Habeck nennt Lindners Haushaltsvorschlag "Gerede"

ARCHIV: Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck bei einer Plenarsitzung des Bundestages in Berlin, Deutschland, 5. September 2023. REUTERS/Annegret Hilse

– von Markus Wacket und Holger Hansen

Berlin (Reuters) – – Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat Sparvorschläge von Finanzminister Christian Lindner (FDP) zurückgewiesen und rechnet nach dem Verfassungsgerichtsurteil mit einem noch größeren Haushaltsloch.

Die Aussage, mit weniger Subventionen Klimaschutz und Umbau der Industrie möglich zu machen, sei leicht gesagt, kritisierte der Grünen-Politiker am Montag im Deutschlandfunk. “Die halbe Welt subventioniert genau diesen Prozess.” Der Wettbewerb sei intensiv. “Deswegen ist das erst einmal alles nur Gerede. Die Wirklichkeit sieht anders aus.” Zudem fehlten nicht nur 60 Milliarden Euro aus dem Klimafonds, sondern auch der Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds sei betroffen. Für die Zukunft heiße das beispielsweise, dass die Energiepreisbremse daraus nicht bezahlt werden könne und den Bürgern höhere Strom- und Gaspreispreise drohten.

Das Verfassungsgericht hatte geurteilt, dass 60 Milliarden Euro an nicht benötigten Krediten aus dem Kampf gegen die Corona-Krise nicht in den Klimafonds geleitet werden durften. Das Urteil ist allerdings so formuliert, dass auch andere sogenannte Sondervermögen wie der Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds (WSF) sowie Sondertöpfe der Länder betroffen sein dürften.

Die Union verlangte einen Nachtragshaushalt auch für 2023. Die sei unausweichlich, sagte Unions-Vizefraktionschef Mathias Middelberg. Auch der Haushalt 2024 dürfte so, wie er jetzt vorliegt, nicht beschlussreif sein.” Am Dienstag sollen Sachverständige im Haushaltsausschuss des Bundestags zu den Konsequenzen des Urteils gehört werden. Auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit verwies auf die laufende Prüfung der Regierung und äußerte sich daher nicht zu weiteren Konsequenzen.

Aus der FDP waren auch Forderungen gekommen, nun beim Sozialetat zu sparen. Habeck nannte dies ein Zeichen von Ratlosigkeit: “Wo will man 60 Milliarden Euro Sozialleistungen kürzen? Das geht an der Dramatik der Situation dramatisch vorbei.” Der Sozialverband VdK zeigte sich alarmiert: “Hände weg vom Sozialetat”, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. “Lieber keine Schuldenbremse als ein Sozialstaat mit angezogener Handbremse. Dass die FDP sich jetzt dafür ausspricht, die Milliardenlücken in den Bundesfinanzen auch mit Kürzungen bei den Sozialausgaben zu stopfen, ist ungeheuerlich.” Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, sagte der “Augsburger Allgemeinen”: “Wer eilig Sozialkürzungen fordert, vergisst worauf Deutschlands Stärke fußt: auf dem Ausgleich von wirtschaftlichem Erfolg, Klimaschutz und sozialem Zusammenhalt.”

Laut Habeck könnten auf die Bürger etwa auch Belastungen zukommen, da die Energiepreisbremsen aus dem Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds (WSF) bezahlt werden. Zudem sei geplant gewesen, die Netzentgelte beim Strom über den Klimafonds zu dämpfen. Im Klartext heiße das höhere Strom- und Gaspreise für die Bürger. Dafür sei dann die Union verantwortlich. CDU und CSU prüfen, ob sie auch gegen den WSF klagen.

Die Union verwahrte sich dagegen: Der finanz- und haushaltspolitische Sprecher der CSU, Sebastian Brehm, sagte: “Herr Habeck betreibt seit Tagen eine typische Täter-Opfer-Umkehr.” Nicht das Urteil des Verfassungsgerichts oder die Klage von CDU und CSU gefährdeten Wirtschaft und Arbeitsplätze. “Es ist vielmehr die unsolide und verfassungswidrige Haushaltspolitik von Bundesregierung und Ampelkoalition.”

HABECK DENKT ÜBER ERKLÄRUNG VON HAUSHALTSNOTLAGE NACH

Die Schuldenbremse wolle er auch jetzt nicht abschaffen, sagte Habeck auf die Frage einer Finanzierung durch neue Kredite. Allerdings habe sie Mängel: “Sie ist unflexibel.” Aber er wisse, dass die Einhaltung im Koalitionsvertrag vereinbart sei. “Dann muss man irgendwie Gelder zusammenkratzen und umschichten.”

Auf die Frage, ob man durch die Ausrufung einer Notlage die Schuldenbremse aussetzen könne, sagte Habeck: “Ich kann nur die ökonomischen Daten referieren und sagen, das Jahr 23 war ein Jahr mit drei Quartalen, erstmals mit drei Quartalen ohne Wachstum. Das hatten wir lange nicht, im Grunde noch nie in der Geschichte der Republik.” Er verwies auf den Ukraine-Krieg, Inflation, hohe Energiepreise und die Folgen der Corona-Pandemie. Er wolle aber nicht spekulieren, ob man diesen Weg gehen werde.

Die CO2-Abgabe zum Jahreswechsel stärker als geplant zu erhöhen, habe auch Schattenseiten: “Wir haben noch immer Inflation, damit machen wir natürlich Produkte teurer.” Man könne zwar sagen, damit helfe man dem Klimaschutz. Aber wer dies allein über die Abgabe auf CO2-Emissionen bei Sprit, Gas oder Heizöl erreichen wolle, müsse die Kosten rasant nach oben treiben. “Natürlich würde es etwas bringen, aber man kann damit nicht eine Lücke von 60 Milliarden füllen, ohne die Preise so hoch zu treiben, dass sehr viele Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren würden.”

(Bericht von: Markus Wacket, Holger Hansen und Alexander Ratz; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter [email protected] (für Politik und Konjunktur) oder [email protected] (für Unternehmen und Märkte).)

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