Kommentar zu Macrons Vorschlag für die Ukraine: Das kann nicht sein Ernst sein

kommentar zu macrons vorschlag für die ukraine: das kann nicht sein ernst sein

Der französische Präsident Emmanuel Macron am Montag im Élysée-Palast in Paris

Ach Macron. Frankreich konnte nicht einen einzigen Leclerc-Kampfpanzer für die Ukraine entbehren, und jetzt redet der französische Präsident über die Entsendung von Bodentruppen. Selbst wenn es da nur um die Sicherung der Grenze zu Belarus ginge, wie er andeutet, wäre es ein Schritt, der volle Kampffähigkeit und -bereitschaft erforderlich machen würde, um wahrscheinliche russische Gegenmaßnahmen abzuwehren. Dass die auf die Ukraine beschränkt blieben, ist nicht gewiss, vor allem nicht, wenn die Angriffe auf russisches Territorium weiter zunehmen.

Vor allem aber wären die Europäer, die sich daran beteiligen wollen, hier auf sich allein gestellt – ganz unabhängig vom Ausgang der Wahl in Amerika. Biden hat immer deutlich gemacht, dass eine westliche Kriegsteilnahme für ihn nicht in Frage kommt. Trump wäre als Präsident noch nicht mal bereit, alle NATO-Länder zu verteidigen, er will den Krieg in der Ukraine mit einem Deal beenden, nicht dort kämpfen. Macrons Vorschlag läuft darauf hinaus, dass Frankreich und (nicht genannte) andere europäische Länder ohne Deckung aus Washington in einen Krieg gegen die nuklear hochgerüstete und konventionell immer noch starke Großmacht Russland eintreten würde. Meint er das wirklich ernst?

Spitzen gegen den Bundeskanzler

Vor allem die unverhohlenen Spitzen gegen den deutschen Bundeskanzler legen den Verdacht nahe, dass der Franzose schwierige strategische Fragen mit einem politischen Schaulaufen verwechselt. Frankreich, das sich immer als militärische Führungsmacht in der EU gesehen hat, wurde vom Ukrainekrieg erkennbar auf dem falschen Fuß erwischt: Er entzog Macrons Beschwichtigungspolitik gegenüber Putin die Grundlage und kam zu einer Zeit leerer Kassen in Paris. Das Ergebnis lässt sich ungeschönt in den Statistiken über die Waffenlieferungen an die Ukraine besichtigen: Das kleine Estland, das Macron so lobt, gibt dafür mehr Geld aus als die Atommacht Frankreich mit Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Man wird den Eindruck nicht los, dass die französische Politik sich noch schwerer tut, in der neuen multipolaren Welt Orientierung zu finden, als das schon in Berlin mitunter der Fall ist. Der Verlust der Ordnungsrolle in Afrika hat Frankreichs Selbstverständnis vielleicht stärker getroffen, als sich das Land selbst eingestehen will. Macrons Vorschläge auf die Ukraine folgen auf einen Vorstoß, dass der Westen Israel beim Kampf gegen die Hamas unterstützen solle, und auf die Forderung, dass sich Europa in der Chinapolitik von Amerika absetzen solle. Nichts davon hat konkrete Folgen gehabt, die Initiativen wirken unausgegoren und undurchdacht.

Die Munitionsfrage ist wichtig

In Paris haben Macrons gaullistische Neigungen nun zu einem deutsch-französischen Zerwürfnis auf offener Bühne geführt. Dass der Präsident Scholz vorführte, weil der sich kurz vor Beginn des Gipfels (in der Taurusfrage) noch einmal ausdrücklich gegen einen angenommen Kriegseintritt ausgesprochen hatte, zeigt, auf welchem Tiefpunkt das Verhältnis zwischen Paris und Berlin angelangt ist. Putin wird Macrons Pressekonferenz mit Vergnügen verfolgt haben, wenn er nicht gerade beim Eishockey war.

Immerhin sind auf dem Treffen ein paar konkrete Projekte vereinbart worden. Überragend wichtig ist dabei vor allem die Munitionsfrage, sie wird in den nächsten Monaten darüber entscheiden, ob die Ukraine die Front halten kann und selbst wieder in die Vorhand kommt. Am Ende zählen Taten, nicht Worte. Es war nicht unstatthaft, dass die Bundesregierung Macron daran in jüngster Zeit immer wieder erinnert hat. Weitere Konferenzen braucht der Kontinent nicht.

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