USA: Demonstranten verbarrikadieren sich in Uni-Gebäude
Protestierende haben die die Hamilton Hall der Columbia University besetzt.
Die Hochschulen in den USA ergreifen härtere Maßnahmen gegen die propalästinensischen Proteste, Polizisten haben Hunderte abgeführt, an der Columbia University werden die ersten Studenten suspendiert. Doch die Lage beruhigt sich nicht. Im Gegenteil.
Demonstranten verbarrikadieren sich in Uni-Gebäude
Es war alles andere als glamourös, was die Medienstars in ihren glitzernden Abendkleidern und dunklen Smokings vor dem Washingtoner Hilton erwartete. Angereist waren sie, um sich an ihrem jährlichen Galadiner im Glanz von Gästen wie Präsident Joe Biden und der Schauspielerin Scarlett Johansson zu sonnen und dabei die Pressefreiheit zu feiern.
Zunächst aber wurden die 2700 Journalisten und Gäste am Samstagabend von einem lautstarken Demonstrationszug empfangen. “Schämt euch”, riefen die Protestierenden, “ihr seid Komplizen”. Komplizen im Krieg zwischen Israel und Hamas, der schon mehr als 30 000 Menschen in Gaza das Leben gekostet hat. Unter den Opfern sind rund 100 Journalistinnen und Journalisten, Demonstrierende trugen Pressewesten mit aufgemaltem Blut.
Demonstranten schwenken auf dem Universitätsgelände der Columbia University die palästinensische Flagge.
In dem Gebrülle ging unter, worin genau die Komplizenschaft der Medien bestehen soll, die seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 pausenlos über den blutigen Konflikt und die Opfer sowohl in Israel als auch in den palästinensischen Gebieten berichten. Auch über die getöteten Medienschaffenden, die bei der offiziellen Ansprache an dem Galadiner Erwähnung fanden.
Auseinandersetzungen auch in kleineren Universitätsstädten
Im Kleinen zeigten sich da die Widersprüche, die inzwischen das ganze Land umtreiben. Nachdem die Columbia-Universität in New York ein Protestlager mit Polizeigewalt hatte auflösen lassen, wurden an mehreren Dutzend Hochschulen ebenfalls Zeltlager aufgebaut. Mehrere haben die Schulbehörden polizeilich räumen lassen. Rund 900 Personen wurden bis zum Wochenende laut einer Zählung der Washington Post verhaftet, nicht mehr nur in den Metropolen an der Ost- und Westküste, sondern auch in kleineren Universitätsstädtchen in ländlichen Gebieten, etwa Bloomington in Indiana oder Blacksburg in Virginia.
In Columbia hatten Demonstranten nach der Polizeiaktion erneut ein Protestcamp errichtet. Nachdem Verhandlungen zwischen ihnen und der Uni-Leitung zu keiner Lösung geführt haben und eine Frist zur Räumung verstrichen ist, hat die Hochschule begonnen, Studierende zu suspendieren. “Es ist wichtig für euch zu wissen, dass die Universität bereits viele Studenten im Zeltlager identifiziert hat”, heißt es in einer Mitteilung der Universität. Wer das Lager nicht verlasse und sich dabei ausweise, sei nicht berechtigt, das Semester abzuschließen. Eine Gruppe Studierender hat sich dort über Nacht nun in einem Gebäude der Universität, Hamilton Hall, verbarrikadiert und angekündigt, es erst wieder zu verlassen, wenn ihre Forderungen erfüllt sind. Hamilton Hall wurde in der Vergangenheit bei Studentenunruhen bereits mehrmals besetzt.
Demonstranten versperren die Eingänge zur Hamilton Hall der Columbia University.
Eskaliert sind Proteste und Gegenreaktionen, weil bei den Demonstrationen antisemitische Parolen zu sehen und hören waren, bis hin zur offenen Unterstützung der Terrorgruppe Hamas. Einige Vertreter von Studenten- und Professorenschaft versuchten, diese Auswüchse auf Außenstehende abzuschieben, bis deutlich wurde, dass sich auch Organisatoren antisemitisch geäußert hatten. Eine Ausnahme blieben bisher jedoch Auseinandersetzungen wie in Los Angeles, wo es am Wochenende zu Handgreiflichkeiten kam.
Längst geht es den Protestierenden nicht mehr allein um den Krieg in Gaza und die amerikanische Nahostpolitik. Vielmehr dreht sich die Debatte inzwischen auch um das Recht auf freie Meinungsäußerung und die akademische Freiheit. Demonstrierende fordern eine Amnestie für die Verhafteten der vergangenen Tage, die vom Unterricht suspendiert und teilweise auch angeklagt wurden, etwa wegen Hausfriedensbruchs.
Risse bei den Demokraten
Der Konflikt wird befeuert durch harte politische Auseinandersetzungen im Kongress. Vor allem Republikaner werfen den Universitäten vor, antisemitisches Gedankengut zu tolerieren; im vergangenen Dezember mussten die Präsidentinnen von Harvard und der University of Pennsylvania nach einer Anhörung zurücktreten. An der Universität von Columbia trugen vergangene Woche die Anhörung von Präsidentin Minouche Shafik und ein Besuch des Speakers Mike Johnson auf dem Campus dazu bei, die Stimmung aufzuheizen. In dieser Woche wird der Kongress das Thema erneut aufnehmen: Zur Abstimmung kommt ein Gesetz, das das Bildungsministerium verpflichten würde, eine breitere Definition von Antisemitismus anzuwenden, um jüdische Studierende rechtlich besser zu schützen.
Während die Republikaner geschlossen auftreten, öffnen sich bei den Demokraten tiefe Risse. Der progressive Flügel stellt sich mehrheitlich hinter die Demonstranten. Ilhan Omar etwa, prominente Abgeordnete mit somalischen Wurzeln, unterstützte die Proteste ihrer Tochter, die in New York verhaftet worden war. Der zentristische Flügel hingegen unterstützt den Präsidenten Joe Biden, der eine klar pro-israelische Politik betreibt. In der Partei werden nun Befürchtungen laut, Bidens Wählerkoalition zerfalle zunehmend, was ihn die Wiederwahl im November kosten könnte.
Ebenso sorgen sich die Demokraten, der Parteitag von Mitte August in Chicago könnte von Ausschreitungen überschattet werden. 30 000 Teilnehmende erwarten die Organisatoren eines Demonstrationszugs, dreimal mehr als 1968, als Proteste gegen den Vietnam-Krieg den Parteitag, ebenfalls in Chicago, erschütterten. Damals war die Stimmung im Land indes aufgeheizter als jetzt, und es ist noch nicht klar, wie realistisch die Erwartung von 30 000 Demonstranten im kommenden August wirklich ist. An den Universitäten finden derzeit die letzten Unterrichtstage statt; noch ist nicht abzuschätzen, ob die lange Sommerpause die Proteste schwächen wird.
Dieser Artikel wurde am 30. April aktualisiert.