Schauspieler auf Kriegspfad

«Fauda» galt schon immer als beängstigend realistische Serie über den Nahostkonflikt. Mehrere Schauspieler aus der Serie sind nun in den Gazastreifen in den Krieg gezogen. Ãœber die Wechselwirkung von Fiktion und Realität in einer der besten TV-Serien.

schauspieler auf kriegspfad

Patriotismus und Propaganda: Der israelische Schauspieler Idan Amedi (m.) mit seiner Einheit.

Vor ein paar Tagen kamen sechs israelische Soldaten im Zentrum des Gazastreifens ums Leben, als in ihrer Nähe ein Militärfahrzeug mit Sprengstoff explodierte. Idan Amedi, ein weiterer Soldat der Einheit, wurde schwer verletzt. Der 35-Jährige ist nun in aller Munde, weil er hauptberuflich nicht Soldat ist, sondern Musiker und Schauspieler. In der Netflix-Serie «Fauda», ein internationaler Hit, spielt Sagi Tzur, einen Neuling in einer israelischen Eliteeinheit zur Terrorismusbekämpfung.

Die israelische Thriller-Serie, die vor einem Jahr in die vierte Staffel ging, war schon immer eine faszinierende Mischung aus Fiktion und Realität. Amedis Unglück ist nun der unheimliche Höhepunkt dieser Wechselbeziehung.

«Fauda» heisst auf Arabisch «Chaos», der Begriff wird auch als Bezeichnung für die Zustände in den Palästinsensergebieten im Gaza-Streifen und Westjordanland verwendet. In der Serie benutzen die israelischen Agenten ihn als Codewort für den Abbruch eines misslungenen Einsatzes. Vor allem aber trifft er auf die Gewalt und Verwirrungen zu, die der Nahostkonflikt seit Jahrzehnten in den Köpfen und Herzen der verfeindeten Völker stiftet.

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Amedi in Uniform – für die Netflix-Serie «Fauda».

Vor diesem Hintergrund führt die Serie die Zuschauer in Israels Kampf gegen den Terrorismus ein, vom Westjordanland über den Gazastreifen bis nach Europa. «Fauda» dreht sich um die real existierende Sondereinheit Mista’arvim, deren Mitglieder sich unter die arabische Bevölkerung mischen: perfekt zweisprachige Soldaten, die Geiseln befreien, Entführungen vornehmen und auch Attentate verüben. Es sind keine smarten, glattwangigen Doppelnullagenten, sondern kettenrauchende, verschwitzte, unrasierte Typen. Für coole Sprüche und anderes fiktives Agenten-Gehabe bleibt im Chaos von Ramallah und Gaza keine Zeit.

Von linken wie rechten israelischen Zeitungen wurde die Serie gefeiert und gar als politisches Ereignis eingestuft. «Fauda» sei keine Unterhaltungsshow, sondern zeige die ungeschönte Wahrheit. Wie diese aussieht, ist freilich umstritten – auch dies eine Parallele zur aktuellen Debatte zum Krieg in Israel. «Fauda», sagen Kritiker der Serie, sei ideologisch und verharmlose die Notlage der Palästinenser, während das umbarmherzige Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte als Agentenalltag romantisiert werde.

Handkehrum leistet «Fauda» etwas, das in der israelischen TV-Unterhaltung ein Novum war. Die Serie taucht in den Kulturkreis des Gegners ein, die Agenten bauen persönliche Beziehungen mit ihm auf und kommen so nicht umhin, mit ihm zu sympathisieren. Botschaft: Nicht jeder Palästinenser ist ein potenzieller Terrorist, die allermeisten wollen einfach ihrem Leben nachgehen und für ihre Familie sorgen.

