Reise nach Belgrad: Wo Xi endlich als Freund empfangen wird
Für Xi geschmückt: Eine Straße in der serbischen Hauptstadt Belgrad am Montag
Der Auftakt von Xi Jinpings Europareise verlief bestenfalls lauwarm. In Paris wechselten sich Töne bemühter Freundschaft mit klaren Hinweisen auf eine wachsende Handelsfeindschaft ab. Am späten Dienstagnachmittag reiste Chinas Staats- und Parteichef jedoch an einen Ort weiter, wo er keine Miss- und Zwischentöne zu erwarten hatte, sondern nur Lobeshymnen. Denn in Serbien erwartete ihn mit Staatspräsident Aleksandar Vučić ein Gastgeber, der einst sogar die chinesische Flagge geküsst hatte.
Ein überaus freundlicher Empfang war Xi also garantiert. Vučić stellte vor wenigen Tagen die von ihm komponierte neue serbische Regierung vor, in der mehrere nationalistische Hardliner Schlüsselpositionen einnehmen. Das war auch als Botschaft an die EU und Washington zu verstehen, dass der serbische Präsident sich von dem ihm gegenüber nachsichtigem Kurs des Westens nicht beeindrucken lässt. Er setzt vielmehr in jugoslawischer Tradition auf eine Schaukelpolitik zwischen Ost und West, wobei das Land wirtschaftlich immer noch eindeutig auf die EU ausgerichtet ist.
Wirtschaftlich überlagern sich die europäischen Einflüsse zum Teil aber auch mit chinesischen. So produziert ein chinesischer Reifenhersteller, dessen Werk in Serbien für die desaströsen Bedingungen kritisiert worden war, unter denen mehrere Hundert vietnamesische Arbeiter dort schuften mussten, vor allem für deutsche Abnehmer. Auch auf anderen Gebieten gibt es solche Überschneidungen, sodass die oft berechtigten Vorwürfe gegen chinesische Investoren in Serbien, etwa über nicht eingehaltene Umweltstandards, oft nicht allein auf China zurückfallen.
Serbien bemüht sich um China
Gänzlich spannungsfrei sind die chinesisch-serbischen Beziehungen deshalb nicht immer. In Serbien gab es schon mehrfach Proteste und Demonstrationen gegen Umweltzerstörungen, die chinesische Fabriken in dem Balkanland verursachen. Oft steht dabei der chinesische Bergbaukonzern Zijin im Mittelpunkt, der im ostserbischen Bor tätig ist. Vučić kann solche Proteste nicht ignorieren. Er will unbedingt verhindern, dass sich in Serbien wiederholt, was in Kroatien geschehen ist. Dort hat sich eine grüne Partei etabliert. Um eine solche in seinem Land gar nicht erst groß werden zu lassen, geht Vučić auf ökologische Forderungen von Demonstranten mitunter ein, was sich dann nicht zuletzt gegen chinesische Akteure richtet.
Insgesamt aber bemüht man sich in Belgrad um bestes Einvernehmen mit Peking. Einmal etwa ließ Vučić die Belgrader Innenstadt mit überlebensgroßen Dankesbotschaften für den „Bruder Xi“ zuplakatieren. Zu Fahnenkuss und Bruderbotschaften kam es zur Zeit der Corona-Pandemie, als China Impfstoffe lieferte und Serbien, das sich zugleich auch in Russland und im Westen damit eingedeckt hatte, kurzfristig zum Impfeuropameister wurde. Hintergrund dieser Haltung Serbiens ist, dass China im UN-Sicherheitsrat neben Russland der zweite Garant dafür ist, dass das Kosovo nicht in die Vereinten Nationen aufgenommen werden kann.
In Frankreich hingegen trat ein gänzlich anderes Interesse an China zutage. Zu Beginn seiner knapp einwöchigen Europareise führte der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping Gespräche in Frankreich, und außer auf seinen Gastgeber Emmanuel Macron traf er dabei auch auf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die bekräftigte dabei ihren Vorwurf der chinesischen Wettbewerbsverzerrung und drohte mit Konsequenzen aus Brüssel. „Subventionierte Produkte wie E-Autos und Stahl überschwemmen den europäischen Markt“, sagte von der Leyen.
