Ryan Gosling und Emily Blunt: Der Actionfilm «The Fall Guy» verheizt zwei gute Darsteller mit aller Gewalt

Ryan Gosling ist «the Fall Guy», ein Stuntman, dessen Job im Hinfallen, Abstürzen und In-die-Luft-gesprengt-Werden besteht. Eric Laciste / AP

Wäre der Actionfilm ein Angestellter, müsste man ihn zum Mitarbeitergespräch bitten. Die Idee, Gewalt mit Humor zu kombinieren, war eine Zeitlang unterhaltsam, würde man sagen. Aber jetzt reicht es.

Ironie und Action: Das ist eine Masche geworden, weil das Blockbuster-Kino breite Zielgruppensegmente im Blick hat und man in Hollywood glaubt, dass Männer, die die Welt in die Luft jagen, wesentlich attraktiver sind, wenn sie dabei einen kessen Spruch machen. Der Actionheld alten Zuschnitts, gewalttätig, rachsüchtig und über alle moralischen Zweifel erhaben, passt schon lange nicht mehr zum Zeitgeist, der auf feministisch und liberal geeicht ist. Das ist gut so – niemand will die Rache-Epen der achtziger Jahre zurück, mit ihren selbstgerechten Machos und ihrer plumpen Lust an Gewalt. Charles Bronson und Clint Eastwood wirken heute wie Karikaturen einer vormodernen Männlichkeit.

Deshalb die Ironie, ein Stilmittel, mit dem man das eine ausdrücken und das andere meinen kann. Weil Action ohne Schauwerte keinen Sinn ergibt, müssen weiterhin Autos gejagt, Häuser gesprengt und Menschen mit Kugeln perforiert werden. Nur dass das Ganze mit einem augenzwinkernden Kommentar versehen wird.

«The Fall Guy» ist Actionkino in der Phase der Selbstbespassung: endlose Verfolgungsjagden, ;viel Gewalt – und sehr viele flotte Sprüche. Eric Laciste / AP

Die Ironie ist im Actionkino eine ausgehöhlte Schablone

Ab Mitte der neunziger Jahre trat das Actionkino in diese Phase der Selbstbespassung ein, stilprägend war der Film «The Rock». Sean Connery als Elitesoldat, Nicolas Cage als trotteliger Wissenschafter, viel Gewalt und sehr viele flotte Sprüche – das Genre verschaffte sich mit Ironie den nötigen Spielraum, um einerseits spektakulär zu bleiben und andererseits nicht antiquiert zu wirken.

In den letzten dreissig Jahren hat sich an diesem Verfahren nicht viel geändert, nur dass die Kulturindustrie übertrieben hat, so wie sie immer übertreibt, wenn sich eine Innovation als gewinnbringend erwiesen hat. Dann wird die neue Ästhetik so lange bewirtschaftet, bis sie, ausgehöhlt zur Schablone, allen auf die Nerven geht.

«The Fall Guy», inszeniert von David Leitch, ist ein nerviger Film. Die Ironieschraube sitzt so fest, dass dem Plot und den Darstellern schon in der Hälfte die Luft ausgeht. Das ist einerseits schade, weil Ryan Gosling ein exzellenter, in allen Sparten von Action über Sci-Fi bis Romantic Comedy bewährter Darsteller ist. Und andererseits schlüssig, weil Gosling spätestens seit «Barbie» die Galionsfigur einer selbstironischen Männlichkeit darstellt, mit der sich Schauwerte (Waschbrettbauch) und Charme (Eigenhumor, Sensibilität) vermitteln und versilbern lassen.

Gosling ist der Fall Guy, ein Stuntman, dessen Job im Hinfallen, Abstürzen und In-die-Luft-gesprengt-Werden besteht. Seit Jahren ist er das Alter Ego von Duke (Aaron Taylor-Johnson), eines narzisstischen Hollywood-Ekels, mit dem sich so lukrative wie hirnrissige Filme drehen lassen. Emily Blunt spielt eine aufstrebende Regisseurin mit Blockbuster-Ambitionen. Als Duke spurlos verschwindet, muss der Fall Guy ran und den Film retten.

Duke (im Bild: Aaron Taylor-Johnson) verschwindet spurlos, also muss sein Double (Ryan Gosling) ran. Eric Laciste / AP

Stuntman und Regisseurin waren einmal ein Paar, und die Liebe der beiden ist so wenig totzukriegen wie die Lust des Kinogehers auf Popcorn. «Fall Guy» ist also ein Actionfilm und eine Romanze, aber weil er die Konventionen beider Genres im Säurebad der Ironie auflöst, ist er keines von beidem. Endlose Verfolgungsjagden und Prügeleien wechseln sich mit gefühligen Gesprächen im Paartherapiestil ab – spätestens für den dritten Akt wünscht man sich ein Zuschauer-Double, das diese filmische Belastungsprobe stellvertretend durchsteht.

Alles geht auf Tarantino zurück

Die Erzählung von Stuntman und Star kennt man aus «Once Upon a Time in Hollywood» von Quentin Tarantino. Leonardo DiCaprio als Star, Brad Pitt als sein Double: Auch das war eine ironische Konstellation, weil Tarantino das Startum als Illusion enttarnte und den Stuntman als wahren Helden des Filmbetriebs. Überhaupt sind Stuntmen eine feste Grösse in Tarantinos Kino. Der legendären Stuntfrau Zoë Bell schrieb er in «Death Proof» (2007) sogar eine Hauptrolle auf den geschundenen Leib.

Quentin Tarantino steht am Anfang der Genre-Ironisierung: Als «Pulp Fiction» 1994 in die Kinos kam, blieb im Gangster- und Actionkino kein dramaturgischer Stein auf dem anderen. Ein Killer war von nun an nur so gut wie die geistreiche Rhetorik, mit der er seine Mordlust garnierte. Gewalt wurde drastisch und zugleich diskursiv. Heute, dreissig Jahre später, ist die ironische Eigenkommentierung in Plattitüden umgeschlagen, ein strategischer Kniff, der filmisches Erzählen ästhetisch aushöhlt und zugleich mit Klischees aufplustert.

Ein Klischee muss nicht schlecht sein, manchmal scheint im Stereotyp eine Wahrheit auf. Per Ironie munitionierte Klischees wie hier das Bild tatkräftiger Männlichkeit beziehungsweise rettungsbedürftigen Frauseins aber kaschieren ihren ideologischen Kern. Ironie ist dann keine Geste der Subversion, sondern nur ein Kunstgriff des Marketings. «Fall Guy» ist eine Promotion-Aktion für die Ladenhüter filmischen Erzählens und Darstellens. Ironie im Actionkino ist out, und sie lässt sich mit noch so viel Gewalt nicht mehr als Unterhaltung verkaufen.