Reinhard Meys neues Album: Transzendent? Ich war ja auch noch nie 81 Jahre alt.

reinhard meys neues album: transzendent? ich war ja auch noch nie 81 jahre alt.

Reinhard Mey 2020 in Berlin

Herr Mey, auf Ihrer neuen Platte „Nach Haus“ singen Sie im Lied „Zwischen Kontrollpunkt Drewitz und der Brücke von Dreilinden“ über die deutsche Wiedervereinigung. Dort heißt es über Ost- und Westdeutsche: „Wir müssen ja nicht gleich sein, nein, wir müssen uns nur kennen“ – kennen wir uns denn nicht, 35 Jahre nach dem Mauerfall?

reinhard meys neues album: transzendent? ich war ja auch noch nie 81 jahre alt.

Singen wie Orpheus: Reinhard Mey auf dem ersten Höhepunkt seines Erfolgs

Ich nehme es nur regional so wahr, genauso wie der Flensburger den Sonthofener nicht versteht oder der Saarbrücker den aus Frankfurt an der Oder. Es sind einfach geographische Unterschiede. Ich glaube, sonst verstehen wir uns ganz gut.

Wie haben Sie den Mauerfall erlebt?

Vom 9. bis zum 11. November 1989 waren meine Frau und ich zufällig zu meiner ersten Fernsehsendung überhaupt in Dresden. Am 12. November sind wir zurückgefahren, und ich hatte für meinen Auftritt in der Semperoper einen Blumenstrauß gekriegt. Ich habe zu meiner Frau gesagt: „Wenn der Vopo bei der Ausreise ein Lächeln im Gesicht hat, kriegt er meinen Blumenstrauß.“

reinhard meys neues album: transzendent? ich war ja auch noch nie 81 jahre alt.

Auf seinen neuen Liedern blickt Reinhard Mey zurück und voraus bis zu seinem hundertsten Geburtstag.

Und?

Er hat gelächelt. Weihnachten 1989 sind meine Frau und ich mit den Kindern dann durchs Brandenburger Tor gegangen, nachdem Walter Momper gesagt hat: „Berlin, nun freue dich!“ Wir sind hingegangen und haben uns gefreut. Ich freue mich immer noch. Damals lebte meine Mutter noch. Sie wollte natürlich auch sehen, wie sich das entwickelt hat. Auch die Kinder waren völlig heiß darauf, die DDR zu sehen. Da habe ich einen VW Bus gekauft, in den die ganze Familie reinpasste Dann haben wir uns die DDR erfahren. Die Kinder erzählen noch heute davon.

reinhard meys neues album: transzendent? ich war ja auch noch nie 81 jahre alt.

Weggefährten: Auf Reinhard Meys aktuellem Album singt er gemeinsam mit Hannes Wader das Lied von den „Zwei Musketieren“.

Musikalisch ist Ihre Platte sehr vielfältig. Das Spektrum reicht von sparsam instrumentierten Liedern über den Familienchor und großes Orchester bis hin zum gregorianisch anmutenden „Miserere mei“, in dem Sie sich als Mensch vor einem Gericht gequälter Tiere verantworten müssen. Zu Beginn Ihrer Karriere klangen Sie ganz anders.

reinhard meys neues album: transzendent? ich war ja auch noch nie 81 jahre alt.

Reinhard Meys neue CD „Nach Haus“ ist bei Universal erschienen.

Es war oft so, dass ich ins Studio kam und das Arrangement war schon fertig. Ich konnte vorher vielleicht ein bisschen sagen, was ich mir wünsche, aber wie das dann umgesetzt wurde, da gingen manchmal die Ansichten auseinander. Aber dann stand man im Studio und es musste gesungen werden.

Seit den Achtzigerjahren arbeiten Sie mit Manfred Leuchter als Produzenten zusammen.

Mit ihm kann ich viel mehr vorher besprechen. Wir haben auch längere Produktionszeiten als früher. Es gibt nachher immer noch Sachen, wo man doch unterschiedlicher Meinung ist, und dann bleibt der Regler zu, wenn ich im Studio finde: nein, das hätte ich nicht so gern. Das ist schmerzlich für alle Beteiligten. Bei „Miserere mei“ hatte ich mir einen gregorianischen Chor im Hintergrund vorgestellt. Das habe ich meinem Freund gesagt. Und er hat eine Sopranistin gefunden und einen Männerchor, die das wunderbar gemacht haben. Aber es war mir nachher einfach eine Spur zu dick.

„Nach Haus“ beginnt mit einem eindrucksvollen Lied, das von Vergänglichkeit spricht, von Heimweh und von Erinnerungen, die plötzlich auftauchen, wenn man sie am wenigsten erwartet.

