Apple stellt nach zehn Jahren Arbeit sein Auto-Projekt ein. Diese Meldung ist viel größer, als es im ersten Moment scheint. Dahinter steht ein schwerwiegendes Eingeständnis der Tech-Giganten, eine richtig gute Nachricht für die deutschen Hersteller – und eine schlechte für Tesla.
Das Apple Car ist gescheitert und somit wird sich das Geschäftsmodell der Branche vorerst nicht ändern, meint WELT-Autor Daniel Zwick Getty Images/Andriy Onufriyenko/Moment RF; Martin U.K. Lengemann/WELT
Zehn Jahre lang geisterte ein Phantom durch die globale Autoindustrie: das Apple Car. Der Technologieriese aus Kalifornien hatte Mitarbeiter aus der ganzen Branche in seinem „Geheimprojekt“ Titan zusammengezogen – hochqualifizierte, erfahrene Leute von anderen Autoherstellern, angelockt mit fantastischen Gehältern. Immer wieder drangen Spekulationen über das Produkt nach draußen, dass diese Leute angeblich entwickeln sollten. Jedes Mal sorgten sie für Schockwellen in der Industrie – und für Zweifel daran, ob die etablierten Autohersteller den Sprung in die Technologiewelt der Zukunft schaffen werden.
Zumindest in den öffentlichen Erzählungen, dem ganzen Rumoren darum, sollte das Apple Car eine Revolution des Autos und der Mobilität mit sich bringen. Seit Jahren testete der Konzern autonomes Fahren auf den Straßen von Kalifornien.
Es sollte natürlich ein von der Software definiertes Produkt werden, so wie ein iPhone, und womöglich ganz neue Formen von Mobilität ermöglichen. Diese Revolution hat Apple nun abgesagt. Laut Berichten von US-Medien wird das Projekt gestoppt. Nach zehn Jahren Forschung und Entwicklung, Investitionen in Milliardenhöhe ist klar: Apple bringt kein Auto auf den Markt.
Das ist eine gute Nachricht für die etablierten Autohersteller wie BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen. Für Tesla ist es eine schlechte. Denn Apples Rückzug zeigt, dass Revolutionen in der Autoindustrie nicht möglich sind. Selbst nicht mit schier unendlichen finanziellen Mitteln und noch so großem Know-how. Die Technologie in der Branche entwickelt sich evolutionär, in jahrelangen Produktzyklen werden die Fahrzeuge immer besser.
Inzwischen geht das etwas schneller als früher, weil die Ingenieure in China länger arbeiten. Es dauert aber trotzdem noch viele Monate, ein neues Auto zu konstruieren. Und niemand schafft es ganz allein. Immer sind Zulieferer beteiligt, mitunter auch Auftragsfertiger – der iPhone-Hersteller Foxconn versucht seit Jahren, zum Autoproduzenten zu werden. Kein Auto entsteht unabhängig von diesem „Ökosystem“ der Industrie.
Wichtiger aber ist die unternehmerische Erkenntnis aus dem Apple-Rückzug: Das Geschäftsmodell der Autokonzerne wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern. Darauf zielte der Technologieriese sicher genauso ab, wie auf einen Technologiesprung. Die Mindestanforderungen für ein Apple-Produkt lassen sich von iPhone ablesen: Es muss aus Nutzersicht einfacher und intuitiver zu bedienen sein als die Produkte der Konkurrenz, besser aussehen. Und die Kunden müssen bereit sind, weit mehr dafür zu bezahlen.
Die Bruttomarge von Apple liegt derzeit bei 45 Prozent. So viel Geld verdient nicht einmal der Luxus-Sportwagenhersteller Ferrari. Die Marke Mercedes-Benz oder der Massenhersteller Stellantis (Fiat, Peugeot, Opel) kamen im vergangenen Jahr auf knapp über zwölf Prozent – und schneiden damit im Branchenvergleich sehr gut ab.
Damit ein Apple-Auto auf eine Apple-Gewinnmarge kommt, hätte es entweder sehr viel teurer verkauft oder zu extrem niedrigen Kosten produziert werden müssen. Oder der Konzern hätte ein anderes Vertriebsmodell erfinden müssen, ein Abo zum Beispiel. Das allerdings gibt es auch schon – und es wirft keine Traumgewinne ab. Schlussfolgerung: Es wird keine wirtschaftliche Neudefinition des Automarkts geben. Auch dann nicht, wenn die Autos intelligent und autonom unterwegs sein werden – was offensichtlich viel weiter in der Zukunft liegt, als bisher gedacht.
Für Tesla sind das schlechte Aussichten
Für Tesla sind das schlechte Aussichten. Dass Elon Musk die Regeln der Industrie außer Kraft setzen und die globalen Automärkte aus den Angeln heben wird, ist nach dem Apple-Exit noch unwahrscheinlicher geworden als zuvor. Der Unternehmenschef stellt sich zwar gern als Revolutionär dar. In Wirklichkeit führt er aber einen Autokonzern, der sich vor allem in Details von den anderen absetzt. So wie Apple arbeitet Tesla seit vielen Jahren am autonomen Fahren – und andere machen das auch. Auch wenn Musk etwas schneller sein sollte als die Konkurrenz – weil er höhere Risiken eingeht – wird der Technologievorsprung nie so groß werden, dass Tesla den ganzen Markt für sich abräumen kann.
Die Kunst eines Autoherstellers besteht in der Integration von neuen und bekannten Technologien in einem Fahrzeug. Aus vielen kleinen Teilen wird ein mehr oder weniger stimmiges Produkt. Das ist die gleiche Logik, nach der auch Apple funktioniert – verbunden mit dem Versprechen, das dieses Produkt aus Sicht des Kunden besser ist als andere. Im Automarkt, so scheint es, sieht sich Apple nicht in der Lage, die bestehenden Unternehmen in dieser Disziplin zu schlagen.
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