Spionage für China: EU-Parlament suspendiert Mitarbeiter von AfD-Mann Maximilian Krah
Ein Mitarbeiter des AfD-Abgeordneten Maximilian Krah soll Interna des EU-Parlaments an China weitergereicht haben. Nun hat ihn das Parlament suspendiert. Zuvor hatte ihn der Generalbundesanwalt festnehmen lassen.
Spionage für China: EU-Parlament suspendiert Mitarbeiter von AfD-Mann Maximilian Krah
Der Vorwurf lautet geheimdienstliche Agententätigkeit in einem besonders schweren Fall: In der Nacht auf Dienstag hat der Generalbundesanwalt in Sachsen einen chinesischstämmigen deutschen Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten der Partei zur Europawahl Maximilian Krah festnehmen lassen. Nun hat auch das Europaparlament Konsequenzen gezogen – und den Beschuldigten entlassen.
»In Anbetracht der Schwere der Enthüllungen hat das Parlament die betreffende Person mit sofortiger Wirkung suspendiert«, sagte eine Sprecherin des Parlaments am Mittag.
DER SPIEGEL fasst die wichtigsten News des Tages für Sie zusammen: Was heute wirklich wichtig war – und was es bedeutet. Ihr tägliches Newsletter-Update um 18 Uhr. Jetzt kostenfrei abonnieren.
Jian G., 43, soll im Januar mehrfach interne Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen aus dem Europaparlament an einen chinesischen Geheimdienst weitergegeben haben, so der Vorwurf der Ermittler.
Nach SPIEGEL-Informationen sei es dabei unter anderem um den Diskussionsprozess zu »sicherheits- und verteidigungspolitischen Auswirkungen des Einflusses Chinas auf die kritische Infrastruktur in der Europäischen Union« gegangen sowie um einen Entschließungsantrag »zu der anhaltenden Verfolgung der Falun-Gong-Bewegung in China«.
Außerdem soll er chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht haben.
Die Ermittler gehen davon aus, dass Jian G. bereits seit langer Zeit für einen chinesischen Geheimdienst tätig war, womöglich noch bevor er 2019 Mitarbeiter des sächsischen AfD-Europaabgeordneten Krah wurde.
Laut Bundesanwaltschaft führten Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zu seiner Festnahme. Der Zugriff erfolgte durch das Landeskriminalamt Sachsen, die weiteren Ermittlungen übernimmt das Bundeskriminalamt. Jian G. soll nun in Karlsruhe einem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden, der entscheidet, ob er in Untersuchungshaft kommt.
Jian G.s Verteidiger und Maximilian Krah waren für eine aktuelle Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Krah teilte auf der Plattform X mit, der Vorwurf von Spionage für ein anderes Land sei »eine schwerwiegende Anschuldigung«. Er fügte hinzu: »Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen.«
Ein AfD-Pressesprecher teilte mit: »Die Meldungen über die Verhaftung eines Mitarbeiters von Herrn Krah wegen Spionageverdachts sind sehr beunruhigend. Da uns derzeit noch keine weiteren Informationen zu dem Fall vorliegen, müssen wir die weiteren Ermittlungen des Generalbundesanwalts abwarten.« Die AfD werde »alles unternehmen, um die Aufklärung zu unterstützen«, so der Sprecher.
Laut der Organisation Lobbycontrol sind die Spionagevorwürfe gegen seinen Mitarbeiter nicht neu: »Der Spionageverdacht gegen seinen Mitarbeiter ist bereits seit 2023 bekannt, Krah zog damals keine Konsequenzen«, erklärte am Dienstag Aurel Eschmann von Lobbycontrol. Damit habe Krah »nicht nur die Integrität der EU, sondern auch deren Sicherheitsinteressen gefährdet«.
Krah sei als Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl »nicht mehr haltbar«, betonte Eschmann. »Er sollte sein Mandat im EU-Parlament zudem sofort niederlegen.« Ein Sprecher Krahs wies gegenüber der Nachrichtenagentur AFP den Vorwurf von Lobbycontrol zurück, dass der Spionageverdacht schon länger bestehe: »Das ist nicht der Fall, uns liegen keine verlässlichen Informationen vor.«
Unterwegs in der Dissidentenszene
Nach SPIEGEL-Recherchen arbeitete Jian G. früher für die Dependance eines chinesischen Solarunternehmens in Dresden sowie eine LED-Handelsfirma, die ihren Kunden auch »transkulturelle Kommunikation zwischen Deutschland und China« offerierte. Krah hat ihn mal als Anwalt vertreten, wie der AfD-Politiker Ende 2023 dem SPIEGEL bestätigte.
Vor einigen Jahren bewegte sich G. in der Dissidentenszene. Fotos zeigen ihn bei einem Treffen mit dem Dalai Lama im indischen Exil, in einem Erfahrungsbericht über die Reise beklagte er die »gewaltsame Unterdrückung« der Tibeter durch die Kommunistische Partei Chinas.
Ausländische Nachrichtendienste hatten ihn hingegen schon länger im Verdacht, in Wirklichkeit eng an den chinesischen Staatsapparat angebunden zu sein. Anfragen dazu ließ Jian G. im Dezember unbeantwortet.
Nach Recherchen des SPIEGEL bot Jian G. im vergangenen Jahr mehreren Nachwuchspolitikern der AfD-Jugendorganisation »Junge Alternative« (JA) Reisen nach China an. Es seien mehrere Delegationsreisen für Parteifreunde angedacht, ließ er Kader der JA in Sachsen wissen. Die Flüge müssten die Mitreisenden bezahlen, Essen und Übernachtungen in China würden übernommen.
Jian G.s Chef Maximilian Krah drängt innerhalb der AfD seit Jahren auf einen chinafreundlichen Kurs.
Im November 2019 reiste er nach Peking und in andere Städte, besuchte ein Forschungszentrum des umstrittenen Telekommunikationskonzerns Huawei und verbrachte sechs Nächte in vornehmen Hotels.
Kurz nach der Reise beschwerte Krah sich bei Mitgliedern der AfD-Bundestagsfraktion über deren harte Haltung gegenüber Huawei. Die Fraktion forderte zu dieser Zeit faktisch einen Ausschluss chinesischer Anbieter aus dem deutschen 5G-Mobilfunknetz. Er habe diese Position »mit einiger Verwunderung« zur Kenntnis genommen, schrieb Krah.
In einem Interview mit der rechtsextremen Zeitschrift »Zuerst!« beklagte Krah später, China sei der neue »Lieblingsfeind« des Westens. Wenn Europa ein »unabhängiger globaler Mitspieler sein möchte und nicht nur Vasall der Amerikaner«, dann müsse es »gute Beziehungen mit China anstreben«. Berichte über Umerziehungslager für Uiguren in der Region Xinjiang bezeichnete Krah auf Twitter als »Gruselgeschichten«.