Verliert die Deutsche Bank auf einen Schlag fast einen Quartalsgewinn
Die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt
Gerade erst hat die Deutsche Bank die Börse begeistert mit dem besten Ergebnis seit mehr als zehn Jahren. Der Nettogewinn war im ersten Quartal 2024 um 10 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro gestiegen; der Aktienkurs kletterte am Donnerstag um 6 Prozent auf den höchsten Kurs seit sechseinhalb Jahren. Nur eine Randnotiz sind an diesem Tag die Kosten, die für die jüngsten IT-Pannen der Postbank anfielen: 30 Millionen Euro im ersten Quartal 2024, laut Finanzvorstand James von Moltke werden es 100 Millionen Euro maximal – trotz zahlreicher Kundenbeschwerden wegen nicht freigegebener Konten, verzögerter Baufinanzierungen und schleppend bearbeiteter Nachlassarbeiten. Auch wenn die Finanzaufsicht Bafin der Deutschen Bank deshalb „Sonderaufpasser“ geschickt hat, frühere Deutsche-Bank-Vorstände hätten wohl dennoch von „Peanuts“ gesprochen.
Der frühere Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann
Tatsächlich ist das, was die Deutsche Bank zum Ausklang der vergangenen Woche verkündete, eine andere Hausnummer: Nach eigener Aussage droht ihr eine milliardenschwere Nachzahlung an die ehemaligen Aktionäre der Postbank . Das Oberlandesgericht Köln (OLG) habe am Freitag in einer mündlichen Verhandlung angedeutet, dass ihnen bei der Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank im Oktober 2010 ein höherer Preis zugestanden haben könnte.
Werner Steinmüller
Bisher keine Rückstellung
Ackermanns Vorgänger: John Cryan
Die Deutsche Bank bezifferte die Postbank-Aktionären maximal zustehende Summe einschließlich der seit 2010 aufgelaufenen Zinsen auf rund 1,3 Milliarden Euro. „In seinen Ausführungen deutete das Gericht an, dass es Teile dieser Ansprüche in einer späteren Entscheidung für begründet befinden könnte“, hieß es in der Mitteilung.
Die Deutsche Bank werde im zweiten Quartal 2024 eine Rückstellung für den Prozess bilden, auch wenn sie die Ansicht der Kläger „weiterhin nachdrücklich“ für falsch halte. Bisher hatte sie keine Rückstellung gebildet, nachdem die Kläger vor dem OLG zweimal gescheitert waren. Doch nun könnte es anders ausgehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte den Fall im Dezember 2022 wieder nach Köln zurückverwiesen.
Genaue Höhe der Rückstellung noch offen
Die Deutsche Bank ließ in ihrer Mitteilung offen, in welcher Höhe sie Rückstellungen bilden wird, argumentierte aber mit dem höchstmöglichen Betrag von 1,3 Milliarden Euro. Falls sie diesen veranschlagen sollte, werde ihre Kernkapitalquote, die Ende März 13,45 Prozent betrug, um 0,2 Prozentpunkte sinken.
Und an den strategischen oder finanziellen Zielen ändere das nichts, hieß es beschwichtigend in der Mitteilung. Dies zielt wohl vor allem auf die Gewinnausschüttungen in From von Dividenden und Aktienrückkäufen, mit denen die Deutsche Bank derzeit Aktionäre anlockt. Rund 8 Milliarden Euro hat sie dafür in den nächsten Jahren in Aussicht gestellt.
Was eine Last von 1,3 Milliarden Euro für die Deutsche Bank bedeutet
Gleichwohl ist die Höhe der womöglich erforderlichen Rückstellung beachtlich: Der so viel Beifall gefundene Gewinn vom ersten Quartal 2024 wäre durch eine Rückstellung von 1,3 Milliarden Euro nahezu ausradiert. Die Summe entspricht zudem mehr als einem Viertel dessen, was Analysten der Deutschen Bank im Jahr 2024 an Gewinn zutrauen. Mit anderen Worten: Statt 5 Milliarden Euro könnte die Deutsche Bank in diesem Jahr weniger als 4 Milliarden Euro Gewinn machen. Und im Vergleich zum jüngsten IT-Debakel wären die Kosten etwa dreizehnmal so hoch.
