“
Georgien hatte im Dezember 2023 von der EU den Status eines Beitrittskandidaten erhalten, obwohl die georgische Regierung immer häufiger nach Moskau schielt. Die Regierungspartei „Georgischer Traum“ tritt zunehmend autoritär auf. Westliche Sanktionen gegen Russland unterstützt die Regierung nicht, vielmehr steht sie im Verdacht, russischen Unternehmen bei der Umgehung von EU-Sanktionen zu helfen. In zwei Wochen will Regierungschef Irakli Kobachidse das umstrittene Gesetz in dritter und letzter Lesung verabschieden.
„Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, ist der EU-Beitritt Georgiens ernsthaft in Gefahr“, warnt Malerius. Der Kandidatenstatus werde vielleicht nicht aberkannt, aber der Beitrittsprozess höchstwahrscheinlich eingefroren, ähnlich wie bei der Türkei. Nach den Europawahlen, so Malerius, könnten die EU-Kommission und das EU-Parlament Sanktionen gegen Georgien verhängen. „Die schmerzhafteste und in Georgien am meisten diskutierte Sanktion ist die Aufhebung der Visafreiheit“, sagt er.
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen meldete sich zu Wort und solidarisierte sich mit den Protesten: „Georgien steht am Scheideweg. Es sollte seinen Weg nach Europa konsequent fortsetzen.“
Bei den Demonstrationen in Georgien geht es nicht nur um ein Gesetz, sondern um die Ausrichtung des Landes. Die Protestierenden sehen ihre Zukunft in der EU und nicht als Anhängsel Russlands. Die Sorge ist laut Malerius groß, dass die Regierung den Umbau zu einem autoritären Staat nach russischem Vorbild vorantreibt: „Alles deutet darauf hin, dass Russland hinter dem Gesetz steckt und den Südkaukasus spalten will.“
Robin Wagener, Südkaukasus-Koordinator im Auswärtigen Amt, schreibt auf X: „Mit diesem Kurs wird es keine EU-Mitgliedschaft geben.“ Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), ergänzt: „In Georgien steht die Demokratie auf dem Spiel.“