Keine Strafzölle auf französischen Cognac
Europa werde sich „nicht von harten Entscheidungen abhalten lassen, um seine Wirtschaft und Sicherheit zu schützen“. Die EU könne wettbewerbsverzerrende Praktiken nicht akzeptieren, die Welt die chinesische „Überproduktion“ nicht aufnehmen, sagte sie. Europa sei daher bereit, „Instrumente zur Verteidigung des Handels“ einzusetzen. Auch Macron hatte zu Beginn des Dreiergesprächs gleiche Regeln für alle gefordert. Die Zukunft Europas hänge auch davon ab, ob es gelinge „ausgeglichene Beziehungen zu China zu entwickeln“, so der französische Präsident.
Für sein Land konnte Macron dabei nur kleine Erfolge erringen. Französischer Cognac wird vorerst nicht mit chinesischen Strafzöllen belegt, das hatte der Gast noch vor dem Staatsbankett am Montagabend im Élysée-Palast versprochen. Da passte es, dass Xi als Gastgeschenk neben einer chinesischen Ausgabe von Victor Hugos „Notre Dame de Paris“ auch eine Cognac-Karaffe im Louis-XIII-Stil sowie Cognac der Marke Hennessy erhielt.
Vage fielen hingegen die Zusagen Xis zur Ukraine aus. Der chinesische Präsident ermahnte Macron, einen „neuen Kalten Krieg“ abzuwenden. Xi sagte, der Ukraine-Krieg könne nur durch Verhandlungen unter Beteiligung beider Seiten gelöst werden und warnte davor, ihn als Instrument zur Kritik an China zu nutzen. „Wir sind dagegen, dass diese Krise dazu benutzt wird, einem Drittland die Verantwortung zuzuschieben, sein Image zu beschädigen und einen neuen kalten Krieg anzuzetteln“, sagte Xi. Macron bekräftigte, dass es keine Sicherheit in Europa ohne Sicherheit in der Ukraine geben könne.
Besuch in den Pyrenäen im Schneeregen
„Wir befinden uns an einem historischen Wendepunkt, an dem die Bedrohungen ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht haben und die Risiken einer globalen Fragmentierung beträchtlich sind“, sagte der französische Präsident. Xi kam dem Gastgeber ein wenig entgegen und sprach sich für eine „olympische Waffenruhe“ aus. Frankreich hofft, dass während der Olympischen Sommerspiele die Waffen sowohl in Gaza als auch in der Ukraine ruhen werden. Zugleich ermahnte Xi Macron und von der Leyen jedoch, sich nicht einer Logik der Handelsspannungen zu unterwerfen. Es gelte, sich gemeinsam gegen die Abkopplung und mögliche Unterbrechungen von Lieferketten zu wehren, sagte Xi.
Zum Abschluss bemühte sich Macron, dem Staatsbesuch eine persönliche Note zu verleihen. Bei Schneeregen kehrten die beiden Präsidentenpaare im Wintersportort La Mongie in den Hochpyrenäen im rustikalen Lieblingsrestaurant Macrons „L’étape du berger“ ein. Der Franzose verbindet mit dem Ort Kindheitserinnerungen, er verbrachte dort die Schulferien bei seiner Großmutter. Die Ortschaft wie auch der berühmte Bergpass der Tour de France, Le Col du Tourmalet, wurden weiträumig für den Gast aus China abgesperrt.
Macron wollte damit die Einladung nach Guangzhou erwidern, wo Xi ihn in das Haus seines Vaters zum Tee gebeten hatte. Die China-Reise Macrons im April 2023 war von Äußerungen begleitet gewesen, Europa dürfe sich in der China-Politik nicht den Kurs von den Vereinigten Staaten vorgeben lassen. Dieses Mal äußerte Macron in Anwesenheit von Xi allerdings keine Kritik an Washington.
Von Serbien will Xi schließlich nach Ungarn weiterreisen. Auch auf der letzten Station seiner Europatournee kann er einen Empfang wie bei Freunden erwarten. Ungarns Regierungschef Viktor Orbán kann schließlich gut mit Diktatoren. Aus Budapest hieß es vorab, man plane die Unterzeichnung von mindestens 16 Abkommen mit China während des an diesem Mittwoch beginnenden Besuchs. Genannt wurden unter anderem Infrastrukturvorhaben (Schiene und Straße) sowie Energieprojekte.