Ich habe wunderbare Erinnerungen an meine früheste Kindheit. Ich sehe mich im Garten mit meiner Mutter oder wie meine Oma im Winter, als ich im Sand spielen wollte, eine Zeitung ins Wohnzimmer gelegt und einen Eimer voll Sand gebracht hat, damit ich Burgen bauen konnte. Mit solchen Sachen ist mein Leben reich beschenkt und ich sehe gern zurück. Ich lebe aber nicht in dieser Zeit, sondern sehr im Hier und Jetzt und auch ein ganzes Stück im Morgen. Aber die Erinnerungen sind mir kostbar. Und ich lasse gerne einen Film aus meinem Leben an mir vorbeiziehen und erinnere mich auch bewusst, frage mich etwa, ob mir noch ein Detail dazu einfällt.

Sie sind Jahrgang 1942, ein Kriegskind.

Ja. Und ich könnte schwören, dass ich mich an die Bombennächte erinnere, selbst wenn ich sehr klein gewesen bin. Ich glaube, so was prägt sich ein. Oder meine Eltern haben mir so viel davon erzählt, dass ich mich sehe, wie ich in diesem Luftschutzkeller auf den Armen meiner Tante oder meiner Mutter sitze.

Auf „Nach Haus“ blicken Sie nicht nur zurück, sondern auch voraus. Sie singen vom „Ziel“, das auf sie zukommt. Es ist mehr Transzendenz in dieser Platte als in früheren.

Ich war auch noch nie 81.

Das mag dazu beitragen.

Ich habe schon sehr früh gedacht, das geht irgendwann mal alles zu Ende. Ich habe liebe Freunde und Gefährten, auch aus meinem Jahrgang, und meine geliebten Eltern verloren. Leonard Cohen ist gestorben, Gordon Lightfoot, all meine Lehrmeister. Und jetzt? Langsam sagt man sich: Jetzt ist es nicht mehr ganz so abstrakt, irgendwann passiert es. Bis dahin lass uns essen, trinken, fröhlich sein und genießen, was an Zeit noch bleibt.

„Nichts ist für immer“, singen Sie auf der neuen Platte. Und träumen aber in einem anderen Lied davon, mit Ihrer Frau gemeinsam auf der Jakobsleiter in den Himmel zu steigen.

Ja, an einem Tag sieht man es so. Nächste Woche sieht man es vielleicht ein bisschen anders. Meine Frau und ich, wir sind jetzt 49 Jahre zusammen. Wir haben so viel erlebt und durchgestanden, soviel Wunderbares und Schönes – uns kann der Tod nicht scheiden.

Wie schreiben Sie Ihre Texte?

Ich begebe mich in Klausur. Dann habe ich vielleicht nach drei Tagen ein Lied fertig und schreibe gleich weiter, nachdem die Turbinen am Laufen sind und der Motor warm ist. Es kann passieren, dass ich mich, wenn ich sechs Lieder geschrieben habe, an die ersten drei schon gar nicht mehr erinnern kann. Dann diese panische Angst: Die sind weg! Der Computer ist abgestürzt! Oder früher: Das Manuskript ist verbrannt, weil ich einen Spaziergang mache und bei der Rückkehr das Haus in Flammen steht! Deswegen habe ich früher Fotokopien der Lieder gemacht, die Umschläge versiegelt und Freunden und Bekannten gegeben. Heute nutze ich alle möglichen elektronischen Hilfen, Sticks, Clouds …

Die Angst um das brennende Haus: Ist das ein Erbe des Kriegskindes?

Ganz sicher. Ich habe, so komisch es klingt, Angst vor Gewitter. Nicht vor dem Blitz. Den kann ich mir erklären. Das ist eine elektrische Entladung. Aber dieser plötzliche Donner! Zu Silvester, wenn die Silvesterböller losgehen, mache ich mich klein und hoffe, dass es vorbeigeht.

Was ist beim Schreiben zuerst da, der Text oder die Musik?

Immer der Text. Ich möchte eine Geschichte erzählen, und wenn ich sie fertig habe, dann möchte ich sie mit Musik erzählen. Ein Gedicht ist eine tolle Sache, aber wenn man es singen kann, kommt einfach noch eine Dimension mehr dazu.

Nehmen Sie dann die Gitarre in die Hand, oder kommt die Musik von alleine?

Nein, das hilft schon sehr. Beim Schreiben habe ich oft die Gitarre auf den Knien und probier mal, wie ich so eine Sache singen könnte. Dabei schleichen sich schon Melodieteile ein.

In Ihren Texten verwenden Sie immer wieder ungewöhnliche Worte wie „Schnurrpfeifereien“ oder Sie reimen „Himmel“ auf „Gebimmel“ – wo kommt das her?

