Hessischer Kommunalbericht: Der Rechnungshof schlägt Alarm

hessischer kommunalbericht: der rechnungshof schlägt alarm

Preisfrage: Kann und soll Rüsselsheim sich sein Theater leisten? So sah der Zuschauerraum im Jahr 2012 aus.

Wir stehen vor gigantischen Herausforderungen.“ So schätzt Walter Wallmann, der Präsident des hessischen Rechnungshofs, die finanzielle Lage ganz Deutschlands ein. Dass sie auch Städte und Kreise betrifft, zeigt der Kommunalbericht der Behörde, den der Chef am Dienstag in Wiesbaden vorstellte. Danach erzielte im vergangenen Jahr nur noch jede zweite Kommune in Hessen einen Finanzierungsüberschuss. In den beiden Jahren davor waren es noch annähernd zwei Drittel. Städte und Gemeinden müssten bei verringertem Handlungsspielraum mit gleichzeitig wachsenden Herausforderungen wie Fachkräftemangel, gestiegenen Flüchtlingszahlen und höheren Energiepreisen umgehen, so Wallmann.

Er beklagte die insgesamt auf mehr als 52 Milliarden Euro angestiegenen Schulden. Unter den kreisfreien Städten wies Offenbach Ende 2022 nach den Daten des Rechnungshofes mit 3427 Euro je Einwohner den Höchstwert aus, gefolgt von Frankfurt mit 3364 Euro. Unter den Landkreisen lag der Hochtaunuskreis mit 2406 Euro an der Spitze. Von den Sonderstatusstädten, die mehr Aufgaben als eine normale Kommune wahrnehmen, war Rüsselsheim mit 3424 Euro je Einwohner am höchsten verschuldet. Die höchsten Geldschulden im Kernhaushalt insgesamt wies die Stadt Heringen (Werra) mit 7849 Euro je Einwohner auf.

„Wir haben kein Einnahmeproblem“

Dabei sind die Einnahmen der Kommunen insgesamt gestiegen. Sie wuchsen um 5,9 Prozent auf 28,2 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Die wichtigste Steuerart ist nach wie vor die Gewerbesteuer. Sie machte mehr als die Hälfte der gesamten Steuereinnahmen des Jahres 2022 aus und war sehr unterschiedlich verteilt. Allein Frankfurt, Marburg, Wiesbaden, Darmstadt und Kassel nahmen rund 53 Prozent aller Gewerbesteuern ein.

„Wir haben kein Einnahmeproblem“, stellte Wallmann fest. Aber die Ausgaben seien noch stärker gestiegen. Wesentliche Posten waren die Personalausgaben mit 26 Prozent, der laufende Sachaufwand mit 23 Prozent und soziale Transferleistungen mit 21 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr seien nahezu alle Ausgabearten angestiegen, so Wallmann. Die durch die Zuwanderung ausgelösten Kosten verteilten sich auf die unterschiedlichen Sektoren.

Zu den Kommunen, deren Haushalt sich der Rechnungshof ganz besonders genau angeschaut hat, zählt Rüsselsheim. Schon 2012 habe man der Stadt im Hinblick auf die Konsolidierung ihres Haushalts empfohlen, den Betrieb des eigenen Theaters „kritisch zu hinterfragen“. Das Gebäude sei mittlerweile älter als 50 Jahre, der Renovierungsbedarf erheblich.

Allein im Jahr 2020 seien sechs Wasserschäden aufgetreten, die zu geschätzten Kosten von rund einer Million Euro geführt hätten. Die Frage, ob sich Rüsselsheim das Theater leisten solle, stelle sich nicht nur angesichts der hohen Verschuldung heute drängender denn je. Im Umkreis von 30 Kilometern befänden sich die Staatstheater Darmstadt, Mainz und Wiesbaden sowie die breite kulturelle Landschaft in Frankfurt.

Hohes Risiko für strafbare Handlungen

Die Kritik des Rechnungshofs trifft auch viele der 16 hessischen „Klima-Kommunen“. Sie hatten sich verpflichtet, ihren Energieverbrauch und ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren, um vom Land eine um zwanzig Prozent höhere Förderquote für kommunale Klimaschutzprojekte zu bekommen. Aber weniger als ein Drittel der Kommunen erfüllten die eingegangene Verpflichtung. Dies zeige, wie schwer es den Gemeinden falle, das Nötige für den Klimaschutz zu tun, so die Fachleute des Rechnungshofs.

Sie weisen darauf hin, dass angesichts der von den Kommunen getätigten Milliardenausgaben, die aus einer Vielzahl von Einzelüberweisungen beständen, ein hohes Risiko für strafbare Handlungen bestehe. Schon vor mehr als zehn Jahren habe man den Kommunen ein internes Kontrollsystem empfohlen, um die Risiken zu verringern. Viele solcher Schwachstellen seien bis heute noch nicht behoben worden.

„Mehr Kindergartenplätze zum selben Preis!“ Unter dieses Motto stellt der Rechnungshof ein Modell, das er nach eigenen Angaben nicht nur durchgerechnet, sondern mit Kommunen auf seine Praxistauglichkeit hin erörtert hat. Prüfungen zeigten beispielsweise, dass sich mit dem gleichen Aufwand durch optimierte Gruppengrößen und Betreuungsdauern deutlich mehr Kinder betreuen ließen. So könnten allein die sechs geprüften Sonderstatusstädte durch eine um ein paar Minuten reduzierte Betreuungszeit rechnerisch bis zu 1200 Kinder mehr betreuen. Hierfür wären in dem Modell des Rechnungshofes keine zusätzlichen Fachkräfte notwendig.

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