Walter Röhrl im Gruppe-B Audi S1 E2 Quattro (1986): Mit Röhrl im S1 auf der Monte

Kommt die gute Rallye-Fee und sagt: Du hast drei Wünsche frei. Mal die Nacht der langen Messer fahren, mit ’nem Quattro, am besten mit dem Röhrl am Steuer. Total unrealistischer Quatsch, sagt ihr, aber genau so ist es passiert.

walter röhrl im gruppe-b audi s1 e2 quattro (1986): mit röhrl im s1 auf der monte

Walter Röhrl Audi Quattro S1 E2 (1986) Histo Monte (2024) Zuschauer

Das Monster schlängelt sich wütend durch die Straßen von Cannes. Es ist halb acht am Morgen, jetzt wäre Sonnenaufgang, aber es ist finstre Nacht. Ein triefendes Tief hängt über Westeuropa, der Regen fällt wahlweise in feinen Tropfen, mal in dünnen Schnüren. “Ich geb euch noch ’nen Lappen mit”, hat der Audi-Techniker gesagt. “Diese Gruppe-B-Dinger sind ja nie ganz dicht.” Na, das passt ja irgendwie gut zur Besatzung: Walter Röhrl, der die Rallye Monte Carlo vier Mal gewann und mit Reporter Markus Stier als Beifahrer die finale Etappe der 24. Histo Monte fährt – durch die berühmte Schlucht von Aiglun.

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Der 5-Zylinder schreit, der Turbo faucht

Raaatsch, schrammt das Unterbodenblech über eine der unzähligen Bremsschwellen, den Zeitverlust auf dem schlafenden Polizisten gleicht der Pilot umgehend mit einem heftigen Gasstoß aus, ist ja schließlich eine Gleichmäßigkeits-Rallye, diese Histo-Monte. Der Fünfzylinder schreit zornig auf, die Rechte klemmt den dritten Gang rein, dann den vierten. Das Biest ist gerade in Schwung, da kommt schon die nächste Schwelle. Eben noch faucht der Turbo, jetzt zwitschert das Abblasventil. Rumms, knallt es aus dem Auspuff, als ob ein Choleriker mit Schaum vorm Mund den Kofferraumdeckel zuhaut. Es ist Samstag, Cannes hätte ausschlafen können, aber Cannes ist jetzt wach.

Der Gasfuß ist der eines spätpubertären Lümmels, aber das am Steuer sind Dürer-Hände, lang und sehnig, mit Falten, dünner Haut und dicken Venen, sie halten das Lenkrad so behutsam wie Omis teures Porzellan. “Die haben mir den Ladedruck runtergedreht”, knurrt es unwirsch von links. 1,3 statt 1,8 bar, macht unterm Strich eher 420 PS statt 530. Früher ging’s im Quattro erst bei 6.000 Touren richtig los, geschaltet wurde bei 8.600, jetzt pappt ein fettes rotes Dreieck auf dem Drehzahlmesser, das mahnend auf 7.600 zeigt. Das Umluftsystem, mit dem sich das Turboloch zuschütten ließe, ist auch nicht eingeschaltet.

Übersetzung bis 211 km/h

Was soll’s? Bei dem Wetter, was soll da schon groß gehen? “Wir machen keinen Blödsinn”, hat der Walter Röhrl gesagt. Aber das war, bevor er die erste ordentliche Gerade erspäht. Ratzfatz sind alle Zahnräder bis zur sechsten Welle durchgeladen. Bis rund 230 Sachen war die Rakete früher übersetzt, aber wir haben das kurze Getriebe, da geht’s nur bis 211.

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Natürlich wäre es stilechter gewesen, den langen Quattro hinzustellen, ist ja gerade exakt 40 Jahre her, dass sich Audi mit Röhrl an der Spitze für die trockenen, dürren Anfangs-Jahre bei der bedeutendsten Rallye der Welt mit einem Dreifach-Triumph rächte, mit einem Vorsprung, der für vier Monte-Siege gereicht hätte, und schließlich war es doch der lange Ur-Quattro, der den Stier in der Pubertät mit dem Rallye-Virus infizierte. Das wächst sich aus, dachte die Mama, sie irrte. Damals, als vielleicht drei Mal im Jahr was in der Sport-Reportage kam, stand der Mono-Kassettenrekorder vor dem Röhrenfernseher. Die paar Sekunden, wo mal ungefilterter Quattro-Sound ohne Reporter-Gerede zu hören war, wurden durchgehört und zurückgespult, bis der Arzt kam.