Ich verdanke meinen Eltern viel, die sehr ernst, aber auch wunderbare Spaßvögel waren. Sie haben mir viele Gedichte vorgelesen, so habe ich früh Christian Morgenstern und Ringelnatz kennen gelernt. Die machten sich manchmal die Freude, wirklich schräge Sätze zu stricken, Wortspiele, sie haben mich verblüfft. Und wahrscheinlich habe ich daher das Bedürfnis, das auch zu machen.

Später hat man Ihnen für Ihren Eigensinn den Vorwurf gemacht, eine heile Welt zu preisen, wo doch politische Parolen gefragt waren.

Ich konnte damit leben. Es hat mich nicht im Inneren getroffen. Ich habe ein normales Verhältnis zu mir selbst gehabt und wusste, wie ich fühle. Ich wusste, dass ich die Wahrheit sage, zumindest meine Wahrheit. Wenn ich dafür ein paar Maulschellen kriege, dann ist das Pech. Aber es ist normal.

Sie haben sich leicht und witzig gewehrt: mit „Annabelle“.

Ja. Es hat natürlich einen Haufen Ärger gegeben, aber den habe ich auch überstanden. Und klar wollte ich vielleicht auch mal ein bisschen Ärger machen.

Sie singen oft über Ihre Familie.

Die kenne ich einfach am besten Und über das, was ich gut kenne, kann ich am besten schreiben. Ich bemühe mich, niemanden in meinen Liedern zu verletzen oder bloßzustellen. Aber ich denke, mit dem, was ich über sie schreibe, müssen sie und können sie auch leben. Weil ich versuche, so nah wie möglich an der Wirklichkeit zu bleiben.

Wie weit kann man da gehen?

Es ist schwer zu sagen, wie weit man in so einen Intimkreis eindringen darf und darüber erzählen. Ich glaube, das ist eine Frage des Fingerspitzengefühl. Eine Gratwanderung.

Hat sich schon mal jemand aus der Familie gegen ein Lied gewehrt?

Wir hören natürlich die Demos vorher zu Hause. Meine Frau ist eine gnadenlose Kritikerin, und ich höre auf ihr Wort. Wenn bei ihr so etwas durchgeht, dann würde ich, wenn es um die Kinder geht, natürlich auch die Kinder fragen.

Haben Sie Vorbilder, was das Gitarrespielen angeht?

Georges Brassens! Die Akkorde D Dur, A Dur und G Dur hatte ich von meiner Tante gelernt. Aber wenn es ein bisschen schwieriger wurde in den Harmonien, da gab es wenig, wo man etwas lernen konnte, außer Brassens. Der hat wirklich schräge Harmoniewechsel in seine Lieder eingebaut. Ich habe mir dann Notenhefte besorgt und versucht, das nachzuspielen. Ich gebe zu, dass ich gitarrenmäßig keine Riesenambition hatte. Ich wollte, dass es genügt, um mich zu begleiten. Ich hätte natürlich gerne auch das gespielt, was meine Gitarrenhelden können. Aber man kann nicht alles haben.

Sie besitzen ein Haus auf Sylt. Wie kommt ein Berliner nach Nordfriesland?

Wir waren immer in den Ferien in Südfrankreich. 1985 wollten wir das auch, mussten aber wegen der Risikoschwangerschaft meiner Frau in Deutschland bleiben und fuhren nach Sylt – mit den Vorstellungen von Südfrankreich. Es war entsetzlich, es hat sechs Wochen lang geregnet. Wir haben uns geschworen, da gehen wir nie wieder hin. 1988 kamen wir trotzdem noch mal im Winter, und plötzlich hat es uns gefallen. Dann haben wir Freunde kennengelernt, ganz bodenständige Insulaner. Und zwischen den Kindern und deren Kindern haben sich Freundschaften entsponnen. Schließlich haben wir unser Haus gekauft. Wenn wir im Sommer da waren, sind meine Frau und ich immer so gegen sechs Uhr morgens baden gegangen. Da waren nur noch zwei, drei andere Verrückte auf dem langen Strand. Da kriegst du plötzlich religiöse Gefühle. Da ist man eins mit der Welt und mit dem Meer. Bei den Todesursachen, die man sich wünschen würde, würde ich sagen: Schwimmen, und dann plötzlicher Herzstillstand! Du merkst es ja gar nicht, und dann ist er da. Obwohl die Rettungsleute dann einen Haufen Ärger hätten, den möchte man ja auch nicht hinterlassen. Aber der Gedanke ist nicht schlecht.

In einem Ihrer Lieder auf dem neuen Album stehen Sie an Ihrem hundertsten Geburtstag auf Sylt und schauen sich um – eine rabenschwarze Zukunftsvision mit acht Grad Erderwärmung. Ist da gar keine Hoffnung?

