Hannover Messe 2024: KI revolutioniert die Industrie in „atemberaubender Geschwindigkeit“

hannover messe 2024: ki revolutioniert die industrie in „atemberaubender geschwindigkeit“

Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Messe AG, s data-portal-copyright=

Lange kam Künstliche Intelligenz in der Industrie nur in kleinen Schritten voran. Das hat spätestens jetzt ein Ende, zeigt die Hannover Messe. Was Unternehmen und Besucher erwarten dürfen.

Wie die Zukunft der Industrie aussieht, erfahren die Besucher auf der diesjährigen Hannover Messe. Die weltgrößte Industrieausstellung beginnt an diesem Montag – und zu den größten Trends der Branche gehören vor allem Anwendungen Künstlicher Intelligenz (KI). Sie dürften die Industrie revolutionieren.

Über 4000 Aussteller präsentieren in Hannover ihre Innovationen, rund 200.000 Besucher werden erwartet. Messechef Jochen Köckler sagt vor dem Auftakt: „Die Geschwindigkeit, mit der KI-Lösungen ihren Weg in die Industrie finden, ist atemberaubend.“

In den vergangenen Jahren haben gestiegene Energiepreise, die Coronapandemie und eine schwache Nachfrage die Produktion bei den Industrieunternehmen gedämpft. KI könnte jetzt die Wende bringen.

Hannover Messe: KI verspricht deutlich mehr Wertschöpfung

Um bis zu 7,8 Prozent ließe sich die Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe vor allem durch generative KI steigern, legt eine Untersuchung von IW Consult im Auftrag von Google im Vorfeld der Messe nahe. Zu diesem Teilgebiet zählen neue KI-Modelle, die zum Beispiel Texte, Audiomaterial, Bilder und Videos erzeugen können.

Das lohnt sich vor allem kostentechnisch: Die Wertschöpfung der Industrie könnte mit dem Einsatz von KI über zehn Jahre insgesamt um 56 Milliarden Euro erhöht werden – wenn nur die Hälfte der befragten Unternehmen sie einsetzen, so Autoren der IW-Studie.

„Durch generative Künstliche Intelligenz könnte die Branche eine beachtliche KI-Dividende erzielen und damit ihre Produktivitätsvorteile auf den Weltmärkten sichern“, sagt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Viele Unternehmen hätten diese Chance schon erkannt und entsprechende Lösungen eingesetzt.

Auch wenn es sich hier um eine Studie handelt, deren Ergebnisse durchaus im Interesse des Auftraggebers Google ausfallen: Der Trend ist offensichtlich. Das hat der Vorsitzende des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, Antonio Krüger, beobachtet: „Die Bereitschaft von Unternehmern, KI einzusetzen, nimmt drastisch zu.“ Vor wenigen Jahren habe es KI-Teams bloß bei großen Konzernen gegeben, inzwischen seien sie auch im Mittelstand etabliert.

Roboter-Programmierung „bahnbrechend“

Über 50 Prozent der vom IW befragten Betriebe im verarbeitenden Gewerbe setzen KI bereits ein. In Hannover stellen Industrieunternehmen ihre Programme und Projekte vor, mit denen KI die Arbeit in den Produktionshallen erleichtern soll. Gerade die Robotikbranche dürfte von Künstlicher Intelligenz profitieren, schätzt Experte Krüger.

Bahnbrechend sei die einfachere Programmierung von Robotern mithilfe generativer KI, sagt Sami Atiya. Er ist Robotikchef beim Technologiekonzern ABB. „Gerade für kleinere Unternehmen, die kein Team von Spezialisten haben, wird es in Zukunft viel einfacher sein, einen Roboter zu programmieren“, so Atiya. „Man muss die KI-Welle reiten oder wird überholt.“

Helfen werde auch die Fortentwicklung der klassischen KI – in Kombination mit neuen Hochleistungschips, sagt ABB-Vorstand Atiya. Genauer gesagt heißt das: Mithilfe von Bilderkennungsprogrammen und einer schnelleren Datenverarbeitung könne ein Roboter künftig viel besser ein Glas identifizieren oder eine Ansammlung von Gegenständen analysieren, um ein gewünschtes Objekt zu greifen.

Atiya sagt: Wenn ein Nudelrestaurant in China mit einem ABB-Roboter koche, wecke dies das Interesse kleiner Unternehmen mit speziellen Anwendungen in der ganzen Welt.

Bei diesen Aufgaben müssen sich KI-Anwendungen verbessern

Auch Susanne Bieller, Generalsekretärin des Weltrobotikverbands IFR, erwartet große Fortschritte beim sogenannten taktilen Greifen durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. „Die Bilderkennung und -verarbeitung funktioniert heute schon recht gut“, sagt sie.

