Diabetes ist nicht heilbar, nur behandelbar

Um mit Diabetes besser umzugehen, ist es oft nötig, seine Lebensweise zu verändern und sich gesünder zu ernähren und regelmäßig Bewegung zu machen. Wenn man unter Typ-1-Diabetes leidet, braucht man jedoch auch Insulin, da der Körper davon nicht selbst genug produziert. Im Gegensatz zu den irreführenden Behauptungen, die im Januar 2024 in einem Facebook-Video verbreitet wurden, wonach Diabetes mit der richtigen Ernährung und mit Vitaminen “verhindert” und “in sechs Monaten geheilt” werden könne und Insulin gar nicht notwendig sei, betonen Ärztinnen und Ärzte sowie Gesundheitsorganisationen sehr wohl, dass Menschen, die an Typ-1-Diabetes leiden, Insulin zum Überleben benötigen und dass die Krankheit weder verhindert noch geheilt werden kann. 

Ein Video, das auf Facebook viral gegangen ist und welches seit dem 20. Januar 2024 mehr als 2500 Mal geteilt wurde, zeigt einen Mann, der behauptet, dass einer von zehn Rumäninnen und Rumänen an Diabetes leidet und dass diese Krankheit durch eine Ernährungsumstellung und Beharrlichkeit “leicht zu verhindern und zu heilen” sei. Obwohl die Person, die diese Behauptungen aufstellt, nicht erwähnt, auf welche Art von Diabetes sie sich bezieht, behauptet sie, dass man die Wahl habe, sich mit Insulin behandeln zu lassen. Außerdem nennt der im Video zu sehende Mann Diabetes “ein Syndrom der Nachlässigkeit”.

In dem Video rät er zu einer sechsmonatigen strengen Diät, die den Verzicht auf bestimmte Lebensmittel und die Einnahme von Tee, Omega-3-Fettsäuren und Vitamin E vorsieht und behauptet, dass dieser Ansatz zu einer vollständigen Genesung oder einer deutlichen Verringerung der Insulinabhängigkeit führen könne.

diabetes ist nicht heilbar, nur behandelbar

Facebook-Screenshot der Behauptung: 25. Januar 2024

Diese Behauptungen sind jedoch irreführend. Expertinnen und Experten erklärten gegenüber AFP, dass für Menschen mit Typ-1-Diabetes Insulin überlebensnotwendig ist, während Typ-2-Diabetes durch Veränderungen des Lebensstils wirksam behandelt werden kann. Dies sollte jedoch nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Der Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln und Tees bei der Behandlung von Diabetes ist wissenschaftlich nicht erwiesen.

Was ist Diabetes?

Diabetes ist eine chronische Erkrankung, die auftritt, wenn der Körper nicht in der Lage ist, den Blutzuckerspiegel (auch: Glukosespiegel) richtig zu regulieren. Dies geschieht, weil die Bauchspeicheldrüse – ein Organ, das Insulin produziert – entweder nicht genug Insulin selbst produzieren kann oder der Körper das produzierte Insulin nicht effektiv nutzen kann.

Insulin ist ein Hormon, das die Zellen bei der Aufnahme von Blutzucker aus dem Blutkreislauf unterstützt, damit dieser zur Energiegewinnung genutzt werden kann.

Es gibt drei Haupttypen von Diabetes: “Typ 1” – auch bekannt als “insulinabhängiger Diabetes”, “Typ 2”, sowie Schwangerschaftsdiabetes – eine Erkrankung, die sich während der Schwangerschaft entwickelt und normalerweise nach der Geburt wieder verschwindet.

Häufige Symptome beider Diabetestypen, also Typ 1 und 2, sind erhöhter Durst, häufiges Urinieren, unerklärlicher Gewichtsverlust, Müdigkeit oder verschwommenes Sehen. Wenn Diabetes nicht richtig behandelt wird, kann es zu ernsthaften gesundheitlichen Komplikationen wie Herzerkrankungen, Schlaganfall, Nierenschäden, Nervenschäden und Sehstörungen führen.

