Modezirkus | Das schmutzige Geschäft mit der zweiten Haut
Neulich im Modehaus des Vertrauens: eine Hose von Armani. Neben den üblichen Waschangaben – in dem Fall nur chemische Reinigung möglich – auch noch das Herkunftsetikett: „Made in China“. Dabei hat Armani doch ein „Sustainability Project“ ins Leben gerufen, ein Nachhaltigkeitsprojekt: Wasserverbrauch senken, Verschwendung vermeiden, Emissionen reduzieren. „Armani Exchange“ engagiert sich für den Planeten Erde, heißt es auf der Homepage. Wie passt da „Made in China“ ins Portfolio? NGOs prangern schon lange an, dass sich Modemarken ihre Lieferketten nicht genau anschauen und ist ja gerade dieser Tage hoch aktuell.
Denn „Made in China“ könnte auch bedeuten, dass dahinter die Arbeit von Uiguren in sogenannten chinesischen „Umerziehungslagern“ steckt. Die Leidensgeschichte der muslimischen Volksgruppe der Uiguren ist mit jener der Tibeter vergleichbar. 1949 wurde das damalige Ostturkestan von Maos Truppen besetzt und annektiert. Human Rights Watch prangert seit Jahrzehnten die systematische Unterdrückung Chinas von mehr als einer Million Uiguren an, die gewaltsam inhaftiert wurden und als Zwangsarbeiter für den globalen Markt schuften müssen. 90 Prozent der chinesischen Baumwolle – mehr als ein Fünftel der weltweiten Produktion – stammen aus der Region Xinjiang im Nordwesten der Volksrepublik China, wo überwiegend Turkvölker wohnen, von denen die größte Gruppe die Uiguren sind.
Modemarken wie Hugo Boss, Adidas und Puma betonen stets, keine Baumwolle von dort zu beziehen, denn selbstverständlich kaufe man nicht bei jenen, die Menschenrechte mit Füßen treten. Doch je günstiger die Produktion, desto größer die Gewinnerwartung. Offenbar schaut man sich auch Lieferketten nicht immer genau an. Der deutsche Sender ARD verbündete sich mit Forschenden des nordrhein-westfälischen Agroisolabs in Jülich. Mithilfe der Isotopenanalyse können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachweisen, woher Stoffe stammen. Das Reporterteam übergab den Forschern Kleidungsstücke von Boss, Puma und Co. Das Ergebnis: Die Baumwolle stammte – zumindest partiell – aus Xinjiang.
Dieser Tage titelte auch der „Spiegel“: „Wie tief sind deutsche Konzerne in das System in Xinjiang verstrickt?“ und führte den Nachweis, dass auch BASF und Volkswagen in der Region mitmischen. Human Rights Watch kann beweisen, dass mehrere Automobilkonzerne in die Zwangsarbeit von Uiguren verwickelt sind.
Modeindustrie unter der Lupe
Auch die Modeindustrie kommt immer stärker unter die Lupe. Schließlich gehört sie auch zu den größten Dreckschleudern: Die Modeindustrie produziert je nach Quelle 1,2 bis 1,7 Milliarden Tonnen Kohlendioxid-Emissionen mehr als die Luft- und Schifffahrt zusammen. Gravierend ist auch der Wasserverbrauch: Rund elf Prozent des gesamten in der Industrie verwendeten Frischwassers fließt in die Fabriken der Modeindustrie. Hinzu kommen Öl und giftige Chemikalien, die beim Herstellungsprozess anfallen. Laut Greenpeace-Report „Pollutin paradise“ zählt der Citarum-Fluss in Indonesien zu den schmutzigsten Flüssen der Welt. Entlang des Flusses stehen mehr als 200 Textilfabriken, die Farbstoffe und giftige Chemikalien in den Fluss ableiten.
Doch auch Mode „Made in Europe“ sei nicht zwangsläufig gut, erklärt Gertrude Klaffenböck, Koordinatorin der österreichischen Clean Clothes Kampagne bei Südwind. Clean Clothes setzt sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie ein und arbeitet in einem internationalen Netzwerk mit Mitgliedern und Partnerorganisationen in Produktionsländern Asiens, Europas und Amerikas zusammen.
„,Made in Europe‘ bezeichnet meist die Herstellung der Kleidung in ost-, süd- oder südosteuropäischen Ländern, die ebenso mit ihrer Politik der Billiglöhne und Niedrigkosten um die Ansiedlung von Betrieben werben wie anderswo. Die meisten Arbeiterinnen in der Bekleidungsindustrie Europas kämpfen mit ähnlichen Problemen wie ihre Kolleginnen in Asien: niedrige Löhne, die nicht zum Leben reichen, ungesunde Arbeitsplätze, enormer Arbeitsdruck und exzessive Überstunden, Schikanen, Benachteiligungen, wenn sie gewerkschaftlich aktiv werden. Und sie leben meist in einem gesellschaftlichen Umfeld, das kaum Alternativen zu dieser Art der Ausbeutung bietet“, sagt Klaffenböck. Letztlich gehe es auch darum, die großen Auftraggeber zu sozialerem Handeln zu bewegen. Interessantes Detail: Osteuropäische Arbeiterinnen, die für Aldi und Hofer nähen, arbeiten auch für Hugo Boss. „Das Problem ist leider, dass auch Unternehmer aus EU-Ländern ein Interesse daran haben, dass vor der Haustür billig produziert werden kann“, sagt Gertrude Klaffenböck.
Aber sowohl in Europa als auch in Asien gebe es immer öfter Initiativen von gewerkschaftlichen, Arbeits- und Menschenrechtsorganisationen, die das Modell eines Basis-Existenzlohnes für die jeweilige Region entwickelt haben, den Asia Floor Wage und den Europe Floor Wage: „Die Bezahlung eines existenzsichernden Lohnes ist letztlich ein harter Indikator dafür, wie ernst ein Unternehmen seine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht tatsächlich nimmt“, betont die Clean Clothes-Expertin.
LVMH-Eigentümer Bernard Arnault, wegen seines harten Geschäftsgebarens auch „Wolf in Kaschmir“ genannt, ist neuerdings der reichste Mensch der Welt. Sein Vermögen wird auf 211,4 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der französische Unternehmer wurde mit dem Luxusriesen Louis-Vuitton-Moet-Hennessy schwerreich. Zum Konzern gehören Modemarken wie Dior, Fendi, Givenchy, Marc Jacobs oder Kenzo. Giorgio Armani wiederum ist der viertreichste Italiener. Die Chefs in der Modebranche gehören zu den reichsten Personen auf dem Planeten: Am Freitag wurde die Abstimmung über das EU-Lieferkettengesetz vertagt, das vorgesehen hätte, dass Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn Menschen oder Umwelt geschunden werden. Österreich und Deutschland hatten schon im Vorfeld blockiert.
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