Die Geschichte von Deutscher Bank und Postbank ist von Anfang an reich an Irrungen und Wirrungen: Als die Postbank 2004 privatisiert werden sollte, bot sie Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) der Deutschen Bank dem Vernehmen nach für rund 6 Milliarden Euro an. Der damalige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zog es vor, den Börsengang der Postbank als Berater zu begleiten und als Konsortialführer (zusammen mit der US-Bank Morgan Stanley ) Gebühren zu kassieren.
Die Ursache für die Rückstellung
Von 2010 an begann die Deutsche Bank dann, die börsennotierte Postbank in mehreren Schritten zu erwerben. Ihr damaliges Vorgehen ist Ursache für die nun angekündigte Rückstellung. Es lässt sich so zusammenfassen: Schon kurz vor der Finanzkrise im September 2008 war die Deutsche Bank bereit, für ein Paket von 29,75 Prozent an der Postbank 57,25 Euro je Aktie zu zahlen. In Nachverhandlungen mit dem Verkäufer Deutsche Post gelang es ihr später, den Preis zu drücken.
Im ersten Quartal 2009 erwarb die Deutsche Bank dann knapp 23 Prozent und zahlte dafür 23,92 Euro je Aktie. Damit zahlte sie der Post deutliche Aufschläge auf den Börsenkurs. Zudem sicherte sie sich über Termingeschäfte praktisch die Mehrheit an der Postbank, wie es in einem Artikel der F.A.Z. aus dem Februar 2015 hieß.
Ihre offizielle Beteiligung an der Postbank stockte die Deutsche Bank aber nur vorsichtig mit gezielten Aktienkäufen auf 29,88 Prozent auf. Aus gutem Grund: Nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz muss allen Aktionären ein Pflichtangebot unterbreitet werden, sobald die Kontrolle über ein Unternehmen erworben worden ist. Kontrolle bedeutet: Der neue Eigner muss mindestens 30 Prozent der Stimmrechte besitzen. Die Deutsche Bank mied das Überschreiten dieser Schwelle bis Oktober 2010. Wie im Februar 2015 in der F.A.Z. diskutiert, entsendete die Deutsche Bank mit Werner Steinmüller und Tessen von Heydebreck schon im April 2009 zwei Vertreter in den Aufsichtsrat. Steinmüller, so die Kläger, habe anschließend Einfluss auf die Kreditpolitik der Postbank genommen.
Doch erst als der Postbank-Kurs stark gefallen und die Aktie erst aus dem Dax und dann aus dem M-Dax geflogen war, übernahm die Deutsche Bank die Kontrolle: Statt 57,25 Euro, die sie ursprünglich für die ersten Postbank-Aktien hätte zahlen sollen, oder gut 40 Euro – der Börsenkurs im September 2008 – musste die Deutsche Bank nur 25 Euro zahlen. Denn bei einem Übernahmeangebot ist gesetzlich vorgeschrieben, dass der Aufkäufer mindestens den Drei-Monats-Durchschnittskurs zahlen muss.
Mehr gab es für Postbank-Aktionäre dann auch nicht. Dagegen gab es die Klagen. Denn strittig ist, ob die Deutsche Bank durch Vereinbarungen mit der Post de facto nicht doch schon vor 2010 Zugriff auf deren verbliebenen Anteil hatte. Dann hätte sie womöglich früher ein Übernahmeangebot zu einem höheren Preis vorlegen müssen.
Ein anderes Kapital in der pannenreichen Geschichte der Deutschen Bank mit der Postbank gehört der IT. Das erste Projekt zur Migration der Postbankdaten mit dem Codenamen „Magellan“ verschlang zwischen 2010 und 2015 rund eine Milliarde Euro. Und es scheiterte dermaßen überzeugend, dass Ackermanns Nachfolger John Cryan die Postbank sogar wieder verkaufen wollte.
Ab 2017 lief dann der zweite Anlauf, die Daten der Postbank auf das IT-System der Deutschen Bank zu überführen. Die Folgen der vor einem Jahr abgeschlossenen Migration mit dem Namen „Unity“ beschäftigen die Deutsche Bank bis heute. Das IT-Chaos schadet dem Ruf, die Rechtskosten tun finanziell mehr weh.