Zu verdanken ist dieser gleichermassen aufregende wie lehrreiche Einblick in die Politik und Kultur der beiden Völker den beiden Machern der Serie: Journalist und Politexperte Avi Issacharoff und Lior Raz. Letzterer ist der Sohn von irakisch-algerischen Juden, er spielt auch die Hauptrolle in «Fauda»: Doron Kabilio, den Testosteron-getriebenen Chef der besagten Antiterroreinheit. Es ist eine weitere Linie aus der Fiktion in die Realität, denn Raz meldete sich mit 18 bei den israelischen Verteidigungsstreitkräften und wurde Mitglied von Sayeret Duvdevan, einer Eliteeinheit zur Terrorismusbekämpfung.

Bevor Raz selbst berühmt wurde, diente er einem anderen Star: Als Bodyguard von Arnold Schwarzenegger in Hollywood. Am 7. Oktober, als Hamas-Terroristen mehr als 1200 Israelis massakrierten, wurde er aus dem süssen Star-Dasein gerissen. Die Anschläge waren noch im Gange, als aufsehenerregende Videos in den sozialen Medien auftauchten. Eines zeigte Lior Raz in Begleitung von Avi Issacharoff, wie sie hinter einer Mauer Schutz suchen, während in der Nähe Raketen explodieren. Eine Bildunterschrift der Aufnahmen informierte, dass die Serienmacher in den Süden Israels geeilt seien, um ihre «tapferen Waffenbrüder» zu unterstützen. Später sagten die beiden in Interviews, sie hätten zwei israelische Familien aus Sderot in Sicherheit gebracht.

Am nächsten Tag betrat ein weiterer «Fauda»-Schauspieler die Bühne der sozialen Medien: Idan Amedi. In Uniform der israelischen Streitkräfte erklärte er, dass er sich dem Kampf gegen die Hamas angeschlossen habe. Das Video endete mit dem Hinweis: «Dies ist keine Szene aus ‹Fauda›, dies ist das wahre Leben.»

Dass engagierte Stars in Krisengebiete reisen, um auf die Missstände (und sich) aufmerksam zu machen, ist nichts Neues. Sean Penn jettete in die Ukraine, wo er sich mit Präsident Selenskyj traf. Iron-Maiden-Sänger Bruce Dickinson, der eine Pilotenlizenz hat, flog publikumswirksam britische Soldaten aus Afghanistan heraus.

Doch Amedi wollte hinter die Frontlinien. Ein Jahr lang, schrieb er auf Instagram, werde er nicht mehr im Showbusiness zu sehen sein. Er müsse nun kämpfen. In einem weiteren Clip zeigt er, inzwischen im Gazastreifen, wie er vor der Sprengung eines Ziels einen Countdown vornimmt und das Video den Opfern des 7. Oktober und zwei gefallenen Kameraden widmet.

Geschickte Propaganda oder ehrlicher Patriotismus? In den sozialen Medien, wo der Krieg Menschen auf der ganzen Welt polarisiert, gehen die Meinungen natürlich auch im Fall Amedi auseinander. 20’000 toten Bewohnern Gazas, lautet ein oft geäusserter Vergleich, stehen 170 tote israelische Soldaten gegenüber. Wieso sollte man da einen verletzten Schauspieler feiern?

Inzwischen ist bekannt, was Amedis Einheit widerfuhr. Ein israelischer Panzer beschoss ein Gebäude, wobei ein Strommast auf den Truck mit dem Sprengstoff kippte, wodurch die tödliche Explosion ausgelöst wurde.

Israel, so kann der Vorfall interpretiert werden, kann sich nicht auf die überwältigende militärischen Überlegenheit verlassen – auch nicht auf den «sauberen» Krieg mit Drohnen. Getäuscht von der Illusion eines Krieges ohne israelische Tote, hat sich das Land hinter einer Armee von Sensoren versteckt. So zumindest lautet die Kritik, die «Fauda» äussert, indem die Serie ihre Protagonisten in Häuserkämpfe und Undercover-Einsätze schickt.

Dass dafür nun ausgerechnet Idan Amedi als reales Beispiel dient, ist bittere Ironie. Einen Unterschied zu den fiktiven Geschehnissen in «Fauda» gibt es immerhin: Während in der Serie pro Staffel eine Hauptfigur ums Leben kommt, ist Amedis Zustand laut israelischen Medienberichten stabil.

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