“Unbehandelt und unkontrolliert ist Diabetes mit chronischen mikro- und makrovaskulären Komplikationen verbunden”, erklärte Gabriela Roman, Präsidentin der Rumänischen Föderation für Diabetes, Ernährung und Stoffwechselkrankheiten, am 29. Januar 2024 in einer E-Mail an AFP.

Zu den Komplikationen gehören vor allem Erblindung, chronische Nierenerkrankungen, Nervenschäden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar das Risiko einer Amputation von Gliedmaßen, sagte Roman, die auch außerordentliche Professorin an der Iuliu Hatieganu Universität für Medizin und Pharmazie in Cluj-Napoca in Rumänien, ist.

Die Behandlung ist je nach Typ unterschiedlich, konzentriert sich aber auf die Kontrolle des Blutzuckerspiegels durch Insulin, eine ausgewogene Ernährung und einen gesunden Lebensstil, um Komplikationen zu vermeiden. Allerdings gibt es keine bekannte Heilung für Diabetes – darin sind sich Gesundheitsorganisationen sowie Ärztinnen und Ärzte einig.

“Ein wichtiger Teil des Umgangs mit Diabetes – wie auch mit allgemein mit seiner Gesundheit – ist es, durch eine gesunde Ernährung und einen Bewegungsplan ein gesundes Gewicht zu halten”, so heißt es auf der Website der US-amerikanischen Mayo Clinic. “Keine Behandlung – weder alternativ noch konventionell – kann Diabetes heilen”.

Roy Taylor, Professor für Medizin und Stoffwechsel an der Universität Newcastle, betonte ebenfalls, dass Diabetes nicht geheilt werden könne. “Ich würde das Wort ‘ Heilung’ vermeiden, weil die Wahrscheinlichkeit, dass Diabetes zurückkehrt, wenn das Gewicht wieder zunimmt, bei 100 Prozent liegt”, sagte Taylor in einer E-Mail vom 12. Februar gegenüber AFP.

“Eine der wichtigsten Methoden zur Behandlung von Diabetes ist eine gesunde Lebensweise”, so die Weltgesundheitsorganisation.

diabetes ist nicht heilbar, nur behandelbar

Informationen zu den Symptomen und der Behandlung von Diabetes AFP

Wer unter Typ-1-Diabetes leidet, braucht Insulin

Typ-1-Diabetes – auch bekannt als insulinabhängiger Diabetes – ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse angreift und zerstört.

Infolgedessen mangelt es dem Körper an Insulin, was zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel führt. Typ-1-Diabetes wird in der Regel im Kindes- oder Jugendalter diagnostiziert, kann aber auch bei Erwachsenen auftreten, so die Mayo Clinic hier.

“Typ-1-Diabetes ist eine Krankheit, bei der durch autoimmune Mechanismen der Zerstörung der Betazellen der Bauchspeicheldrüse die Insulinsynthese und -sekretion unterbrochen wird”, erklärte Roman.

“Das heißt, dass die Betroffenen keine Schuld an der Krankheit haben!”, sagte Stephan Martin, Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums (WDGZ), am 31. Januar 2024 in einer E-Mail an AFP und bezog sich dabei auf die Behauptung aus dem viralen Posting, Diabetes sei “ein Syndrom der Nachlässigkeit”.

Wer an Typ-1-Diabetes erkrankt ist, braucht eine lebenslange Insulintherapie, bekräftigten Expertinnen und Experten. Bei Typ-1-Diabetes besteht “die Behandlung, von der das Überleben abhängt, in der Verabreichung von Insulin”, so Roman. Sie fügte hinzu, dass es “bislang keine wirksamen Präventionsmethoden gibt”.