Allerdings gebe es noch Verbesserungspotenzial, zum Beispiel wenn ein Roboter rohe Eier greifen oder er intuitiv wahrnehmen soll, wie sich Menschen bewegen. Noch ahne ein Mensch besser als ein Roboter, in welche Richtung ein entgegenkommender Kollege ausweichen wird. Bieller sagt: „Wenn die Roboter bei solchen Themen besser werden, können sie sich auch schneller bewegen.“

Das Industrieunternehmen Festo wird auf der Hannover Messe die Software GripperAI präsentieren. Das ist eine KI-Lösung, mit der Roboter Objekte erkennen und hochheben können. Die Roboterlösung wurde für ein Logistikzentrum der Würth-Gruppe entwickelt.

GripperAI funktioniert wie folgt: Eine integrierte Kamera im Roboter erkennt die verschiedenen Objekte. Je nach Objektart, Form und Oberflächenbeschaffenheit legt die Anwendung fest, welches Greifwerkzeug für den Roboter am besten geeignet ist. Die speziell für dieses Projekt entwickelten Greifer setzen neue Maßstäbe in der Robotertechnologie, die Saugnäpfe stammen aus dem Portfolio von Festo.

Die angepasste KI-Roboterlösung ermöglicht es Würth, schwere Teile und verschiedene Objekte effizient zu handhaben. Und das führt zu einer deutlichen Entlastung der Mitarbeiter und einem effizienteren Betrieb.

Digitale Zwillinge: Was sie wertvoll für Unternehmen macht

Gleich mehrere Unternehmen beschäftigen sich auf der Hannover Messe mit digitalen Zwillingen, dem digitalen Abbild eines Produkts oder eines Prozesses. Google Cloud verspricht, dass sich die digitalen Repräsentationen dank generativer KI innerhalb weniger Sekunden in dreidimensionaler Ansicht erstellen lassen.

Dazu hat der Cloud-Anbieter auf den KI-Datensatz Sordi des Autobauers BMW gesetzt, der mehr als 800.000 künstlich erstellte Produktionsbilder enthält. Der Vorteil solcher digitalen Zwillinge: Unternehmen können mit ihnen simulieren, wie sich die Anlagen in bestimmten Situationen verhalten, und darauf basierend ihre Produktionsabläufe optimieren.

Für Michael Riester sind digitale Zwillinge die Basis für KI-Anwendungen. Riester stellt auf der Messe für Endress+Hauser, einen Schweizer Anbieter von Mess- und Automatisierungstechnik, einen standardisierten digitalen Zwilling vor. Das sei wichtig, denn noch gebe es kein gemeinsames Verständnis von digitalen Zwillingen.

„Wenn ich zwei Firmen frage, was sie unter digitalen Zwillingen verstehen, erhalte ich verschiedene Antworten“, sagt Riester. In der Praxis könne das zu Problemen führen, wie Riester an einem Beispiel verdeutlicht.

Durch das Lieferkettengesetz müssen Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern und einem globalen Umsatz von 150 Millionen Euro im Jahr dokumentieren, dass von ihnen importierte Produkte aus Drittländern dort nicht zu Kinderarbeit oder Umweltschäden führen.

Dabei können Simulationen der Lieferkette grundsätzlich helfen. Wenn aber sämtliche Zulieferer etwas anderes unter einem digitalen Zwilling verstehen und Daten in einem unterschiedlichen Format liefern, müsste das Unternehmen diese jedes Mal aufwendig umwandeln und integrieren.

KI kann vor Hochwasser schützen

Die Einsatzbereiche von Robotern mit KI-Anwendungen sind vielfältig. Sie können auch vor Hochwasser schützen. Eine entsprechende Anwendung stellt das Schweizer Unternehmen auf der Messe vor. Die baden-württembergische Gemeinde Lenzkirch misst mit verschiedenen Sensoren, wie hoch der Pegel der dortigen Gewässer und wie feucht der Boden ist – die KI-Anwendung stammt von Endress+Hauser.

Um möglichst präzise Vorhersagen treffen zu können, sei der Kontext wichtig – beispielsweise, wo genau sich die Sensoren befinden. „All diese Informationen lassen sich auch in einem solchen standardisierten digitalen Zwilling zusammenbringen“, sagt Riester.

Und auch in der biologischen Landwirtschaft kann KI helfen. So präsentiert die Zauberzeug GmbH auf der Messe eine Plattform, die allein oder im Schwarm zur mechanischen Unkrautbekämpfung eingesetzt werden kann. Der Agrarroboter „Feldfreund“ kann nach Angaben des Unternehmens Kulturpflanzen und Unkraut präzise voneinander unterscheiden.

KI bietet große Chancen – aber die Euphorie wird gebremst

Vielversprechend sind die Aussichten für die Industrie. Allerdings warnen Experten vor einer zu großen Euphorie. Schon seit Jahrzehnten arbeite die Branche an der Integration von KI, sagt ABB-Robotikchef Atiya. „Man wird feststellen, dass nicht alles möglich ist.“

Bis ein Roboter etwa auf Befehl mit einem zufriedenstellenden Ergebnis die Küche aufräume, dauere es wohl noch Jahre – wenn nicht sogar Jahrzehnte, sagt Atiya.

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World