Was die Schweiz besser macht als Deutschland

Die Schweizer Wirtschaft wächst weiter, während Deutschlands BIP geschrumpft ist. Das liegt vor allem an der Binnennachfrage, aber nicht nur.

Deutschland und die Schweiz sind sich in vielen Dingen sehr ähnlich. Pünktlichkeit, Fleiss und Ordnung sind ebenso deutsche wie auch schweizerische Tugenden. Auch die Sparsamkeit ist in beiden Ländern kulturell tief verankert. Deshalb ist die Sparquote überdurchschnittlich hoch, was die Zinsen tendenziell nach unten drückt.

Beides sind Exportnationen mit einer starken Industrie. Sie importieren viel weniger, als sie ausführen. Es verbindet sie deswegen auch ein chronischer Handelsüberschuss und ein ständiger Kapitalexport. Und beide Länder erlebten nach der Finanzkrise 2008/2009 einen langen Aufschwung.

Deutschland verliert den Anschluss

Doch seit Corona öffnet sich die Schere. Deutschland fällt zurück, die Schweiz schwingt obenaus. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das:

Die deutsche Wirtschaft ist letztes Jahr 0,3 Prozent geschrumpft. Das Schweizer BIP ist hingegen weitergewachsen, um 1,3 Prozent, wie das Seco am Donnerstag mitteilte. Auch die beiden Jahre davor hat die Schweiz Deutschland beim Wachstum abgehängt, sowohl absolut als auch pro Kopf.

 

Seit Ende 2018 ist die Schweizer Wirtschaft real 8 Prozent gewachsen, Deutschland indes hat sich kaum von der Stelle bewegt. Das britische Magazin «The Economist» spricht bereits wieder vom kranken Mann Europas wie vor zwanzig Jahren, als Deutschland unter tiefer Produktivität und hoher Arbeitslosigkeit litt.

Was sind die Gründe für diese unterschiedliche Entwicklung? Und wie lange kann die Schweizer Wirtschaft dem Abwärtssog im Nachbarland standhalten?

Rettende Pharmaexporte in die USA

Fakt ist, auch die Schweizer Exportindustrie leidet unter der Flaute der globalen Güternachfrage. Doch insgesamt zeigt sie sich resilienter als die deutsche: Das liegt laut ETH-Professor Hans Gersbach vor allem an der Diversifikation der Exportmärkte. «Solange sich wichtige Märkte wie zum Beispiel in Asien oder den USA relativ gut entwickeln, können die Schwächen in anderen Regionen, wie jetzt in Deutschland und anderen europäischen Ländern, kompensiert werden», sagt der Co-Direktor der Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF).

Daten der Zollverwaltung zeigen, dass vor allem die Ausfuhren in die USA nach der Pandemie stark zugenommen haben, während die Exporte nach Deutschland unter Vor-Corona-Niveau sind. Fast zwei Drittel der US-Exporte fallen auf chemische und pharmazeutische Produkte, sprich Medikamente.

Das zweite, das in den Details der BIP-Statistik auffällt, ist der Unterschied in der Binnennachfrage.

«In Deutschland ist auch der Binnenkonsum schwach, im Gegensatz zur Schweiz», sagt Ralf Bopp, Direktor der Handelskammer Deutschland-Schweiz.

Stabilere Binnennachfrage in der Schweiz

In der Schweiz ist der private Konsum letztes Jahr real 2 Prozent gewachsen. In Deutschland hingegen sind die Konsumausgaben 1,1 Prozent gesunken und liegen weiterhin unter Vor-Corona-Niveau: «Obwohl die Löhne steigen und die Inflation zurückgeht, sind die Konsumenten wegen der anhaltenden Unsicherheit zurückhaltend», sagt Bopp.

Ein ähnliches Bild zeigt sich im Staatskonsum. Dieser ist in der Schweiz leicht gestiegen, in Deutschland ist er aber wegen des Wegfalls staatlicher Zahlungen für Corona-Massnahmen zum ersten Mal seit fast zwanzig Jahren real gesunken.

Weniger Inflation und ein kleinerer Zinsschock

Für die relative Stärke des Schweizer Privatkonsums gibt es mehrere Erklärungen: Zum einen die Kaufkraft, die vergleichsweise stabil geblieben ist, weil die Inflation bei Weitem nicht so hoch war wie in der Euro-Zone. Maximal 3,5 Prozent betrug sie zu Spitzenzeiten 2022, nicht 10 Prozent wie in Deutschland.

Das wiederum hatte zur Folge, dass auch die Zinsen nicht so stark gestiegen sind wie in der Euro-Zone. Die SNB hat den Leitzins um insgesamt 2,5 Prozentpunkte auf 1,75 Prozent gehoben, die EZB den massgeblichen Einlagesatz um 4,5 Prozentpunkte auf 4 Prozent.

Das ist vor allem für die beiden Immobilienmärkte ein entscheidender Faktor. Der doppelt so hohe Zinsanstieg ist mit ein Grund, weshalb die Immobilienpreise in Deutschland stark korrigiert haben. Eine neue Hypothek kostet auf einmal 20’000 statt 5’000 Euro an Zinsen. Potenzielle Käuferinnen und Käufer ziehen sich zurück. Seit der Spitze 2022 sind die Immobilienpreise landesweit 10 Prozent gesunken.

 

In der Schweiz hingegen ist der Zinseffekt weniger stark und die anhaltend wachsende Bevölkerung sorgt für eine stabile Nachfrage. Nach einer kurzen Stagnation im Jahr 2022 steigen deshalb die Preise für Wohneigentum wieder.