“Menschen mit Typ-1-Diabetes brauchen in der Regel eine lebenslange Insulintherapie”, so auch Martin.”Bis zur Entdeckung des Insulins vor 102 Jahren war diese Krankheit nicht mit dem Leben vereinbar. Bei Kindern schreitet die Krankheit sehr schnell voran, so dass oft kaum noch insulinproduzierende Zellen vorhanden sind. Typ-1-Diabetes tritt auch im Alter auf; eine aktuelle Studie geht davon aus, dass 40 Prozent der Typ-1-Diabetesfälle nach dem 30. Lebensjahr auftreten”, so Martin weiter.

Bei älteren Menschen mit Typ-1-Diabetes, die übergewichtig sind, kann eine Gewichtsabnahme dazu beitragen, den Blutzuckerspiegel zu verbessern, ohne dass sie Insulin benötigen, so die beiden Professoren.”Leider ist das Wissen über Typ-1-Diabetes sehr gering”, sagte Martin und fügte hinzu, dass “Menschen mit Typ-1-Diabetes durch die Unwissenheit großer Teile der Bevölkerung diskriminiert werden”.

Änderungen des Lebensstils

Typ-2-Diabetes tritt häufiger auf und entwickelt sich oft erst später im Leben. Bei Typ-2-Diabetes produziert der Körper entweder nicht genug Insulin, oder die Zellen werden resistent gegen die Wirkung des Insulins, so die “International Diabetes Federation” auf ihrer Website.

Faktoren des Lebensstils wie schlechte Ernährung, Bewegungsmangel und genetische Veranlagung können zur Entwicklung von Typ-2-Diabetes beitragen. Behandelt werden kann es laut Mayo Clinic durch Veränderungen des Lebensstils, oral eingenommene Medikamente und in einigen Fällen auch durch Insulin.

“Diese Form von Diabetes wird eigentlich durch den Lebensstil verursacht”, sagte Martin von der WDGZ und fügte hinzu, dass der Hauptauslöser Übergewicht oder Adipositas ist. “Bei dieser Form der Krankheit können die Betroffenen ihren Diabetes durch eine radikale Gewichtsabnahme in klinische Remission bringen”, sagte er.

Roman erklärte gegenüber AFP auch, dass Typ-2-Diabetes häufig mit Übergewicht, Bewegungsmangel und kalorienreicher Ernährung zusammenhängt. Vorbeugung sei durch einen gesunden Lebensstil möglich – insbesondere für Menschen mit hohem Risiko. Die Behandlung von Typ-2-Diabetes umfasst ebenfalls die Beibehaltung eines gesunden Lebensstils, Gewichtskontrolle und eine von Spezialisten empfohlene Arzneimitteltherapie.

Behandlung durch Fachleute

“Es gibt keine Beweise dafür, dass bestimmte Tees oder die Einnahme von Vitaminen eine positive Wirkung bei der Vorbeugung oder Behandlung haben oder dass verschiedene Tee-Kuren oder andere Nahrungsergänzungsmittel empfohlen werden können”, so Roman gegenüber AFP auf die Behauptung aus dem Facebook-Post.

“Die Behandlung – sowohl die Ernährungsweise als auch die medikamentöse Therapie – sollte von Diabetes-Spezialistinnen und Spezialisten durchgeführt werden. Jede andere Informationsquelle (Fehlinformation) hat keine wissenschaftliche Grundlage und kann der Gesundheit schaden”, schrieb die Professorin der Universiät Iuliu Hațieganu.

“Diabetes in all seinen Formen ist eine gefährliche Krankheit, die, wenn sie nicht richtig behandelt wird, zu schweren Komplikationen und einer erhöhten Frühsterblichkeit führt. Die lebenslange Behandlung kann nur von Diabetes-Spezialistinnen und Spezialisten durchgeführt werden”, so Roman gegenüber AFP.Sie schlussfolgerte, dass “alle anderen Meinungen, Informationen und Empfehlungen von nicht spezialisierten und nicht autorisierten Personen gefährlich sind und nicht berücksichtigt werden sollten”.

