Russland drohen EU-Sanktionen bei Flüssiggas
Einen kompletten Importstopp für russisches Flüssiggas soll es in der EU nicht geben. Ein Entwurf sieht aber erstmals Einschränkungen vor. Ungarn lehnt allerdings Sanktionen grundsätzlich ab.
Russland drohen EU-Sanktionen bei Flüssiggas
Russland drohen erstmals seit dem Angriff auf die Ukraine vor gut zwei Jahren EU-Sanktionen bei Flüssiggas. Das geht aus einem Sanktionsentwurf hervor, über den die Ständigen Vertreter der Mitgliedsländer am Mittwoch in Brüssel erstmals berieten und der der Nachrichtenagentur AFP vorliegt. Ein Importstopp für Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) ist in Europa allerdings nicht geplant.
Verbieten will die EU laut Entwurf vorerst nur zwei Dinge: das Umladen von russischem LNG in europäischen Häfen inklusive dem Weiterverschiffen Richtung Asien und zweitens europäische Investitionen in Flüssiggasprojekte in Russland, etwa in der Stadt Murmansk nördlich des Polarkreises.
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Nach einer Analyse der deutschen Nichtregierungsorganisation Urgewald zu Tankerrouten vom März ist die EU weiter die »zentrale Drehscheibe für Russlands Flüssiggasgeschäft«. Vor allem über Häfen in Belgien, Frankreich, Spanien und Rotterdam in den Niederlanden verschifft Russland demnach sein LNG in Richtung Asien.
Zumindest dies will die EU nun beenden. Das Europaparlament fordert darüber hinaus, die LNG-Einfuhren aus Russland komplett zu stoppen, wie aus einer nicht bindenden Entschließung von November hervorgeht. Dazu sind die Mitgliedsländer bisher jedoch nicht bereit, wie der Sanktionsvorschlag des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zeigt. Vor allem Ungarn hält »alle Sanktionen im Energiebereich für schädlich«, wie aus einer Regierungserklärung vom Dienstag hervorgeht.
Im vergangenen Jahr bezahlten EU-Länder 8,1 Milliarden Euro für Flüssiggaslieferungen aus Russland, wie eine Studie des auf den Energiesektor spezialisierten Instituts IEEFA belegt. Brüsseler Diplomaten erwarten mehrwöchige Diskussionen über den neuen Sanktionsvorschlag, der Einstimmigkeit bei den Mitgliedsländern erfordert. Nach SPIEGEL-Informationen gibt es bisher noch Uneinigkeit bei dem Entwurf.
Einigkeit gibt es nach wochenlangen Verhandlungen bei einem anderen Thema. Die EU will milliardenschwere Zinserträge aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank zur Finanzierung von Militärhilfen für die Ukraine nutzen. Vertreter der Mitgliedstaaten verständigten sich nach wochenlangen Verhandlungen auf einen Plan dafür, wie die derzeitige belgische EU-Ratspräsidentschaft mitteilte. Allein dieses Jahr sollen bis zu drei Milliarden Euro zusammenkommen.
Nach Kommissionsangaben sind rund 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank in der EU eingefroren. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinsen eingenommen zu haben.
Finanzierung militärischer Ausrüstung und Ausbildung
Den Vorschlag zur indirekten Verwendung russischer Gelder für die Ukraine hatten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte den Regierungen der EU-Staaten im März übermittelt. Er sieht vor, dass 90 Prozent der nutzbaren Zinserträge aus der Verwahrung russischer Zentralbank-Gelder in den EU-Fonds für die Finanzierung militärischer Ausrüstung und Ausbildung geleitet werden sollen. Die restlichen zehn Prozent sollen für direkte Finanzhilfen für die Ukraine genutzt werden.
Weiter plant die EU zudem, allen politischen Parteien, Stiftungen oder NGOs und Medienunternehmen zu verbieten, »Finanzhilfen, Spenden oder andere wirtschaftliche Vorteile oder Hilfen durch den russischen Staat« anzunehmen. Hintergrund sind Vorwürfe, wonach Russland über das tschechische Portal »Voice of Europe« Europaabgeordnete bestochen haben soll.
Deshalb war unter anderem der AfD-Bundestagsabgeordnete und Europawahlkandidat Petr Bystron ins Visier geraten. Er weist die Anschuldigungen zurück. Gegen den AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah laufen Vorermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden wegen möglicher Geldzahlungen aus russischen wie chinesischen Quellen.
Die Ständigen Vertreter der EU-Länder gaben bei ihrem Brüsseler Treffen zudem grünes Licht für ein ukrainisches Reformprogramm, wie der belgische Ratsvorsitz mitteilte. Es ist die Grundlage für Wirtschaftshilfen in Höhe von 50 Milliarden Euro bis 2027. Die Staats- und Regierungschefs hatten die Hilfen Anfang Februar beschlossen.