„Die Balance ist verloren gegangen“

Der Dortmunder Netzbetreiber Amprion will bis 2028 rund 27,5 Milliarden Euro in den Ausbau der Übertragungsnetze investieren. Die erste „Stromautobahn“ von der Küste nach Süden soll 2027 fertig sein. Doch die Energiewende-Politik der Bundesregierung kritisiert das Unternehmen scharf.

„die balance ist verloren gegangen“

Visualisierung einer Konverterstation von Amprion für deutsche Offshore-Windparks in der Nordsee Amprion

Das Dortmunder Unternehmen Amprion, einer der vier Betreiber von Höchstspannungsnetzen in Deutschland, will bis zum Jahr 2028 rund 27,5 Milliarden Euro in den Aus- und Umbau seines Übertragungsnetzes investieren. Das teilte Amprion am Donnerstag mit. Im Geschäftsjahr 2023 habe sich die Investition des Unternehmens auf einen Rekordwert von rund drei Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Im laufenden Jahr will Amprion rund 3,9 Milliarden Euro in den Netzausbau investieren. „Die gesetzlichen Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus zeigen Wirkung. Wir kommen in die Umsetzung und werden zentrale Projekte früher fertigstellen“, sagte Amprion-Geschäftsführer Hans-Jürgen Brick.

Das Höchstspannungsnetz von Amrion erstreckt sich über sieben westdeutsche Bundesländer. Das Unternehmen war 2009 aus dem vormaligen Höchstspannungsnetz des Energiekonzerns RWE hervorgegangen. Relativ spät erst ist Amprion auch in das Geschäft mit Netzanbindungen von Offshore-Windparks im deutschen Teil der Nordsee eingestiegen, treibt diese Projekte aber nun schnell voran. Man habe den Baubeginn der Gleichstromverbindung A-Nord um ein Jahr vorziehen können, teilte Amprion mit.

In Verbindung mit dem Projekt Ultranet, das Amprion gemeinsam mit Transnet realisiert, werde A-Nord „ab dem Jahr 2027 deutschlandweit der erste Windstrom-Korridor sein, der große Mengen grünen Stroms von der Nordsee in den Westen Deutschlands und bis nach Baden-Württemberg transportiert“. Die Verbindung reicht dann von Emden an der Nordsee bis nach Philippsburg in Baden-Württemberg.

Zum Vergleich: Das zentrale deutsche Fernleitungs-Projekt SüdLink der Unternehmen Tennet und Transnet von Schleswig-Holstein nach Bayern und Baden-Württemberg war zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts gestartet worden und wird voraussichtlich 2028 fertiggestellt werden.

Trotz der eigenen Projektfortschritte übt Amprion scharfe Kritik an den Rahmenbedingungen der deutschen Energiewende und des Netzausbaus. „Energie ist in Deutschland weiterhin zu teuer. Die Balance zwischen Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit ist verloren gegangen“, sagte Brick. Die bundesweiten Kosten für das Engpassmanagement sollten aus den Netzentgelten herausgelöst werden, fordert der Amprion-Chef: „Diese Transformationskosten könnten aus Erlösen des Klima- und Transformationsfonds finanziert werden. Das würde die Netzentgelte fast halbieren sowie Wirtschaft und Verbraucher schnell und unbürokratisch entlasten.“

Auch für die beteiligten Unternehmen müssten die Bedingungen des weiteren Netzausbaus verbessert werden. Seit 2021 habe Amprion die Investitionen in den Netzausbau verdreifacht. Dieses Wachstum sei jedoch an Voraussetzungen geknüpft: „Wir brauchen einen regulatorischen Rahmen, der mit den ehrgeizigen Zielen der Energiewende Schritt hält“, sagte Brick. Dazu zähle auch ein „international wettbewerbsfähiger Eigenkapitalzinssatz in Höhe von 7,5 Prozent vor Steuern für sämtliche Investitionen“.

Im vergangenen Jahr steigerte Amprion seinen Umsatz um 37,5 Prozent – verglichen mit 2022 – auf 4,8 Milliarden Euro. Der Unternehmensgewinn (Ebitda) stieg um um 27 Prozent auf 980 Millionen Euro, der Nettogewinn legte um 49 Prozent auf 339 Millionen Euro zu. Die Zahl der Beschäftigten stieg um rund 400 auf etwa 2700.

Zur Umsetzung seiner Projekte benötige Amprion in den kommenden Jahren „eine Vielzahl von Komponenten und Dienstleistungen, die wir zum Teil bereits jetzt vertraglich gesichert haben“, sagte Finanz-Geschäftsführer Peter Rüth. Die Kapazitäten mit einem Gesamtwert von rund 17 Milliarden Euro seien eine wichtige Voraussetzung für den weiteren Netzausbau: „Dieses Wachstum bringt auch Herausforderungen mit sich. Eine fortwährende Beschleunigung der Projekte hat ihre Grenzen – denn als Unternehmen müssen wir die Machbarkeit im Blick behalten.“

Neben Tennet zählt Amprion in Deutschland zu den Auftraggebern für Konverterstationen, mit denen Offshore-Windparks in der Nordsee per Gleichstromleitung an das Landnetz angeschlossen werden. Solche Konverter der neuesten Generation mit je zwei Gigawatt Leistung kosten inklusive Landstation jeweils rund zwei Milliarden Euro. Amprion macht sich seit Jahren dafür stark, dass große Konverterstationen auch wieder an den deutschen Küsten gebaut werden. Im vergangenen Jahrzehnt war Deutschland bei diesen Anlagen weltweit führend. Dann aber wanderte die Offshore-Windkraft-Industrie weitgehend wieder ab, als der Ausbau der deutschen Offshore-Windparks durch politische Entscheidungen verlangsamt wurde.

Gemeinsam mit dem belgischen Unternehmen Smulders will die Papenburger Meyer Werft in Rostock-Warnemünde eine große Produktion für Offshore-Konverterstationen aufbauen. Als Subunternehmer baut Meyer in Papenburg derzeit bereits Stahlsegmente für vier Amprion-Konverter. Haupt-Auftragnehmer dafür sind die spanische Dragados-Werft und Siemens Energy.

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