US-Notenbank: Analysten erwarten Zinssenkung erst im Dezember
Die US-Inflation zeigt sich hartnäckig – Grund genug für Fed-Chef Jerome Powell, die erwartete Zinswende weiter offenzulassen. Manche Analysten schließen nicht aus, dass die geldpolitische Lockerung der US-Notenbank ganz ausbleiben könnte.
US-Notenbank: Analysten erwarten Zinssenkung erst im Dezember
Angesichts der hartnäckig hohen Inflation in den USA scheut die Notenbank Federal Reserve (Fed) vor einer Zinswende zurück. Die Währungshüter beließen den Leitzins am Mittwoch in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent. Sie sehen in jüngster Zeit keine weiteren Fortschritte in Richtung ihres Inflationsziels von 2 Prozent. Eine Zinswende sei nicht angebracht, solange nicht mehr Zuversicht herrscht, dass sich die Teuerungsrate nachhaltig dem Fed-Ziel nähere.
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Es zeichne sich ab, dass es länger als zunächst gedacht wurde, dieses Maß an Vertrauen zu erhalten, betonte Fed-Chef Jerome Powell (71) vor der Presse. Er ließ den Zeitpunkt einer Zinswende offen, die sich nach Einschätzung von Händlern bis September oder gar November hinauszögern könnte.
Die Europäische Zentralbank hat die Finanzmärkte hingegen auf eine Senkung im Juni vorbereitet. Powell betonte, die US-Zentralbank habe angesichts der weiter rund laufenden US-Wirtschaft „den Luxus“, geduldig bleiben zu können. Zugleich hält er es nicht für wahrscheinlich, dass der nächste Schritt eine Erhöhung sein wird.
Fed hat den „Luxus“, geduldig sein zu können
Die US-Aktienmärkte machten nach dem Zinsentscheid zunächst einen Teil ihrer Verluste wett. Der Dollar-Index gab etwas nach und Gold legte leicht zu. Die wichtigsten US-Indizes drehten später während der Pressekonferenz Powells ins Plus. Zum Handelsende notierten sie uneinheitlich.
Auch wenn es vorerst an der Zinsfront ruhig bleiben dürfte, bewegt sich die Fed beim Thema Bilanzabbau: Ab Juni wird sie monatlich nur noch US-Staatsanleihen im Wert von bis zu 25 Milliarden Dollar auslaufen lassen, ohne sie zu ersetzen. Bislang lag die Obergrenze bei 60 Milliarden Dollar pro Monat. Bei Hypothekenpapieren (MBS) behält die Fed die Praxis bei, Papiere im Wert von bis zu 35 Milliarden Dollar monatlich fällig werden zu lassen, ohne sie zu ersetzen. Mit den Maßnahmen dampft die Zentralbank ihre in der Coronapandemie aufgeblähte Bilanz ein. Die jüngsten Beschlüsse dienen laut Powell dazu, den Prozess der Bilanzverkürzung möglichst reibungslos verlaufen zu lassen. Es gehe nicht darum, die Wirtschaft damit anzukurbeln. Die Zinspolitik bleibe „das aktive Werkzeug“ der Notenbank.
Notenbank dampft Bilanz weiter ein
Trotz des hohen Zinsniveaus hat die Zentralbank den starken Preisauftrieb noch nicht in den Griff bekommen. Die Teuerungsrate lag zuletzt mit 3,5 Prozent weit über dem Ziel der Zentralbank von 2 Prozent. Die Zinsfantasien sind vor diesem Hintergrund stark gedämpft worden. „Eine Zinssenkung im Juni ist nach der heutigen Notenbanksitzung vom Tisch“, meint Chefökonom Thomas Gitzel von der Liechtensteiner VP Bank.
Die Wortwahl der US-Notenbanker lasse darauf schließen, dass sich eine Senkung in die zweite Jahreshälfte verschiebt – mindestens. „Mehr noch, es könnte genauso sein, dass eine geldpolitische Lockerung ganz ausbleibt“, sagte der Experte. Zwar werde dies nicht so offen formuliert, auszuschließen sei dieses Szenario allerdings nicht.
Commerzbank rechnet erst im Dezember mit Zinssenkung
Nach Einschätzung von Commerzbank-Ökonom Christoph Balz lässt sich das Inflationsproblem bei einer gleichzeitig weiterhin recht gut laufenden Konjunktur nicht so leicht lösen: Wir rechnen daher erst im Dezember mit einer ersten „Zinssenkung.“
Die gute wirtschaftliche Lage, insbesondere der starke Arbeitsmarkt, gebe der Notenbank den Spielraum, mit der Lockerung der Geldpolitik noch zu warten, meint KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Es bedürfe schon „beträchtlicher Probleme“ auf dem Arbeitsmarkt, um die Notenbank zu einer Senkung der Zinsen zu bewegen, erklärte Powell mit Blick auf das doppelte Mandat der Notenbank, die stabile Preise und überdies Vollbeschäftigung fördern soll.