Also wenn ich 2042 erlebe und noch bei Sinnen bin, kann ich schon mal nicht meckern. Und zum anderen glaube ich, dass die Menschheit immer irgendwie Strategien gefunden hat, um zu überleben. Ich sehe das mit großer Sorge, aber nicht als aussichtslos. Denn ich glaube schon, dass sie so schlau sind, irgendwann wirklich mit der Braunkohle aufzuhören. Und dass die Erderwärmung auch nicht wirklich auf acht Grad geht. Aber man kann es nicht schwarz genug malen, um es deutlich zu machen.

OTHER NEWS

14 minutes ago

Ferrari SF-24 ‘inconsistencies’ come to light for Carlos Sainz after big Leclerc gap

14 minutes ago

The Ford Mustang Dark Horse Rips

16 minutes ago

Is that 'Her'? OpenAI pauses a ChatGPT voice after some say it sounds like Scarlett Johansson

17 minutes ago

Microsoft highlights ‘Copilot+’ PCs ahead of developer conference

17 minutes ago

Bronx Dems plan to counter ‘enemy’ Trump rally with Crotona Park demonstration

17 minutes ago

Cohen was already a perjurer, fraudster and tax cheat — now he’s also a thief

17 minutes ago

Sarah Jessica Parker divides opinion with enormous hat on set of And Just Like That - as fans miss Sex and the City costume designer Patricia Field

17 minutes ago

Dollar firm as investors await Fed guidance

17 minutes ago

Black Labour MP Marsha de Cordova says people mix her up with her colleagues 'all the time'

17 minutes ago

Kari Lake's Chances at Winning Senate Race, According to Polls

18 minutes ago

Britain’s public parks are a green lifeline – stop fencing them off for the summer

18 minutes ago

Kevin Costner gets epic standing ovation for 'Horizon: An American Saga,' moved to tears

18 minutes ago

U.S. Supreme Court decliens to hear appeal over Maryland weapons ban

18 minutes ago

NASCAR All-Star Race: Joey Logano runs away with $1 million win

18 minutes ago

Scout’s Analysis: The evolution of Canucks goaltender Arturs Silovs

18 minutes ago

‘Superman’s Sara Sampaio Signs With UTA

18 minutes ago

Liverpool's new head coach confirmed on three-year deal

18 minutes ago

Madame Web's Netflix Streaming Numbers Are Actually Pretty Good

18 minutes ago

Drake Bell says he and former Nickelodeon exec Dan Schneider have spoken

20 minutes ago

'We're winning it next season!'

20 minutes ago

15 Loose-Fitting Summer Staples That Are Super Flattering

22 minutes ago

Hunter Biden says he’s suing Fox News because they used drug addiction to ‘dehumanize’ him and take down dad

22 minutes ago

Liverpool icon names the three hardest players and scariest leaders he played alongside

22 minutes ago

Cohen says he stole from Trump’s company as key hush money trial witness quizzed

22 minutes ago

Burberry Introduces a Lighthearted Selection of Swimwear, T-Shirts and More for the Summer

22 minutes ago

Arne Slot to build around six Liverpool stars after huge Darwin Nunez and Mo Salah transfer decisions

22 minutes ago

Thunderstorms and downpours set to hit south-west England and Northern Ireland

22 minutes ago

Rishi Sunak issues ‘wholehearted and unequivocal’ apology to infected blood victims

22 minutes ago

Paul McCartney is now a billionaire, the first British musician to do it—and the former Beatle can thank Beyoncé

22 minutes ago

More B.C. property owners should soon be eligible to qualify for a heat pump rebate

24 minutes ago

Lamar High School evacuates students, staff due to 'strong smell of gas'

25 minutes ago

How much will it cost to stream every NFL game in 2024? Breaking down every subscription

25 minutes ago

Player ratings for Manchester City’s 2023-24 Premier League title winners

25 minutes ago

Ukraine’s destruction of warship signals shift in use of US weapons

25 minutes ago

Real Madrid midfielder to miss Champions League final, in huge blow for Spanish side

25 minutes ago

Who are Africa's Premier League winners and losers?

25 minutes ago

Viagra firm to begin offering 'budget' Ozempic prescriptions that cost $50 a week

25 minutes ago

Overjoyed boy, 11, is finally adopted after living in 25 foster homes - with his supportive Arkansas classmates cheering as they watch court verdict

25 minutes ago

Marjorie Taylor Greene posts video of herself heavy lifting in short purple gym ensemble as she claps back at Democrat who smeared her 'bleach blonde bad built butch body'

25 minutes ago

Frontier Airlines passenger forces entire flight to deboard after refusing to comply with exit row instructions

Kênh khám phá trải nghiệm của giới trẻ, thế giới du lịch