Söder in Rom: Ein bayerisches Lob für Meloni
Ein später Antrittsbesuch: Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni empfängt Markus Söder am Freitag in Rom.
Eigentlich ist es das Wetter für einen Strandbesuch, nicht für einen Staatsbesuch. Die Gewitter vom Vortag haben den Himmel über der Ewigen Stadt saubergewaschen. Die Luft ist klar und frühlingsmild, kein Sahara- und kein Straßenstaub. Die stickige Hitze des Sommers von Rom mag der Besucher aus Bayern an einem herrlichen Maientag wie diesem nicht erahnen.
Früher war es bei Begegnungen von Deutschen und Italienern am Strand doch so, dass die recht kühlen Blonden aus dem Norden auf die eher hitzigen Schwarzschöpfe im Süden stießen. Und sich dabei so ergänzten, dass beide Seiten auf ihre Kosten kamen. Die einen brachten das Geld mit und den Hunger nach Sonne und menschlicher Wärme. Die anderen nahmen das Geld und befriedigten das doppelte Bedürfnis.
Handynummern ausgetauscht
Beim Besuch des Ministerpräsidenten aus dem Freistaat Bayern bei der Regierungschefin Italiens am Freitag war die Rollenverteilung umgekehrt, von der Haarfarbe bis zum Temperament. Der dunkle Schopf mit dem politisch wetterwendischen Gemüt war jener aus dem Norden, das ondulierte helle Haar gehörte dem pragmatischen Geist aus dem Süden. Wenn nicht alles täuscht, hat es zwischen den komplementären Charakteren bei der Begegnung im Palazzo Chigi, dem Amtssitz italienischer Ministerpräsidenten, ebenso gefunkt wie früher am Strand mit umgekehrten Vorzeichen.
Das Treffen sei „konstruktiv und intensiv“, ja „spannend“ gewesen und habe deutlich länger gedauert als geplant, sagt Söder nach dem Treffen mit Meloni in der Residenz des deutschen Botschafters in aufgeräumter Stimmung. Man hat ohne Übersetzer auf Englisch miteinander geredet und die Handynummern ausgetauscht.
Die Rede, die der CSU-Chef kürzlich beim Parteitag der Schwesterpartei CDU in Berlin gehalten hat, war wie der Widerhall dessen, was die Parteichefin der rechtskonservativen Brüder Italiens seit langem sagt. Jedenfalls seit sie vor anderthalb Jahren als erste Frau in der Geschichte der Republik Italien das höchste Regierungsamt angetreten hat.
Söder würdigt Migrationsabkommen mit Albanien
Was Söder jüngst beim Parteibesuch bei der CDU in Berlin forderte, wiederholte er jetzt beim Staatsbesuch in Rom, in voller Übereinstimmung mit seiner Gastgeberin, wie er versicherte. Man müsse die Umwelt in Harmonie mit der Wirtschaft schützen und sich einer grünen Klimaideologie und Verbotskultur widersetzen. Der Verbrennungsmotor müsse erhalten bleiben statt ihn überstürzt auf dem von den Chinesen bereiteten Altar der Elektromobilität zu opfern.
Es gelte, für christliche Werte wie Solidarität einzutreten, aber auch die unkontrollierte Einwanderung zu bekämpfen. Dabei müssten Pullfaktoren korrigiert und entschlossene Rückführungen in die Heimatländer praktiziert werden. Außerdem brauche es Übereinkommen mit Partnerländern in Nordafrika, um die Abfahrten der Schlepperboote über das Mittelmeer zu verhindern, sowie Drittstaatenmodelle mit Asylantragsprüfung außerhalb der EU – in beiden Fällen lobte Söder die Migrationspolitik Melonis als potentiell beispielhaft für Europa, namentlich die Partnerschaft Roms mit Tirana zur Errichtung von Aufnahme- und Abschiebezentren in Nordalbanien.
Dies alles fordert auch Meloni, und sie verwirklicht es sogar, soweit dies im Rahmen der Verträge und Vereinbarungen der EU möglich ist, und im einvernehmlichen Dialog mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Denn anders als die CDU/CSU in Berlin sind Melonis Brüder Italiens in Rom nicht in der Opposition, sondern an der Macht.
Und Meloni plant, dank des erhofften starken Abschneidens bei der Europawahl in vier Wochen mit zusätzlichen Mandaten für rechtskonservative Kräfte im Straßburger Parlament ihre italienische Wende nach rechts in eine auch europäische zu transformieren. Auch hierbei überschneiden sich die Interessen der italienischen Regierungschefin und des bayerischen Ministerpräsidenten: Die Linke (und die Grünen) in Europa endlich in die Opposition zu schicken, lautet Melonis Ziel und Schlachtruf für die Europawahl in vier Wochen.
Doch Söder musste tiefe Berührungsängste mit Meloni überwinden. Sein Parteifreund Manfred Weber (CSU) und später sogar Ursula von der Leyen (CDU) waren da schneller, letztere habe ihn zu dem Besuch bei Meloni buchstäblich „überredet“, ließ Söder wissen. Weber und von der Leyen nennen als Bedingungen für eine Zusammenarbeit mit Parteien rechts der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) drei Bedingungen: das Bekenntnis zu Europa, die Unterstützung des russischen Kriegsopfers Ukraine und das Einhalten rechtsstaatlicher Prinzipien. Meloni und die Mitte-rechts-Koalition ihrer Brüder Italiens mit der rechtsnationalen Lega und der christdemokratischen Forza Italia, die ohnedies zur EVP-Familie gehört, erfüllen diese Bedingungen – auch wenn das Linke, Grüne und einige Liberale anders sehen wollen.
Vordergründig ging es bei dem Vieraugengespräch im Palazzo Chigi neben der Migrations- und Umweltpolitik auch um Fragen der Energieversorgung Deutschlands über die „Südschiene“ sowie um den Streit über den Brenner-Transit – bei dem Italiener und Deutsche auf der gleichen Seite gemeinsam gegen die Österreicher stehen. Das tiefere Thema war jedoch die Möglichkeit einer engeren Kooperation zwischen Christdemokraten und Rechtskonservativen nach der Europawahl.
Für den Nachmittag stand für Söder statt Strand immerhin Altstadt auf dem Programm. Es ging zur Spanischen Treppe und zum Trevi-Brunnen. An diesem Samstag empfängt Papst Franziskus Söder in Privataudienz. Schließlich ist eine Kranzniederlegung am Grabmal von Benedikt XVI., dem „bayerischen Papst“ in der Krypta unter dem Petersdom vorgesehen.