Kriminalstatistik: Wir haben kein Migrationsproblem, wir haben ein Integrationsproblem!

kriminalstatistik: wir haben kein migrationsproblem, wir haben ein integrationsproblem!

Kriminalstatistik

Die Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik sind bedenklich: mehr Gewaltverbrechen, mehr Straftaten von Jugendlichen – und mehr Ausländerkriminalität. Doch der Schluss, Migranten seien das Hauptproblem, ist falsch.

Deutschland ist durch Migration unsicherer geworden. Das hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2023 zugegeben. Auf dem Papier ist das richtig. Auf dem Papier gab es im vergangenen Jahr mehr Straftaten. Auf dem Papier hat auch die Gewalt zugenommen. Auf dem Papier sind Ausländer krimineller als Deutsche. Aber wie es mit Statistiken nun mal so ist: Die reinen Zahlen bilden zwar ab, sie erklären aber nicht. Was man konstatieren muss: Ja, Deutschland hat ein Kriminalitätsproblem – wie übrigens auch die meisten anderen Staaten. Aus einzelnen Zahlen zur Ausländerkriminalität aber zu schließen “Ausländer raus und alles ist gut”, ist absoluter Quatsch.

Die Kriminalstatistik lädt ein, sich zu echauffieren

Schon Tage vor der Veröffentlichung der Statistik war die Empörung groß, weil einzelne Passagen an Zeitungen durchgestochen wurden. “40 Prozent der Straftaten werden von Ausländern begangen” titelten manche Boulevard-Medien. Abgesehen davon, dass die Zahlen falsch wiedergegeben (die PKS erfasst die Anzeigen, nicht die Verurteilungen), schüren solche Schlagzeilen Ressentiments, ohne auch nur zu hinterfragen, warum Straftaten passieren. Jahr für Jahr laden die veröffentlichten Daten dazu ein, sich über sie zu echauffieren: verrohte Jugend, verrohte Ausländer, verrohte Gesellschaft. Die AfD fordert mehr Abschiebungen, die CDU fordert mehr Polizei, SPD und Grüne betonen, man nehme das alles sehr ernst. Am Ende passiert meist nichts – und das aus gutem Grund: Es ist unglaublich schwierig, langwierig und teuer, die eigentlichen Probleme zu lösen – ein Dekadenprojekt, an das sich keine Partei herantraut.

Kriminalität ist in den meisten Fällen ein Symptom von Armut, fehlender gesellschaftlicher Teilhabe oder mangelhafter Integration. Das soll keine Straftaten entschuldigen, bagatellisieren oder kleinreden. Die Menschen, die Verbrechen begehen, müssen dafür geradestehen und bestraft werden. Aber immer nur das Symptom zu bekämpfen, statt die eigentliche Krankheit, hat den gleichen Effekt, als würde man bei einem offenen Bruch Schmerzmittel schlucken, anstatt ins Krankenhaus zu gehen und sich operieren zu lassen.

Migranten und Geflüchtete leben in Deutschland häufig in prekären Verhältnissen. Und häufig sind sie nicht selbst dafür verantwortlich, sondern der Staat. Viele bekommen keine Chance, sich zu integrieren, die Sprache zu lernen oder zu arbeiten. Frei nach der Rap-Gruppe KIZ: “Glaubt ihr, die Flüchtlinge sind in Partyboote gestiegen, mit dem großen Traum, im Park mit Drogen zu dealen?”

Das Kriminalitätsproblem kann man lösen: Mehr Sozialarbeit statt härtere Strafen

In Puncto Integration ist Deutschland im vergangenen Jahrhundert stehen geblieben. Wir schaffen es nicht, das Potenzial der Menschen zu nutzen, die zu uns kommen, weil wir vergessen, dass sie nicht mit den gleichen Vorzeichen starten wie Menschen, deren Muttersprache Deutsch ist, die schon ihr Leben lang hier wohnen und die an Kultur und Gesellschaft gewöhnt sind. Sie brauchen Hilfe – und genau die bekommen sie nicht.

Die Probleme der gestiegenen Kriminalität kann man lösen. Nur eben nicht mit den Mitteln, mit denen sich Politiker gerne brüsten. Nicht mit einer gesteigerten Polizeipräsenz auf öffentlichen Plätzen, nicht mit strengeren Abschiebegesetzen oder härteren Strafen. Sondern mit Löhnen, die zum Leben reichen, mit Sozialarbeit, Streetworkern, Ganztagsangeboten in Schulen oder Jugendclubs, einem Ausbau von Sprachkursen und pädagogischer Betreuung. Applaus gibt es dafür keinen, aber nur so kann man verhindern, dass Menschen überhaupt auf die schiefe Bahn geraten.

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