Sparvorgaben: Drei Ministerinnen gegen Lindner?
Entwicklungsministerin Schulze, Außenministerin Baerbock und Innenministerin Faeser im April in Berlin
Wenn die Koalition etwas kann, ist es, öffentlich um Geld zu streiten. Vor gerade einmal drei Monaten beschloss der Bundestag nach langem und intensivem Ringen zwischen SPD, Grünen und FDP den Haushalt für dieses Jahr. Nun ist der nächste Konflikt in der Koalition offen ausgebrochen.
Es ist eine interessante Konstellation. Weil anders als im vergangenen „goldenen“ Jahrzehnt weder die Steuereinnahmen einen unerwarteten Spielraum auf der Einnahmeseite signalisieren noch sinkende Zinsen dasselbe auf der Ausgabenseite verschaffen, ist die alte Finanzplanung zugleich die neue. Und das heißt kurz und brutal: Gegenüber diesem Jahr muss die Bundesregierung 25 Milliarden Euro sparen. Dieses Jahr kann sie 476,8 Milliarden Euro ausgeben, nächstes Jahr sollen es nur 451,8 Milliarden Euro sein.
Diese Finanzplanung gilt – und schon ist die Aufregung groß. Aus Sicht des Finanzministers ist das unverständlich. Christian Lindner (FDP) kann schließlich darauf verweisen, dass die Bundesregierung gemeinsam die Zahlen bis zum Jahr 2027 beschlossen hat, also auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) vor einem Dreivierteljahr dem zugestimmt haben, was sie nun nicht mehr wahrhaben wollen. Außerdem beruft er sich auf eine Absprache mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne).
Lindners Brandbrief
Am 7. März schrieb der FDP-Politiker seinen Kabinettskollegen einen Brandbrief. In Kurzform lautet die Botschaft: große Herausforderung, Wachstum schwach, Konsolidierung geboten, die den Wirtschaftsstandort stärkt. Man müsse zurück auf den alten Ausgabenpfad. Schwierig sei die Lage auch deshalb, weil selbst im Finanzplan noch eine Lücke gewesen sei. Daher bildeten die Ansätze von Anfang Juli 2023 „mit den zwischenzeitlichen Vereinbarungen des Bundeskanzlers, des Vizekanzlers und des Finanzministers“ vom Dezember und Januar die Obergrenze für die Ressortanmeldungen. Fristende war der vergangene Donnerstag.
Was das Kabinett einst beschlossen hat, ist das eine, das gesunde Eintreten für die eigenen Ziele oder schlicht Ressortegoismus ist das andere. So sind schon die ersten Anmeldungen höher, als die Vorgabe war. Vor allem drei Ministerinnen, die sich um die innere und äußere Sicherheit kümmern, sind nicht mit den Sparvorgaben zufrieden: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD).
Der gesamte Ausgabenrahmen ist nicht flexibel, solange die Schuldenbremse gilt. SPD und Grüne dringen auf einen neuen Notlagenbeschluss. Lindner lehnt das ab, weil er nicht noch einmal vom Bundesverfassungsgericht abgekanzelt werden möchte. Aber er hat getan, was er konnte. Er hat die Konjunkturkomponente in der Schuldenregel geändert, um den Spielraum in konjunkturell guten Zeiten stärker einzugrenzen und ihn in konjunkturell schlechten Zeiten zu erhöhen. Das greift erstmals im nächsten Jahr.
Alles in allem kann der Bund nächstes Jahr Stand heute 23,8 Milliarden Euro neue Schulden machen – knapp 8 Milliarden Euro mehr als im Sommer 2023 gedacht. „Dadurch ergeben sich jedoch nur minimale Spielräume für den Haushalt 2025, da der überwiegende Teil benötigt wird, um die niedrigeren Steuereinnahmen zu kompensieren“, heißt es im Bundesfinanzministerium.
Ohne Sicherheit sei alles andere nichts, pflegt der Bundeskanzler zu sagen, und das nutzt nun auch das Haus von Baerbock, um die Einsparvorgaben auszuhebeln. Denn im Auswärtigen Amt blickt man auf die so unsichere internationale Lage, die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine, um daraus abzuleiten, dass die geforderten Einsparungen nicht denkbar sind. Auch die Nationale Sicherheitsstrategie mit ihrer Vernetzung von innerer und äußerer Sicherheit kann als Argumentationshilfe herangezogen werden.