Laut Martin sind nicht nur die Behauptungen in dem Video – zumindest für Typ-1-Diabetes – unzutreffend, sondern auch zu den Angaben über “Vitamin E und Omega-3-Fettsäuren gibt es keine Daten”, die dies belegen würden.

Im Jahr 2019 wurde eine Metaanaylse veröffentlicht, die zeigt, dass eine Erhöhung der Omega-3-, Omega-6- oder der gesamten mehrfach ungesättigten Fettsäuren nur minimale bis gar keine Auswirkungen auf die Prävention und Behandlung von Typ-2-Diabetes hat. Durch die Methode der Metaanalyse werden viele frühere Studien kombiniert und analysiert, um eine aussagekräftigere Schlussfolgerung ziehen zu können.

Eine Studie aus dem Jahr 2023, die sich auf Daten aus der schwedischen Bevölkerung stützt, legt nahe, dass Vitamin E dazu beitragen könnte, die Funktion der Betazellen zu erhalten und damit das Risiko von Autoimmundiabetes zu verringern. Den Autorinnen und Autoren der Studie zufolge könnte eine Ernährung, die reich an Vitamin E ist, eine schützende Rolle bei der Entstehung einer bestimmten Diabetesart namens LADA spielen, indem dadurch möglicherweise die Autoimmunität gehemmt und so eine Insulinresistenz verhindert wird.

diabetes ist nicht heilbar, nur behandelbar

Weltkarte mit der Prävalenz von Diabetes in der Bevölkerung im Alter von 20-79 Jahren, nach Ländern AFP

Diabetes ist eine häufige Krankheit

Insgesamt leidet in Rumänien etwa einer von zwölf Erwachsenen an Diabetes, was leicht unter dem europäischen Durchschnitt von einer von elf Erwachsenen liegt. Und schätzungsweise jeder zweite Mensch in Rumänien weiß nicht, dass er oder sie Diabetes hat – wie die Daten der Studie ebenfalls zeigen.

Das Nationale Institut für öffentliche Gesundheit (INSP) erklärt in einem Dokument über die Entwicklung von Diabetes zwischen 2012 und 2021, dass die Zahl der Diabetesfälle in Rumänien in dem beobachteten Zeitraum von Jahr zu Jahr gestiegen ist. Aus dem Dokument geht hervor, dass von 2012 bis 2021 der Typ-2-Diabetes den höchsten Anstieg der Fälle verzeichnet, gefolgt von Typ-1-Diabetes.

Auch bei den Diabetes-Todesfällen war in den letzten zehn Jahren ein Anstieg zu verzeichnen. Die meisten diabetesbedingten Todesfälle treten bei insulinunabhängigem Diabetes auf, wobei Typ-1-Diabetes die zweithäufigste Todesursache ist. Schätzungen des rumänischen Diabetesforums zufolge sterben jährlich mehr als 24.000 Rumänen an den Folgen von Diabetes.

Nach Prognosen der International Diabetes Federation (IDF) wird die Gesamtzahl der Menschen mit Diabetes bis 2030 auf 643 Millionen und bis 2045 auf 783 Millionen ansteigen.

AFP hat bereits viele andere falsche Behauptungen im Zusammenhang mit Diabetes überprüft, insbesondere die Behauptung, Diabetes könne durch verschiedene Nahrungsergänzungsmittel (hier, hier, hier, hier) oder alternative Therapien (hier) geheilt oder verhindert werden.

Fazit: Die Behauptungen, die in dem Video aufgestellt werden, wonach Diabetes mit der richtigen Ernährung und mit Vitaminen “verhindert” und “in sechs Monaten geheilt” werden könne und Insulin gar nicht notwendig sei, sind falsch. Diabetes ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die immer von Fachpersonen behandelt werden sollte.

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