Kommentar zu föderalem Verfassungsschutz: Deutschland – das sind die Länder

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Der Bundesrat.

Es wird viel Richtiges gesagt werden aus Anlass des 75-jährigen Jubiläums des Grundgesetzes am 23. Mai. Aber sicher ist auch, was wieder weitgehend vergessen wird: die Länder. Sie gab es schon vor dem Bund. Denn sie formen ihn erst. Das deutsche Volk habe „in den Ländern . . .“, wie es in der ursprünglichen Präambel hieß, „um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben“, das Grundgesetz beschlossen.

Die westlichen Militärkommandeure hatten den westdeutschen Ministerpräsidenten in den sogenannten Frankfurter Dokumenten den Auftrag erteilt, eine Verfassung auszuarbeiten. In Frankfurt wurde der Entwurf des Grundgesetzes am 12. Mai genehmigt. Auch die Landtage hatten diese in deutscher Verfassungstradition stehende neue Ordnung vor ihrem Inkrafttreten im Wesentlichen gebilligt.

Das alles gerät gern in Vergessenheit. Dabei ist die Bedeutung der Länder keineswegs nur eine historische, sondern geltendes Verfassungsrecht. Es sind die Länder, die grundsätzlich das Recht zur Gesetzgebung haben, es sind die Länder, die Bundesgesetze ausführen. Die Länder sind zudem die Herren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Und die Bundesstaatlichkeit Deutschlands darf auch nicht im Rahmen der europäischen Integration aufgegeben werden.

Eine wichtige Rolle – auch beim Schutz des Grundgesetzes

Es sind somit auch die Länder, denen eine wichtige Rolle zukommt, wenn es darum geht, das Grundgesetz zu schützen und Deutschland vor einem Rückfall in vordemokratische und rechtlose Zeiten zu bewahren.

Es ist kein Zufall, dass sowohl die braunen wie die roten Machthaber bald versuchten, die Länder auszuschalten und den lange gewachsenen Föderalismus zu brechen. Von seiner Kraft zeugt, dass auch vierzig Jahre SED-Herrschaft die alten regionalen Strukturen nicht aus dem Bewusstsein verschwinden ließen. Die Wiedererstehung der Länder, historisch bedingt in teils neuem Zuschnitt und auch mit Neuschöpfungen verbunden, war keine Frage.

Ein abermalige Neuordnung Deutschlands wäre ebenfalls nur über die Länder möglich. Dass die Hälfte der Richter des Bundesverfassungsgerichts vom Bundesrat gewählt wird und jetzt auch über dessen Stärkung im Zuge eines vermehrten verfassungsrechtlichen Schutzes des Gerichts diskutiert wird, ist nur ein Aspekt.

Verfassungsschutz findet in den Ländern und durch die Länder statt. Richtig ist aber auch, dass ein Marsch durch die Institutionen mit dem Ziel einer Umwälzung der Verhältnisse dort beginnen kann, in kleinen Ländern sogar relativ einfach.

Flickenteppich? Föderalismus!

Dabei ist es allerdings erst einmal normal und gewollt, dass die Länder unterschiedlich sind. Wozu gibt es sie sonst? Das ist deshalb zu betonen, weil jedes grundsätzliche Bekenntnis zum Föderalismus in Deutschland oft nicht weit entfernt von der Dauerklage über den angeblichen deutschen „Flickenteppich“ ist.

Wer freilich die Idee eines Bundes bejaht, das gilt ja auch im Privaten, tritt damit auch für Unterschiede und Vielfalt ein. Andere Länder, andere Sitten – und andere Regeln. Ja, das gilt auch in Deutschland. Und das ist gut so. Weil es eben auch verschiedene Erfahrungen gibt, die zum Beispiel erklären können, warum Bürger mit DDR-Erfahrung etwas anders ticken und wählen, auch über Landesgrenzen hinweg, als anderswo. Das führt noch nicht per se zum Untergang der Republik.

Die Länder sollten sich ihre Eigenständigkeit im Rahmen des Bundes bewahren und nicht dem fatalen Hang zur Selbsteinebnung nachgeben, der leider auch schon bundesrepublikanische Tradition ist. Die Länder sind Staaten und sollten das auch selbstbewusst leben. Nicht weniger jedenfalls als im Deutschen Reich, als einmal der Bürgermeister Hamburgs den schulterklopfenden Kaiser staatsrechtlich kühl-korrekt mit „Hoher Verbündeter“ ansprach.

Natürlich gibt es im föderalen, demokratischen Gebilde Rechten und Pflichten. Nach Gutdünken darf niemand entscheiden. Der Sinn des Bundes ist aber auch: Bestimmte Grundsätze und Strukturen gelten für alle. Nach außen muss man einig sein, man braucht einander.

Nicht gelebte Gewaltenteilung

Die föderale Gewaltenteilung hat sich im Grundsatz bewährt. Das Problem ist eher, dass sie nicht gelebt wird. Wettbewerb führt auch hier zu mehr Anstrengung. Dass sich die Länder immer einig sein müssen, von den Polizeiuniformen über die Besoldung bis hin zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, steht nirgends geschrieben. Und wenn es so wäre, dann wäre das die festgeschriebene Verarmung einer Republik, die den Zusatz Bund nicht mehr verdiente. Auf der anderen Seite kontrollieren die Länder den Bund und auch einander.

Die Länder schützen das Grundgesetz, schützen die gesamte freiheitliche Ordnung somit durch ihr Dasein und ihr Verschiedensein. Ohne sie läuft nichts. Auch das ist ein Anlass zum Feiern.

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