Schlacht um Tschassiw Jar dauert an – Ukraine will Putins Plan rechtzeitig vereiteln
Militärstrategisch wichtiger Ort
Schlacht um Tschassiw Jar dauert an – Ukraine will Putins Plan rechtzeitig vereiteln
Russland setzt der logistisch wichtigen Stadt Tschassiw Jar mächtig zu. Bislang halten ukrainische Verteidiger die Stellung.
Tschassiw Jar – Im Ukraine-Krieg verteidigt Kiew das Städtchen Tschassiw Jar, das 2016 noch rund 13.500 Einwohnerinen und Einwohner zählte, vehement. Allerdings: Russlands Armee hat große Teile des Ortes in der Oblast Donezk bereits eingenommen und drängt weiter vorwärts. In der Vorstellung des Kreml-Machthabers Wladimir Putin soll die Eroberung bis zu einem bestimmten Datum erfolgt sein.
Schlacht um Tschassiw Jar dauert an
Bereits Mitte April waren die russischen Besatzer massiv gegen das rund 15 Kilometer westlich von Bachmut gelegene Stadtgebiet vorgegangen, erlitten dabei aber Verluste von 50 bis 70 Prozent ihrer militärischen Ausrüstung, erklärte damals Jurij Fedorenko, Kommandeur des Achilles-Bataillons der 92. Separatisten-Brigade, im ukrainischen Rundfunk.
Nun setzt Moskau dem von Krieg gebeutelten Örtchen erneut zu, wie unter anderem der ukrainische Sender Apostrophe TV berichtet (30. April). Größtenteils sei die Stadt bereits „dem Erdboden gleichgemacht“, heißt es, die Streitkräfte der Ukraine versuchten dennoch, das Areal zu halten.
Tschassiw Jar
Tschassiw Jar und seine besondere militärstrategische Rolle
Wenig verwunderlich sind die hartnäckigen Invasionsbemühungen der Russen nicht, wird Tschassiw Jar doch eine besondere militärstrategische Rolle zugesprochen. Sollte die russische Armee die einstige Kleinstadt vollends unter Kontrolle bekommen, könnten sie von dort aus, unter taktisch günstigen Voraussetzungen, die Umgebung unter Beschuss nehmen, erläuterte Fedorenko.
Der US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) teilt diese Einschätzung, Tschassiw Jar eigne sich gut, um auch die beiden südlichen Festungsstädte Druzhkivka und Kostjantyniwka zu attackieren.
Ukraine in Sachen Feuerkraft klar unterlegen
Gegenüber Apostrophe TV schildert Ruslan Muzychuk, ein Sprecher der Nationalgarde der Ukraine, dass der russische Aggressor mit Infanterieeinheiten und gepanzerten Fahrzeugen anstürme, auch Nachbardörfer seien betroffen. „Die Angriffe finden unter dichtem Artillerieschutz statt, und der Feind wirft auch eine große Anzahl von KAB-500-Bomben ab, um die Stellungen unserer Verteidiger zu zerstören“, so der Sprecher.
Ruslan Muzychuk skizziert zudem die bisherige Unterlegenheit seines Landes in der quantitativen Feuerkraft. Das Verhältnis abgefeuerter Granaten, erläuterte der Nationalgardist, liege bei fünf zu eins, manchmal sogar bei zehn zu eins.
KAB-500-Bomben
Russland versucht Tschassiw Jar einzukesseln
Das ukrainische Portal tsn.de schreibt ferner von jüngsten Bemühungen der Russen, die verbliebenen ukrainischen Verteidiger in Tschassiw Jar einzukesseln. Ein weiterer Militärsprecher, Nazar Woloshyn, äußert sich wie folgt gegenüber der Nachrichtenplattform: „Das Ziel des Feindes besteht darin, eine Zangenbewegung gegen die Stadt durchzuführen und sie kreisförmig zu umgehen. Alle Versuche des Feindes werden von unseren Einheiten unterdrückt.“
Allerdings betont auch Woloshyn, dass sich die Stadt weiterhin mit schweren Artilleriebeschüssen konfrontiert sieht. Allein am 29. April sollen 170 russische Artillerie- und Mörserangriffe registriert worden sein. „Der Feind, der sich einen erheblichen Kräfte- und Mittelvorteil verschafft hat, greift in einige Richtungen an und erzielt taktische Erfolge. In einigen Richtungen sind seine Versuche jedoch erfolglos“, sagt der Sprecher.
„Das Ziel des Feindes besteht darin, eine Zangenbewegung gegen die Stadt durchzuführen und sie kreisförmig zu umgehen. Alle Versuche des Feindes werden von unseren Einheiten unterdrückt.“
Nazar Woloshyn (Ukrainischer Militärsprecher)
Putins Wunsch: Eroberung bis zum 9. Mai
Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte unlängst, dass es im Interesse Putins läge, Tschassiw Jar aufgrund seiner strategischen Funktion bis spätestens zum 9. Mai einzunehmen.
Oberstleutnant Toomas Väli, stellvertretender Einsatzleiter des Hauptquartiers der Verteidigungsstreitkräfte Estlands (EFD), bekundete hingegen am 29. April gegenüber dem estnischen Radiosender ERR, dass er nicht glaube, dass Putins Plan bis zum 9. Mai aufgehen werde „Es wird schwierig sein, weil es ein langsamerer städtischer Krieg sein wird, wie in Awdijiwka. Wobei es Monate gedauert hat, die Kontrolle über Awdijiwka, aber auch über Bachmut zu erlangen.“ (chnnn)