FDP-Chef Lindner steht vor einer fatalen Wahl

Das Debakel mit der Schuldenbremse trifft keine Partei so hart wie die FDP. Christian Lindner muss nun entscheiden, ob er lieber falsch regieren will – oder nicht.

fdp-chef lindner steht vor einer fatalen wahl

Brutales Dilemma: Wie will Christian Lindner als Finanzminister erinnert werden?

Als das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bekannt wurde, soll es selbst Christian Lindner für einen Moment die Sprache verschlagen haben. Auch der Finanzminister hatte nicht erwartet, dass die höchsten Richter den Umgang mit der Schuldenbremse derart strikt auslegen würden.

Die Schuldenbremse zu umgehen, indem man alte Geldtöpfe für neue Aufgaben umwidmet, war zwar nicht Lindners Idee, sondern die von Kanzler Olaf Scholz. Als Ressortchef setzte der Liberale sie aber getreulich um, weil ihm die politischen Vorteile des Tricks natürlich nicht verborgen blieben: Nur so hatte die gemeinsame Regierung mit Sozialdemokraten und Grünen genug Geld, um ihre weitreichenden Pläne zu verfolgen. Nur so konnte aber auch die FDP weiter behaupten, diese würde weder neue Schulden aufnehmen noch die Steuern erhöhen – die Hauptversprechen der Partei vor der Wahl.

Sparen statt in die Zukunft investieren

Offiziell begrüsste Lindner das Urteil aus Karlsruhe denn auch tapfer als «Härtung der Schuldenbremse», die seine Partei bekanntlich immer unterstützt habe. Tatsächlich war der Richterspruch eine Katastrophe: für den Finanzminister, weil er die Verfassung höchstselbst gebrochen hatte, wie auch für seine Partei.

Sozialdemokraten und Grüne, die Regierungen der Bundesländer, Wirtschaftsverbände und Unternehmen wollen an den Milliardenausgaben für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft unbedingt festhalten. Die FDP schlägt vor, darauf zu verzichten oder aber die Sozialausgaben zusammenzustreichen, um den Anforderungen der Schuldenbremse dennoch gerecht zu werden – politisch ein Projekt für Selbstmörder.

Als erstes Zugeständnis willigte Lindner letzte Woche ein, für dieses Jahr nachträglich noch einmal eine «unvorhersehbare» Notlage auszurufen. Dies erlaubt es, die Schuldenbremse legal auszusetzen und die im laufenden Jahr aufgenommenen Kredite nachträglich zu legalisieren.

Die FDP hat seit zwei Jahren jede Wahl verloren

Doch was soll 2024 passieren? SPD und Grüne neigen dazu, erneut eine Notlage zu deklarieren, auch wenn das verfassungsrechtlich heikel wäre. Lindner will sich diesem Ansinnen mit allen Mitteln widersetzen, weil die Schuldenbremse dann endgültig zur Folklore verkäme. Bleibt der FDP-Chef hart, seine Koalitionspartner aber auch, kann die FDP eigentlich nur noch die Koalition verlassen. Die Regierung wäre damit erledigt.

Die christdemokratische Union, die Alternative für Deutschland sowie konservative Medien rufen die FDP jedenfalls bereits im Chor dazu auf, die Ampel auszuknipsen und Neuwahlen zu provozieren – koste es, was es wolle. Die FDP selbst ist zerrissen.

Nicht wenige Mitglieder fordern Lindner öffentlich zum Verlassen der Regierung auf, ansonsten lasse sich der weitere Niedergang der Partei nicht verhindern. Tatsächlich hat die FDP alle Wahlen der letzten zwei Jahre verloren. In den Umfragen hält sie sich seit Monaten nur knapp über der Todeszone von 5 Prozent – bei der Bundestagswahl 2021 gewann sie noch 11,5 Prozent der Stimmen.

Einst hat Lindner die FDP gerettet. Führt er sie jetzt in den nächsten Untergang?

Lindners Dilemma ist brutal. Als die FDP nach ihrer letzten Beteiligung an einer Bundesregierung 2013 aus dem Bundestag fiel, war er es, der die Partei vor dem Sturz in die Bedeutungslosigkeit rettete. Wird er nun zu jenem Liberalen, der sie in den nächsten Untergang führt?

Aber wie lässt sich ein Absturz am ehesten vermeiden? Durch Härte, Rückgrat, Rückbesinnung auf den eisernen Kern der Stammwähler? Oder durch noch mehr Pragmatismus und staatspolitische Vernunft?

2017 liess Lindner Verhandlungen mit der Christdemokratin Angela Merkel für eine sogenannte Jamaika-Koalition platzen, weil er sich im Ringen mit den Grünen schlecht behandelt fühlte. «Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren», lautete damals seine Begründung. Und nun? Besser falsch regieren als nicht?

Vielleicht sein letztes grosses politisches Amt

Lindner ist politisch klug genug, um zu wissen, dass beides seine Partei umbringen kann. Wie soll er bei Neuwahlen um das Vertrauen von Wählerinnen und Wählern werben, wenn er deren letzten Regierungsauftrag gerade weggeworfen hat? Mit wem will die FDP überhaupt noch regieren? Zugleich: Wer wählt Parteien, die ihre Prinzipien in Serie verraten?

Fraglich ist auch, was der 44-Jährige für sich selbst wünscht. Lindner regiert gern, das ist unübersehbar, selbst in diesen Tagen. Vermutlich ahnt er, dass Finanzminister sein letztes grosses politisches Amt sein könnte, bevor er womöglich in der Wirtschaft sein Glück sucht. Möchte er wirklich, dass man sich an ihn als einen Chef erinnert, der in der Not vor der Verantwortung stets davonläuft?

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