Sunak in Berlin: Später Besuch bei Freund Olaf
Sie finden warme Worte füreinander: Olaf Scholz und Rishi Sunak am Mittwoch in Berlin
Die Dramatik an der Front in der Ukraine nimmt zu, und darauf versuchen auch die Partner des angegriffenen Landes zu reagieren. Mit Taten und Ankündigungen. Das hat nicht nur das gerade verabschiedete amerikanische Hilfspaket bewiesen, sondern auch der Besuch des britischen Premierministers Rishi Sunak in Polen und Deutschland.
Als Sunak am Mittwoch neben Bundeskanzler Olaf Scholz im Kanzleramt steht, weist er gleich darauf hin, dass Deutschland und Großbritannien nach den USA die wichtigsten Unterstützer der Ukraine sind. Scholz lässt das auch nicht unerwähnt und ermahnt einmal mehr die europäischen Partner, „im Verhältnis ihrer jeweiligen Wirtschaftskraft“ mehr zu tun. Gleich zu Beginn der Pressekonferenz sagt Scholz: „Ohne Sicherheit ist alles nichts.“ Derart Weitreichendes, wie Sunak es am Dienstag in Warschau aber vorgetragen hat, als er zusätzliche britische Militärhilfen in der Höhe von 580 Millionen Euro angekündigt hatte, haben die beiden im Kanzleramt nicht zu verkünden. Schon gar nicht zur Lieferung von Marschflugkörpern an die Ukraine.
Scholz lässt sich beim Taurus nicht umstimmen
Seit 18 Monaten ist Sunak im Amt, und erst jetzt ist er zum Antrittsbesuch nach Berlin gekommen. Das muss man zumindest mal als verspätet betrachten, auch wenn Sunak im Kanzleramt gleich „Olaf, mein Freund“ sagt und beide berichten, wie lange sie sich doch schon kennen würden aus ihrer Zeit als Finanzminister. Trotzdem verliefen nach dem Brexit-Tief auch die vergangenen Monate zwischen Berlin und London nicht immer spannungsfrei. Einen Faktor dafür hatte die Bundesregierung nach langem britischen Drängen zumindest im Januar abgeräumt: Da verkündete Außenministerin Annalena Baerbock in Jerusalem, dass man sich einem Verkauf von Eurofighter-Kampfflugzeugen an Saudi-Arabien, so wie London es tun möchte, nicht mehr entgegenstellen werde. Auch Sunak hatte sich zuvor dafür eingesetzt.
Baerbock war es auch, die später bei einem Besuch des britischen Außenministers David Cameron im Auswärtigen Amt mit diesem erörterte, wie man die Ukraine doch noch mit weiteren Marschflugkörpern unterstützen könnte. London liefert Storm Shadow nach Kiew, Scholz hatte die Taurus-Lieferung abgelehnt. Auch Baerbock und Cameron konnten dazu offenbar keine Ideen vorlegen, die den Kanzler hätten überzeugen können.
Auch Berichte, die nun angesichts des neuen amerikanischen Hilfspakets aus den USA kommen, haben Scholz nicht umgestimmt. Demnach wollen die Amerikaner nach der Lieferung von ATACMS-Raketen mit mittlerer jetzt auch jene mit großer Reichweite von etwa 300 Kilometern an die Ukraine liefern. Scholz aber, danach gefragt im Kanzleramt, sagt: Was Taurus betreffe, „wird sich meine Entscheidung nicht ändern“. Taurus-Marschflugkörper können noch deutlich weiter fliegen als ATACMS und die britischen Storm Shadows.
London sucht nach Brexit wieder Kooperation
Aber auch wenn Sunak sein großes Ukraine-Paket schon in Polen angekündigt hatte, gibt es auch in Berlin kleine Fortschritte zu verkünden. Die Verteidigungszusammenarbeit soll verstärkt werden, auch bei der Rüstung. In einer „Gemeinsamen Verständigung zu Sicherheit und Verteidigung“ werden konkrete Projekte aufgezählt. So wollen Deutschland und das Vereinigte Königreich zusammen die Radhaubitze Remote Controlled Howitzer 155mm (RCH 155) „erwerben, bewerten und optimieren“.
Die Ankündigung dieses Vorhabens ist ein Hinweis darauf, dass Großbritannien sich bemüht, die Kooperation mit europäischen Partnern wieder zu verstärken, nachdem der Brexit auch in der Verteidigungszusammenarbeit eine scharfe Zäsur markiert hatte. Das größte derzeit verwirklichte gemeinsame Vorhaben ist die Produktion des gepanzerten Mannschaftstransporters Boxer, der von einer deutschen Rüstungsfirma stammt und der in einer Zahl von mehr als 600 Stück für die britische Armee produziert wird. Auch dieser soll weiterentwickelt werden, ebenso wie der Eurofighter weiter gefördert werden soll und man sich bei Exporten des Kampfflugzeugs helfen wolle.
An die britische Seite richten sich aber auch deutsche Erwartungen, die seit dem Brexit existierenden Reisehindernisse zwischen dem Vereinigten Königreich und Ländern der EU wenigstens teilweise wieder aufzuheben. Scholz sagt, es sei ihm sehr wichtig, dass keine Hürden dem engen Austausch der Briten und Deutschen entgegenstünden. Eine EU-Initiative allerdings, die gegenseitige Reisefreiheit für Schüler, Studenten und Praktikanten beabsichtigte, war gerade erst von britischer Seite abgewiesen worden.