Mit den Vorgaben aus Lindners Haus würde aus Sicht des Auswärtigen Amtes gar nicht mehr genug Geld für die Sicherheitsaufgaben zur Verfügung stehen. So stand in der Anmeldung des Finanzbedarfs des Auswärtigen Amtes die Summe von 7,39 Milliarden Euro, die man im nächsten Jahr ausgeben will. Befürchtet hat man, sonst auf 5,1 Milliarden Euro zurückgeworfen zu werden. Das Außenministerium beansprucht jetzt sogar mehr Geld, als es für dieses Jahr zugesprochen bekommen hat: 2024 stehen 6,7 Milliarden Euro bereit. Im vergangenen Jahr waren es 7,45 Milliarden Euro.
Kaum Spielraum für Verhandlungen
Im Außenministerium aber sieht man keine anderen Möglichkeiten, und das dürfte den Spielraum für Verhandlungen in den nächsten Wochen dramatisch einengen. Wenn man den vorgegebenen Rahmen einhalten wollte, würden nach den Pflichtausgaben des Hauses – darunter fallen neben Personalkosten auch Kosten für Liegenschaften im Ausland und die Mitgliedsbeiträge für internationale Organisationen wie die UN – dramatische Kürzungen anstehen.
Vor allem in den Bereichen, die das Auswärtige Amt als sicherheitsrelevant für Deutschland einstuft. Die humanitäre Hilfe hätte auf 1,3 Milliarden Euro nahezu halbiert werden müssen, angemeldet sind nun 2,2 Milliarden, auch bei den Mitteln zur Krisenprävention und Stabilisierung hätte es statt der angemeldeten 400 Millionen Euro massive Einschnitte geben müssen, und die IT-Mittel hätte man halbiert. Neben der humanitären Hilfe gibt das Ministerium Geld aus, um der Ukraine bei der Abwehr von Cyberangriffen zu helfen oder beim Wiederaufbau von Energieinfrastruktur und beim Räumen von Minen.
Zumindest durch interne Umschichtungen zeigt das Ministerium aber auch eine gewisse Sparbereitschaft. Manche Bereiche, die nicht zu den sicherheitsrelevanten Aufgaben gezählt werden, müssen künftig mit weniger Geld auskommen, das wird neben Kulturprojekten unter anderem auch Besucherprogramme betreffen oder kleinere bislang geplante Baumaßnahmen an Auslandsvertretungen. Am Ende aber bleibt die Summe: 7,39 Milliarden Euro.
Faeser setzt offenbar auf Gespräche hinter verschlossener Tür
Und noch eine unglückliche Ministerin gibt es. Denn Bundesinnenministerin Nancy Faeser soll auch sparen – und will das nicht. Bei ihr fällt der Betrag aber nicht ganz so dramatisch aus. Der Haushalt der Sozialdemokratin lag zuletzt bei 13,3 Milliarden Euro, etwa eine Milliarde soll laut Finanzministerium gestrichen werden. Aber Faeser geht anders vor als Baerbock. Man „poltere“ nicht. Drei Frauen gegen Lindner? Das will man eher nicht. Faeser setzt offenbar auf Verhandlungen hinter verschlossener Tür mit Kanzler und Finanzminister. Deswegen teilt das Innenministerium auch nicht mit, wie viel Geld es gerne im nächsten Jahr hätte.
Faeser zieht stattdessen auch die Sicherheitskarte. Dem Innenministerium untersteht sehr viel Personal, 86.000 Personen, allein 54.000 Bundespolizisten. Da will man nicht sparen. Die Zeitenwende müsse schließlich auch in der Finanzplanung abgebildet werden, heißt es aus dem Ministerium.
Die Milliardenlücke hofft man noch wegverhandeln zu können – und gleichzeitig den großen Koalitionskrach doch nicht ausbrechen zu lassen. Denn der Haushalt ist das in Zahlen gegossene Programm einer Regierung. Andersherum gewendet: Ohne Haushalt hat man eine Regierung ohne Programm. Ein Kabinettsbeschluss vor der Sommerpause wäre demnach ein gutes Zeichen. Jede Verzögerung ein schlechtes.