Trotz Schelte vom ukrainischen Botschafter: Die Berliner Zeitung schreibt nicht, was Politiker und Diplomaten wünschen

trotz schelte vom ukrainischen botschafter: die berliner zeitung schreibt nicht, was politiker und diplomaten wünschen

Der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew

Das Problem bei Auseinandersetzungen auf X-Niveau ist die geistige Flughöhe. Wo anonyme Trolle die Standards setzen, halten nur Tiefflieger mit. Mit anderen Worten: Wer auf X, vormals Twitter, angreift, verliert die intellektuelle Satisfaktionsfähigkeit. Dito übrigens, wer sich auf X verteidigt.

Dass inzwischen Diplomaten, auch deutsche, die Schlammschlacht in den sozialen Medien nicht scheuen, sagt mehr über den Berufsstand aus, als ihm lieb sein dürfte. Auch der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksij Makejew, verbringt viel Zeit damit, der Welt per X seine Meinung kundzutun. Damit es nach mehr aussieht als Meinung, fügt er zuweilen den Hashtag #AmoralischerKompass bei – vielleicht hat ihm jemand gesteckt, Deutsche fürchteten nichts so sehr wie den Vorwurf der Amoral.

Aber Kompass? Gibt es moralische Himmelsrichtungen? Sei’s drum. Im Vormonat hat der Botschafter, schön unter besagtem Hashtag, die Berliner Zeitung mit einer ganzen Barrage an X-Tweets attackiert. Ich frage mich: Was fasziniert Menschen, dazu noch Diplomaten, akademisch gebildet und vielleicht aus gutem Hause, am Medium der Trolle und Bots?

Andererseits – jeder Attacke liegt ein Grund zugrunde, ein Groll, und Grolle soll man ernst nehmen. Ausgelöst hat des Botschafters Groll, dass eine deutsche Tageszeitung, genauer gesagt eine Berliner Tageszeitung – DIE Berliner Zeitung – die Themen Russland und Ukraine und den russischen Krieg in der Ukraine redaktionell nicht so behandelt, wie der Botschafter es gern hätte. Auf norddeutsch geht es ihm wie dem armen Fischer: „Myne Fru de Ilsebill, will nich so, as ik wol will!“ Und guter Rat ist teuer. Jeder Anwalt winkt ab, selbst das Bundesverfassungsgericht. Deren Botschaft ist eindeutig: Man darf auf deutschem Boden anders denken. Auch anders reden, anders schreiben, anders drucken.

Wir wissen nicht, wem der Botschafter seinen Ärger verraten hat: Presserat, Außenministerium, Kanzleramt, Verfassungsschutz? Mehr als Achselzucken wird nicht gewesen sein. Auch wenn wir nicht wirklich wissen, wie man dort über die Berliner Zeitung denkt. Schließlich haben wir uns den Respekt vor dem Gouvernementalen einigermaßen abgewöhnt. Vielleicht gab es bis 1989 auch zu viel davon, und wir wollen ja aus der Vergangenheit lernen. Die Berliner Zeitung, da hat der Botschafter korrekt nachgeschlagen, wurde 1945 wirklich als „Organ des Kommandos der Roten Armee“ gegründet. Davon ist nach sieben Eigentümerwechseln nichts geblieben – nur die Lokalität, der deutsche Osten. Und ein Näheverhältnis auf Gegenseitigkeit zur dortigen Leserschaft.

Natürlich verurteilt die Berliner Zeitung den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. So wie sie jeden völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verurteilt. Ohne wenn und aber. Dennoch muss darüber diskutiert werden, welche Lösungen und welche Szenarien vorstellbar sind. Und diese Diskussion findet statt. In der Berliner Zeitung.

Was der Botschafter nicht zu wissen scheint: Die Redakteurinnen und Redakteure, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berliner Zeitung schreiben nicht für die Politiker. Nicht für das diplomatische Corps. Auch nicht für die Kollegen Journalisten. Sie schreiben für ihre Leserinnen und Leser. Ihnen ist wichtig, was die Leser denken. Nicht die Politiker oder Diplomaten.

Als Beispiel eine Forsa-Umfrage aus dem März: 46 Prozent aller Deutschen sagen, die Ukraine solle verhandeln, auch wenn Russland noch weite Teile ihres Territoriums besetzt hält. In den neuen Bundesländern sind sogar 59 Prozent dieser Meinung. Das ist noch nicht alles. Mehr als die Hälfte der Deutschen hat konkrete Angst vor einem großen Krieg, unter der jüngeren Generation noch mehr. 39 Prozent legen bereits Lebensmittelvorräte an.

Das mag dem Botschafter nicht schmecken, warum sollte es. Aber indem er die Zeitung diffamiert, die solche Sorgen ernst nimmt, diffamiert er die Menschen, die sie im Herzen tragen. Und von Diffamierung darf die Rede sein. So schreibt der Botschafter auf X von Moskauhörigkeit, von unkritischer Berichterstattung, von Mitarbeitern, bei denen man „kaum von Journalismus sprechen“ könne. Andere werden als der „gesamte Ostausschuss der deutschen Angsttreiber“ runtergemacht. Verglichen damit ist die Botschafterfrage „Ist @berlinerzeitung das neue Radio Moskau?“ von geradezu kreativer Eleganz.

Wir werden nicht zusammenfinden; der Botschafter wünscht sich diese Zeitung anders, als sie ist. Das ist nachvollziehbar. Er braucht weder Frieden noch Verhandlungen. Er braucht Waffen. Die heranzuschaffen ist sein Job, dafür wird er bezahlt. Daran ist auch nichts verkehrt; er vertritt ein kriegführendes Land.

Nur hat die Berliner Zeitung auch einen Job. Deutschland führt nämlich keinen Krieg, und die Leser wollen, dass es so bleibt. Die Leser (die allermeisten) wollen auch nicht, dass der Krieg in Osteuropa noch Jahre weitergeht. Sie wollen weder Inflation noch Weltenbrand und auch keinen neuen Eisernen Vorhang mitten durch Europa.

Schon die X-Reaktion auf seine geballten Diffamierungen hat dem Botschafter gezeigt: Auch im Medium der Trolle und Bots hängt ihm nur eine Minderheit an. Das gilt erst recht unter unseren Lesern. In ihrer ersten Reaktion hat die Berliner Zeitung schon deutlich gemacht, worauf es ankommt: Pressefreiheit. Die ist wegen der paar Botschafter-Tweets nicht in Gefahr; es ist jedoch empfehlenswert, immer wieder daran zu erinnern – auch angesichts der gar nicht so klammheimlichen medialen Sympathie, die jeden begleitet, Botschafter und andere, der dissidente Stimmen aus dem deutschen Osten schmäht.

Mit der Perspektive, den Nuancen, der Gewichtung und dem journalistischen Selbstverständnis der Berliner Zeitung muss der Botschafter also leben. Auch die Zeitung muss mit einem Botschafter leben, der sie gern anders hätte, als sie ist. Mit seiner Meinung auch, und das ist gut so. Deutschland ist ein freies Land. Und wenn die ukrainische Regierung wirklich der Ansicht ist, mit Verbalinjurien ihrer Diplomaten könne sie im Ausland punkten – bitte sehr. Sie sollte allerdings bedenken: Ehrabschneidungen auf sozialen Medien haben eine extrem kurze Halbwertzeit; nur der üble Nachgeschmack bleibt lange haften.

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