Richter zeigt Trump die Zähne und droht mit Gefängnis
Der frühere US-Präsident hat gegen einen Maulkorb im Schweigegeldprozess verstossen. Der Richter antwortet mit Zuckerbrot und Peitsche.
Nach einer Pause kehrt Donald Trump am 30. April ans Gericht zurück, wo ihm der Prozess gemacht wird wegen einer Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels.
9000 Dollar Busse sind ein Pappenstiel für den Mann, der bereits über 250 Millionen Dollar bei der New Yorker Justiz hinterlegen musste, kaum eine Fussnote wert in seiner Buchhaltung. Für die USA aber ist das Bussgeld, das Donald Trump am Dienstag in New York auferlegt wurde, von historischem Wert: Er ist nun nicht nur der erste ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten auf der Anklagebank, sondern auch der erste, der wegen krimineller Missachtung einer gerichtlichen Anordnung verurteilt wird. Und das Gericht droht ihm explizit an, ihn als ersten ehemaligen US-Präsidenten ins Gefängnis zu stecken.
Es ist das erste Mal, dass die amerikanische Strafjustiz Trump nicht nur die Zähne zeigt, sondern sie ihn auch spüren lässt. Neunmal habe Donald Trump mit Absicht einen Maulkorb verletzt, urteilte Richter Juan Merchan am Dienstag. Er hatte dem Beschuldigten verboten, Zeugen, Geschworene und Gerichtspersonal des Schweigegeldprozesses in New York einzuschüchtern. Zehnmal hat Trump das trotzdem getan – auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social –, in neun Fällen verstiess er damit gegen die Auflage des Richters. Dieser auferlegte dem früheren US-Präsidenten für jedes Mal die Maximalsumme von 1000 Dollar.
Bill Clinton zahlte mehr nach seiner Lüge
Auch Bill Clinton war 1999 wegen Missachtung eines Gerichts gerügt worden, weil er unter Eid über seine Affäre mit der Praktikantin Monika Lewinsky gelogen hatte. Das war allerdings in einem Zivilverfahren. Clinton erhielt keine Busse, sondern musste die Kosten von Lewinskys Rechtsvertretung übernehmen: Er zahlte knapp 90’000 Dollar.
Nun drohte der Richter Trump mit einer Gefängnisstrafe, falls dieser den Maulkorb nicht respektiere. Wenn der Beschuldigte sich das Bussgeld locker leisten könne, reiche die Maximalsumme nicht aus, um ihren Zweck zu erfüllen: dass der Beschuldigte den Rechtsstaat und das Gericht respektiere. Er werde darum «gezwungen, zu prüfen, ob eine Gefängnisstrafe nötig ist», schrieb Merchan in seinem Urteil. Die Drohung ist unmissverständlich: Sollte Trump sein Verhalten nicht ändern, dürfte er für mindestens eine Nacht hinter Gitter wandern.
Trump provoziert eine Eskalation
Der designierte Präsidentschaftskandidat der Republikaner zielt auf eine Eskalation in dem Prozess ab, zuallererst, um in der Wahlkampagne behaupten zu können, er sei ein Opfer der Justiz. Möglicherweise will er damit auch Ansatzpunkte für Einsprachen gegen eine Verurteilung sammeln. Die Bussen hatte er mit Absicht provoziert. Als die Anklage vergangene Woche verlangte, ihn zu bestrafen, verteidigten ihn seine Anwälte nur halbherzig. Sie behaupteten etwa, er habe sich lediglich gegen Angriffe verteidigt, wiesen aber in nur einem Fall Belege vor. In dem einen Fall verzichtete Richter Merchan am Dienstag darauf, eine Busse auszusprechen.
Ob Trump auch so weit gehen wird, sich dafür ins Gefängnis werfen zu lassen, ist nicht klar. Berichte über den orangen Mann hinter Gittern dürften ihm bei gemässigten Wählern schaden. Er könnte damit aber versuchen, das Narrativ einer übergriffigen Justiz zu befeuern in dem Land, in dem das Recht auf freie Rede absolut verstanden und sehr hoch gewichtet wird. Auch mit dem Polizeifoto seiner Verhaftung in Georgia brüstet er sich, seine Fans tragen es auf T-Shirts als Beleg für das, was sie Solidarität mit einem politisch Verfolgten nennen. Eine Gefängnisstrafe für Trump wäre eine ungleich grössere Nummer, die sich rasant zu einer mittelschweren Krise des Rechtsstaats ausweiten könnte, allein schon deswegen, weil nicht klar wäre, wie der Secret Service den Schutz des früheren Präsidenten sicherstellen könnte.
Richter gewährt Ausnahme für Trumps Sohn
Vor dem Prozess hatte der designierte Präsidentschaftskandidat der Republikaner Staatsanwalt Alvin Bragg und dessen Mitarbeiter, Richter Juan Merchan und dessen Mitarbeiter sowie Zeugen regelmässig beschimpft. Als ihm Merchan dies untersagte, griff er die Tochter des Richters an. Auch äusserte er sich auf Truth Social zu den Geschworenen, die über seine Schuld urteilen werden, in einer Weise, die als Drohung verstanden werden muss. «Sie finden verdeckte demokratische Aktivisten, die lügen, um in die Trump-Jury zu gelangen», schrieb er. Das Zitat ordnete er Fox-Moderator Jesse Watters zu, der das wörtlich gar nicht so gesagt hatte, wohl ein Versuch Trumps, sich bei Bedarf von den Aussagen zu distanzieren.
1000 Dollar Busse erhielt Donald Trump für diesen Eintrag auf seinem Netzwerk Truth Social.
Richter Merchan liess sämtliche Ausflüchte nicht gelten: Trump habe selbst gesagt, Truth Social sei sein Sprachrohr. Das Gericht sei sich sehr bewusst, dass der Beschuldigte ein Recht auf freie Rede geniesse, besonders weil er für die Präsidentschaft kandidiere. Trumps Recht dürfe nicht beschnitten werden, er müsse seinen Wahlkampf führen können und er müsse auf politische Angriffe antworten dürfen. Darum sei der Maulkorb möglichst eng definiert, hielt Merchan fest. Er wies Trump an, die neun beanstandeten Einträge zu löschen.
Nach der Peitsche reichte der Richter Trump ein Zuckerbrot: Er darf an der Schulabschlussfeier seines Sohns Barron am 17. Mai in Florida teilnehmen. Trump hatte sich seit Prozessbeginn darüber beschwert, Merchan verweigere ihm den Besuch der Familie, obwohl der Richter sich bis Dienstag nicht dazu geäussert hatte. Der Richter dürfte damit auch ein Signal gegeben haben, dass er den Beschuldigten fair zu behandeln gedenkt.
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