Uraufführung an der Volksbühne Frankfurt: Allein unter Freunden

uraufführung an der volksbühne frankfurt: allein unter freunden

Haben Grund zu lachen: Chris und Dolores

Es beginnt mit einem Missverständnis. So nimmt nicht nur die Freundschaft der vier Protagonisten in „Der Fleck“ ihren Anfang, sondern auch das Theaterstück selbst, das als Uraufführung an der Volksbühne im Großen Hirschgraben zu sehen ist. Denn Publikum, das macht die von Andreas Wellano gespielte Hauptfigur Bernd gleich klar, hatten er und seine drei Freunde zu diesem Treffen im Theater, dieser „Aussprache unter Freunden“, wie es bereits im Untertitel heißt, eigentlich nicht erwartet. Bernd, der fast 70 Jahre alte pensionierte Lehrer, der wegen des Personalmangels und seiner Frau zuliebe weiter an einer Schule unterrichtet, hatte seine Frau Ann (Susanne Schäfer) sowie das befreundete Pärchen Dolores (Randi Rettel) und Chris (Sam Michelson) zu diesem Gespräch eingeladen.

Es sollte eine intime Unterredung werden, um Themen anzusprechen, die aus seiner Sicht zu lange ungesagt blieben. Als Treffpunkt dient der Vorführungssaal eines Theaters, dessen Leiter habe ihnen garantiert, dass an diesem Abend spielfrei und der Raum leer sei. Dem ist natürlich nicht so – und die Zuschauer amüsieren sich sehr, wie ein Protagonist nach dem anderen auf die Bühne kommt und über die vermeintlich überraschende Anwesenheit von Publikum staunt. Doch zunächst sitzt Wellano minutenlang allein auf einem Stuhl und erzählt den Zuschauern im ausverkaufen Cantate-Saal von den Anfängen dieser Freundschaft, von dem kuriosen ersten Treffen der vier an einem Gepäckband im Flughafen, als Dolores und Ann vor vielen Jahren ihre mintgrünen Koffer vertauschten. Von der chaotischen Unbeschwertheit dieser Tage ist nun nicht mehr viel übrig. Bernd und Anns Ehe scheint von Missverständnissen geprägt, Chris wiederum möchte Künstlerin Dolores groß herausbringen, empfiehlt dafür schon mal einen Besuch beim Schönheitschirurgen und ist ansonsten sehr viel mit seinem Mobiltelefon beschäftigt. Überhaupt schaut er lieber auf den Bildschirm seines Handys als in die Gesichter seiner Mitmenschen. „Wenn es eigentlich nichts mehr zu sagen gibt, habe ich noch etwas zu sagen“, sagt Bernd, der das Treffen vorschlug, „weil viel zusammengekommen ist“: Schwermut, zwischenmenschliche Differenzen, seine Zahnbürste in Dolores’ Badezimmer. Schließlich die Pistole, die er einem Schüler abgekauft hat und nun bei sich trägt. Was mit ihr geschehen soll, weiß er nicht.

In dem knapp 80 Minuten langen Theaterstück von Philipp Mosetter, inszeniert von Michael Quast als Regisseur, wird viel gestritten und noch mehr missverstanden. Da hilft es wenig, dass Studienrätin Ann ihren Freunden Zettel mit Grundregeln für Konflikte zusteckt, mitgebracht aus einem Seminar für Lehrer. Dennoch regen sich die Figuren lieber auf als einander zuzuhören – und bleiben recht unfähig, wahrhaftig miteinander zu sprechen. Häufig wirken sie so uneins, dass man sich fragt, wie diese vier jemals Freunde werden konnten. Ihre Distanz zueinander ist auch räumlich zu sehen. Auf der Bühne, die nur mit zwei Stühlen, einem Hocker und einem Eimer ausgestattet ist, halten die Darsteller oft Abstand zu ihren Spielpartnern, agieren selten wirklich miteinander. Ein Schuss, abgefeuert aus Bernds Waffe, sorgt schließlich für eine überraschende Wendung. Denn vieles in dieser teils mit bitterbösem Humor ausgestatteten Komödie ist nicht, wie es zunächst scheint. Überraschende Einfälle im Plot wechseln sich mit pointierten Dialogen und Wortwitz ab. Was eben noch Realität schien, wird im nächsten Moment als Fiktion entlarvt. Zum Running Gag entwickelt sich die Frage, ob es erlaubt ist, im Saal zu rauchen. Um die Antwort schert sich Dolores allerdings nicht – durchaus zum Unbehagen der Zuschauer in den vorderen Sitzreihen, die beim wiederholten Anzünden der Zigarette leise ihren Unmut kundtun.

Der Fleck, Volksbühne Frankfurt, Großer Hirschgraben 19, nächste Termine am 17. Februar und 2. März, 19.30 Uhr

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