Im Clinch mit der Wirtschaft: Bundeskanzler Olaf Scholz
Die Länge der Pressemitteilungen ist nahezu identisch, aber der Tonfall könnte unterschiedlicher kaum sein. Das Treffen der vier Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch verlief offenbar ähnlich unterkühlt, wie schon zuvor die Stimmung zwischen beiden Seiten war. Ein anderer Gesprächsgast auf der Klausurtagung von BDI, DIHK, BDA und ZDH kam dagegen deutlich besser an.
„Der Dialog mit dem Bundeskanzler und der Bundesregierung über Schritte zur strukturellen Stärkung des Standorts Deutschland ist dazu sehr wichtig“, schreiben die vier Verbände am Ende ihrer gemeinsamen Kommentierung des Gesprächs mit Scholz. Kein Wort des Danks für den Austausch, auch keine diplomatische Formulierung zu Punkten, zu denen man sich einig ist: Auf die im politischen Geschäft üblichen Höflichkeiten verzichten die Verbände bewusst. Nur dieser karge Satz: „Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft stehen auch weiterhin jederzeit für einen Dialog zur Verfügung, wie die erforderlichen Schritte konkret umsetzbar sind. Dabei geht es um Maßnahmen gegen die anhaltende wirtschaftliche Schwäche Deutschlands.
Das hatten die Wirtschaftsvertreter schon Anfang des Jahres in einer Erklärung getan, die von international wettbewerbsfähigen Strompreisen über eine Steuerreform bis zu einer Reform der Sozialsysteme reicht. Auf der Handwerksmesse in München wollten sie mit Scholz über die Vorschläge sprechen. Das gelang, je nachdem, mit wem man darüber spricht, mäßig bis gar nicht. Auf der Pressekonferenz nach dem Gespräch in München mit BDI-Präsident Siegfried Russwurm und Handwerkspräsident Jörg Dittrich trieb Scholz den Puls der Verbandschefs vielmehr noch weiter in die Höhe, als er referierte: „Ich weiß als ehemaliger Hamburger Bürgermeister, dass der Gruß des Kaufmanns die Klage ist. Das ist nicht schlimm und seit Jahrhunderten so.“ Dann fügte er noch an, dass „der Strompreis bereits auf dem Niveau vor der Energiekrise liegt, jedenfalls für die Unternehmen“. Die Verbände fühlten sich vom Kanzler abgekanzelt, was Russwurm ihm in einem Interview prompt so auch vorwarf.
Verbände fordern „entschiedenes Wachstumsprogramm“
Den Großteil der Presseerklärung nach dem Gespräch jetzt am Mittwoch nutzen die Verbände auch, um noch einmal aufzulisten, was aus ihrer Sicht alles falsch läuft. Und um zu betonen: „Die Transformation der deutschen Wirtschaft, die wesentlich von Digitalisierung und Dekarbonisierung getrieben ist, kann nur von starken und wettbewerbsfähigen Unternehmen und Betrieben gemeistert werden. Wir brauchen deshalb ein entschiedenes Wachstumsprogramm für Deutschland.“ Was das enthalten und vor allem wie es finanziert werden soll, darüber besteht zwischen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) aber weiter Uneinigkeit.
Deutlich besser kam bei der Wirtschaft der Auftritt von CDU-Chef Friedrich Merz auf der Klausurtagung an. „In dem Gespräch mit dem Vorsitzenden der CDU Deutschlands wurde intensiv über notwendige Reformen gesprochen“, heißt in der entsprechenden Erklärung der Verbände. Und das Lob geht noch weiter: „Es bestand große Übereinstimmung in der Einschätzung der Handlungsnotwendigkeit und Handlungsfelder. Der ,Reformplan für eine starke Wirtschaft‘ der CDU Deutschlands (12-Punkte-Papier) wurde intensiv diskutiert.“ Aus Sicht der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft würden „hier richtige Impulse in wichtigen Bereichen gesetzt“, heißt es in der Mitteilung weiter.
Wie am Donnerstag zu hören war, war nicht jeder in den Verbänden glücklich mit den so konträr ausgefallenen Erklärungen. Zumal es ein offenes Geheimnis ist, dass zwei Spitzenvertreter aus den Verbänden in ihrem Berufsleben zuvor in herausgehobener Position für die CDU tätig waren: BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter und BDI-Geschäftsführerin Tanja Gönner.
Das Lob für die Union ist insofern bemerkenswert, weil in der vergangenen Legislaturperiode die Zufriedenheit mit dem damaligen CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier denkbar gering war. Der Verband der Familienunternehmer sprach Altmaier sogar die grundsätzliche Eignung für dieses Amt ab. Neben der bürokratischen Auszahlung der Coronahilfen sorgten auch Unionsprojekte wie die Mütterrente für Unmut. Zudem haben CDU-Ministerpräsidenten kürzlich maßgeblich dazu beigetragen, dass das Wachstumschancengesetz im Bundesrat mehr als halbiert wurde. Die Unzufriedenheit mit der Ampelpolitik und speziell dem Kanzleramt scheint aber so groß zu sein, dass die Union in der Wirtschaft wieder als Hoffnungsträger gilt.
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