Und jetzt sitzt du mitten drin im Getöse und willst dich kneifen, aber du hast die Hände zum Gebet gefaltet, um dem Herrgott, dem Göbel von der Histo-Monte und dem Witt von der Audi Tradition zu danken. Vom Jubiläumsjahr ’84 steht nur noch der Quattro A2 vom Röhrl-Rivalen Blomqvist im Museum, dann muss man halt dummerweise mit der letzten Eskalationsstufe S1 E2 von 1986 vorliebnehmen, mit Flossen, Seitenkästen und allem Gedöns. Und einem kleinen schwarzen Hebelchen über dem Kardantunnel.

Im Getöse melden die Ohren irgendeinen Satzfetzen mit “Handbremse”. Die war im langen Quattro mit seinem starren Durchtrieb immer sinnlos, aber der Kurze hatte ja am Ende ein Torsendifferenzial. Vor der nächsten Kehre bremst der Röhrl nicht, sondern gibt noch mal Gas und reißt am Stock. Zack, kommt die Fuhre rum, und drinnen freuen sich zwei wie Lausbuben, die unbeobachtet von Nachbars Kirschbaum geklaut haben.

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Das Linksbremsen, das der bis dahin immer heckgeschleuderte Doppelweltmeister zum Allradwuchten lernen musste, hat er immer noch drauf. Röhrl hält auf die engen Biegungen der Schlucht von Aiglun zu, Stier stemmt die Füße aufs Stützblech. Gleich geht’s über die lange Schnauze dahin. Aber erstens bringt Röhrl mit feinem Füßchen die Hinterachse zum Mitlenken, zweitens hat sich der Vorderwagen in der Fahrbahn verhakt wie ein Slot-Renner auf der Carrerabahn. Anfangs waren wir beide ein bisschen enttäuscht. “Sind nur Serien- Winterreifen”, stöhnte der Röhrl. Die schmalen Dinger sehen unter dem dicken Koffer einfach nicht aus, dachte der Stier. Beide träumten wir von extraweichen Rennwalzen mit handgeschnitztem Profil. Jetzt staunt Röhrl doch noch: “Diese Reifen sind unglaublich.”

Nach der bösen Klatsche mit dem gewöhnlichen “Kurzen” Anfang 1985 hatten die Audianer Anfang 1986 beim Sport Quattro ihre Hausaufgaben gemacht. Das Fahrwerk war aussortiert, ab 100 km/h half die Aerodynamik, der Motor war elastischer, das Ansprechverhalten nicht mehr so brutal digital wie in den frühen Jahren. Anfängliche Motorprobleme und eine falsche Reifenwahl warfen ihn zunächst zurück, am Ende kosteten zwei Plattfüße die letzte Chance auf den Sieg, aber Röhrl ist noch heute überzeugt: “Wir hätten die 86er-Monte gewinnen können.”

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Hier geht nix? Denkste!

Es ist Blödsinn zu behaupten, ein 76-Jähriger hätte nichts eingebüßt gegenüber seinem 36-jährigen Alter Ego, aber der Typ, der da gerade in den einspurigen Felsentunnel sticht, ist ganz sicher kein alter Mann. Durch die berühmte Schlucht von Aiglun mit der Steinbrücke zwischen zwei grob gehauenen Tunneln und der geschlängelten Passage mit überhängendem Fels auf der einen und gähnendem Abgrund auf der anderen Seite ist der Stier bestimmt dreißig Mal im Leben mit allem Möglichen rauf- und runtergefahren, von der schmalen Reise-Enduro bis zum Siebenmeter-Wohnmobil. Das ist so eng, da kannst du auch mit einer Rallye-Rakete nichts anstellen, da rollst du nur so durch.

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Denkste. Der Röhrl schießt auf die Felswand zu wie ein fest entschlossener Selbstmörder, zieht aber die fette Schnauze immer rechtzeitig zur Seite, sodass wieder offene Straße und eine Zukunft sichtbar werden. Der in seiner ungeraden Zylinderzahl akustisch so unharmonische und gerade deshalb geilste Rennmotor aller Zeiten schreit bei jedem Gasstoß: “Wuuut! Wuuut! Wuuut!” Wie hat Röhrl bei der ersten Zündung des Ungeheuers gesagt: “Wichtig ist, dass es laut ist.”

In der letzten Rechts am Ausgang des Nadelöhrs ist die rechte vordere Quattro-Ecke eigentlich schon Geschichte, aber irgendwie zieht sich in der letzten Zehntelsekunde die Mauer ehrfürchtig ein Stückchen zurück. Der Quattro-Hintern rutscht sanft zur Seite, und schon stürmt das Ding den Berg hinauf. Röhrl schwärmt: “Das ist der bestvorbereitete Quattro, den sie mir je hingestellt haben. Motor, Bremse, Getriebe, alles ein Gedicht. Ich freu mich wie ein kleines Kind.”

Dieses Kind wird demnächst 77 Jahre alt.

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