Die Zuwanderung und das Bevölkerungswachstum sind eine Stütze für den Schweizer Immobilienmarkt, darin sind sich Expertinnen und Experten einig. Sie fehlt in Deutschland oder ist nur sehr klein. Mit einer Zuwanderung von 700’000 Personen im vergangenen Jahr ist die Netto-Migration prozentual zur Bevölkerung von 84 Millionen zwar fast mit jener der Schweiz vergleichbar, wo bei knapp 9 Millionen Einwohnern 100’000 Personen zugewandert sind. Wegen des Geburtendefizits von 300’000 ist die Bevölkerung mit 0,3 Prozent jedoch weniger gewachsen als in der Schweiz, wo mehr Kinder geboren werden als Menschen sterben.

Am Immobilienmarkt hängt das Wohlergehen der Banken und damit der gesamten Volkswirtschaft. Hypotheken sind mit Abstand die wichtigsten Aktiva der Schweizer Banken. Sie belaufen sich auf insgesamt 1200 Milliarden Franken – bei einem BIP von rund 800 Milliarden.

 

Es rumort bei den Geschäftsimmobilien

Die Schweiz erlebte ihren Gau letztes Jahr mit dem Untergang der Credit Suisse. Die deutschen Banken dagegen sonnten sich im attraktiven Zinsumfeld und machten Rekordgewinne.

Auch in Deutschland gibt es Problemfälle, etwa die Deutsche Pfandbriefbank, die wegen ihrer Finanzierung von Geschäftsimmobilien in den USA ins Visier von Hedgefunds und Shortseller geraten ist.

Doch für die grosse Mehrheit ist der lokale Immobilienmarkt das grössere Risiko. Die Trendumkehr nach dem langjährigen Boom könnte bei den deutschen Banken grössere Rückstellungen und Wertberichtigungen zur Folge haben, vor allem bei den Krediten für Geschäftsimmobilien. Noch ist die Quote der notleidenden Kredite in diesem Bereich sehr niedrig, doch das könnte auch mit der im internationalen Vergleich konservativen Bewertungspraxis zu tun haben, auf den Expertinnen und Experten in einem Bloomberg-Artikel hinweisen. Im Ergebnis würden dadurch Preisschwankungen geglättet.

Auch die Finanzmarktaufsicht Bafin weist auf die Risiken hin. Sie sieht darin aber keine Gefährdung der Solvenz, sondern nur ein Problem für die Gewinne. Die höheren Zinsen führten schliesslich nicht nur zu Abwertungen bei den Gewerbeimmobilien, sondern sie hätten den Banken auch Gewinne beschert, die helfen sollten, Verluste aufzufangen, heisst es in einer Stellungnahme auf Bloomberg.

Wie gut das deutsche Bankensystem die Verluste bei den Gewerbeimmobilien absorbieren kann, ist schwer abzuschätzen. Doch die Unsicherheit ist gross, schlägt auf die Stimmung und bremst die Baukonjunktur.

 

Schweiz mit den besseren Rahmenbedingungen

Daneben gibt es auch noch strukturell Faktoren, die zwar nicht unmittelbar für die Konjunktur entscheidend sind, aber die langfristigen Wachstumstrends beeinflussen – und die Schweiz besser aussehen lassen.

Die Unternehmenssteuern sind tiefer und viele Prozesse laufen unbürokratischer als in Deutschland. Zudem hat Deutschland die Infrastruktur vernachlässigt, das zeigt sich auch beim Rückstand in der Digitalisierung. Auf der Rangliste der digitalen Konkurrenzfähigkeit der Lausanner Wirtschaftshochschule IMD liegt Deutschland auf Platz 23, die Schweiz auf Platz 5.

Zu den Rahmenbedingungen gehört auch der Wechselkurs. Da leidet die Schweizer Industrie derzeit unter dem starken Franken, langfristig aber spornt er sie zu mehr Innovation und besserer Diversifikation der Absatzmärkte an.

Licht am Ende des Tunnels?

Ohne eine starke deutsche Wirtschaft kann aber auch die Schweiz nicht richtig florieren und muss sich mit weniger Wachstum zufriedengeben. Eine Besserung ist nicht in Sicht: Im Januar ist der Industrie-Einkaufsmanagerindex, einer der wichtigsten Frühindikatoren, auf 42,3 Punkte abgestürzt, gegen den Trend in anderen EU-Ländern und nachdem er in den drei Monaten zu einer Erholung angesetzt hatte. Werte unter 50 signalisieren eine schrumpfende Produktion.

In der Schweiz liegt der PMI des verarbeitenden Gewerbes mit 43,1 Punkten ebenfalls unter der Wachstumsschwelle. Die Prognosen gehen daher für das laufende Jahr von unterdurchschnittlichem BIP-Wachstum zwischen 1,2 und 1,4 Prozent aus. Denn von Deutschland sind noch keine Impulse zu erwarten, die Zeichen stehen auf Stagnation.

«Die Situation ist sehr schwer für die deutsche Wirtschaft, angesichts der Schwäche Chinas, den bremsenden Zinsen und den anhaltend hohen Energie- und Rohstoffpreisen», sagt Bopp.

Trotz Normalisierung der Gaspreise bezahlen die Deutschen immer noch viel mehr für Strom als andere Industrieländer.

Gemäss einer Erhebung des Vergleichsportals Verivox beträgt der Strompreis beim günstigsten Anbieter 25,6 Cent pro Kilowattstunde. In den USA kostet Elektrizität weniger als halb so viel. Ein typischer Schweizer Haushalt bezahlt 32,14 Rappen pro Kilowattstunde. Gemessen an der Kaufkraft ist der Strom demnach auch hierzulande billiger als in Deutschland.

Es ist ein weiterer Pluspunkt für die Schweizer Wirtschaft im Vergleich zum grossen Nachbarn.

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